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»Du bist nicht der einzige, der getäuscht wurde, Skar«, fiel ihm Gowenna ins Wort. »Ich werde dir alles erklären, aber nicht jetzt. Der tote Krieger sollte dir eine Warnung sein. Es ist nicht gut, zu lange in diesem Land zu bleiben.«

»Jetzt!« beharrte Skar. »Ich will es wissen, Gowenna, jetzt, nicht später, nicht irgendwann einmal, sondern jetzt! Ich bin es einfach leid, als einziger nicht zu wissen, was wir hier überhaupt tun!«

»Wir versuchen zu überleben«, konterte Gowenna gelassen. »Falls dir das entgangen sein sollte, Satai. Und wir versuchen deinen Freund zu befreien.«

»Lenk nicht ab«, knurrte Skar. »Ich will jetzt endlich Antworten, keine Ausflüchte, kein Später, und keine weiteren Rätsel mehr. Ich komme mir allmählich vor wie eine Figur auf einem Spielbrett, aber ich möchte wenigstens die Regeln kennen, wenn ich schon die Züge nicht bestimmen darf.«

»Du weißt so gut wie ich, worum es geht«, antwortete Gowenna aufgebracht. »Erinnere dich, was du selbst zu mir gesagt hast. Warst du nicht der Meinung, daß ...«

Skar griff blitzschnell nach Gowennas Hand, verdrehte sie und drückte mit der Linken kräftig auf ihren Ellbogen. Sie schrie auf, mehr überrascht als vor Schmerz, brach in die Knie und versuchte sich seinem Griff zu entziehen. Aber er hielt sie erbarmungslos fest und verstärkte seinen Druck noch. »Ich habe dich gewarnt, Gowenna«, sagte er leise. »Spiel nicht mit mir. Sag mir jetzt endlich die Wahrheit.«

Gowenna keuchte. »Laß ... los ... du ... tust... mir ... weh ...!«

Skar lockerte seinen Griff für einen Moment, aber nur, um sofort erneut und noch stärker zuzudrücken. »Ich weiß«, sagte er gelassen. »Aber warst du es nicht, die immer wie ein Mann behandelt sein wollte? Ich verspreche dir, es zu tun. Gowenna. Rede, oder ich breche dir den Arm.«

»Du weißt nicht, was du tust«, wimmerte Gowenna. »El-tra -« Sie brach mit einem neuerlichen Keuchen ab, als Skar den Druck auf ihr Ellbogengelenk noch weiter verstärkte.

»Es ist mir vollkommen egal, was deine beiden Halbaffen mit mir anstellen, Gowenna«, sagte er. »Du kannst sie mir gerne auf den Hals hetzen, wenn es dir Spaß macht, aber jetzt wirst du mir antworten!« Er drückte noch einmal, noch fester zu, riß Gowenna plötzlich in die Höhe und schmetterte sie so wuchtig gegen die Wand, daß ihr Kopf zurückflog und mit dumpfem Geräusch gegen den Stein stieß.

»Rede!«

»Sie ist... hier«, keuchte Gowenna. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß. Ein dünner Blutfaden sickerte aus ihrem Haar, lief über das blinde Auge und hinterließ eine glitzernde Spur auf dem Narbengewebe darunter. »Auf den Ebenen. Sie ... lebt in einer der toten Städte, zusammen mit ihrem Drachen und den Männern, die ihr dienen.«

»Und Del?«

»Ich weiß es nicht. Ich ...« Sie zuckte zusammen, als Skar drohend die Faust ballte, hob schützend die Hände vors Gesicht und duckte sich ein wenig. Ihr Blick irrte hilfesuchend über die Ruinenlandschaft, aber von den beiden Sumpfmännern war keine Spur zu sehen. »Er wird bei ihr sein«, sagte sie hastig. »Ich bin mir nicht sicher, aber er ist noch immer Satai. Sie wird nicht auf einen Mann wie ihn verzichten, nur weil du ihn besiegt hast.«

»Und wo ist diese tote Stadt?«

»Ich weiß es nicht, Skar. Irgendwo vor uns. Ich war niemals dort, und sie hat niemals darüber gesprochen. Doch das wenige, das ich aufschnappen konnte, wird reichen, sie zu finden. Die beiden El-tra sind die besten Fährtensucher, die du auftreiben kannst. Wir folgen ihrer Spur schon von der ersten Minute an, ohne daß du es gemerkt hättest.«

Skar spannte sich, aber diesmal blieb Gowenna unbeeindruckt. »Du kannst mich totschlagen, wenn du willst«, sagte sie. »Aber das ist alles, was ich weiß. Weiter im Süden gibt es Städte, die nicht so zerstört sind wie diese. Sie ist dort, in einem Ort jenseits der Hellgor.«

»Hellgor?« fragte Skar.

»Eine Schlucht«, erklärte Gowenna. »Ein Riß, der quer durch Tuan geht, so tief wie ein Abgrund und eine Meile breit, wenn die Legenden nicht lügen. Aber es gibt einen Weg hinüber. Sie wird dort auf uns warten, Skar. Sie oder ihre Männer. Das ist alles, was ich weiß.«

»Alles!« schnaubte Skar. »Du verlangst nicht wirklich, daß ich dir glaube?«

»Natürlich nicht«, antwortete Gowenna. »Aber ich habe dir erzählt, was ich weiß.«

»Nicht ganz. Bisher kenne ich nur die halbe Geschichte.«

»Kannst du dir den Rest nicht selbst zusammenreimen?« fragte Gowenna. »Sie braucht den Stein, um wieder in den Orden aufgenommen zu werden. Nicht aus Machtgier oder Haß, wie du glaubst.«

Skar schnaubte wütend. »Du sprichst sehr ehrfürchtig von einem Menschen, dem du den Tod geschworen hast.«

Gowenna schwieg eine Weile. In ihrem Gesicht zuckte es, aber es war nicht allein die Reaktion auf den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte. »Ich habe geschworen, sie zu töten«, sagte sie. »Das stimmt. Und ich werde es tun. Aber aus Gründen, die du nie begreifen würdest.«

»Versuche sie mir zu erklären.«

»Nein. Was du miterlebt hast, war nicht alles, Satai. Aber meine Gründe gehen dich nichts an. Rache! Ausgerechnet du, ein Satai, sprichst von Rache! Bei allen Göttern, Skar, hat dir das, was du selbst erlebt hast, nicht die Augen geöffnet? Wäre es ihr um Rache gegangen, wäre all dies nicht nötig gewesen. Sie hat einen Staubdrachen gezähmt, Skar. Dieses Tier allein hätte gereicht, Elay zu schleifen. Sie braucht den Stein der Macht nicht, um sich zu rächen.«

»Und wozu sonst?«

Gowenna machte eine wütende Bewegung. »Aus dem Grund, den sie dir nannte, Skar. Um aus dieser Welt wieder eine Welt zu machen, in der es sich lohnt zu leben. Sie wollte den Stein einzig, um ihn der Ehrwürdigen Mutter als Geschenk zu Füßen zu legen. Um den Errish die Macht zu geben, die sie brauchen, um ihr Werk zu vollenden.«

»Geschwafel!« grollte Skar. »Nichts als leeres Gerede! Von welcher Macht sprichst du? Von der Macht, die Welt in Flammen zu setzen, so wie es die Herren Combats taten?«

»Enwor stirbt«, sagte Gowenna, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. »Diese Welt stirbt einen langsamen, qualvollen Tod, und die Errish sind die einzigen, die versuchen, sie zu retten. Aber sie können es nicht. Sie sind zu wenige, und ihr Wissen reicht nicht aus. Sie kämpfen seit Jahrtausenden gegen eine Welt voller Barbarei und Ungeheuer, aber es ist ein Kampf, den sie nicht gewinnen können.«

»Und mit dem Stein der Macht können sie es?« fragte Skar höhnisch.

»Vielleicht«, antwortete Gowenna. »Niemand weiß, was dieser Stein wirklich ist, Skar. Vielleicht ist er nicht mehr als ein Stück buntes Glas, vielleicht der Schlüssel zum Paradies.«

Skar starrte Gowenna durchdringend an. In seinem Gesicht arbeitete es. Aber seine Stimme klang ruhig, als er antwortete: »Und um dieses Vielleicht willen mußten Gerrion und Nol und Beral und El-tra sterben«, sagte er. »Und vielleicht auch Del und ich und du, alle, die hier sind.«

»Vielleicht noch mehr«, nickte Gowenna. »Welche Rolle spielen ein oder auch hundert Menschenleben, wenn es um die Zukunft einer Welt geht, Skar?«

Skar fühlte, wie seine Wut von einem Gefühl der Hilflosigkeit abgelöst wurde. Es war nicht das erste Mal, daß er Worte wie diese hörte, und es war nicht das erste Mal, daß er keine Antwort darauf fand.

»Ich werde nicht schlau aus dir, Gowenna«, murmelte er. »Du bist besessen von dem Gedanken, Vela zu töten, aber wenn man dich reden hört, könnte man glauben, ihr gegenüberzustehen.« Er brach ab, senkte den Blick und starrte sekundenlang wortlos auf das schimmernde Glas zu seinen Füßen. »Gibt es noch etwas, das du mir verschwiegen hast?« fragte er.

»Nein. Nur etwas, das du schon lange weißt, aber vielleicht erst jetzt begriffen hast.«