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Skar antwortete nicht, aber Vela schien auch gar nicht damit gerechnet zu haben. »Und das ist nur der Anfang«, fuhr sie fort. »Es wird nicht mehr lange dauern, dann liegt uns die Welt zu Füßen. Uns, Skar. Dir und mir. Ein Wort von dir genügt, und du herrschst an meiner Seite.«

Skar sah in Dels Gesicht. Die Züge des jungen Satai waren starr, von jener Ausdruckslosigkeit, hinter der sich mühsam aufrechterhaltene Beherrschung verbarg. Aber tief unter ihnen, unter der Oberfläche des Sichtbaren, schien ein großer, qualvoller Schmerz zu lodern. Und für einen Moment teilte Skar diesen Schmerz mit ihm, empfand er nichts mehr von dem Zorn und der Enttäuschung, die noch vor Augenblicken in ihm gewesen waren, sondern nur noch Mitleid.

Und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb, das blieb sich gleich - stieß er das Messer noch tiefer in die Wunde und drehte es herum. »Du hast es gehört, ja?« fragte er bewußt spöttisch und verletzend. »Sie bietet mir an, was du haben willst, Del.«

Del schwieg. Seine unverletzte Hand zuckte.

»Vielleicht hast du dich getäuscht, vorhin«, fuhr er fort. »Vielleicht dauert es nicht einmal mehr bis zum nächsten Sonnenaufgang, Junge. Ein Wort von mir genügt -«

»Ich unterbreche eure kleine Unterhaltung nur ungern«, fiel ihm Vela ins Wort, »aber du verschwendest deine Zeit, Satai. Del dient mir freiwillig, und er weiß, daß er den Platz an meiner Seite zwar einnehmen, aber niemals beanspruchen kann. Du siehst, ich bin ehrlich. So ehrlich, wie ich auch zu dir bin.«

Skar fuhr mit einer wütenden Bewegung herum. Aber er sagte nichts von alldem, was ihm auf der Zunge lag. Velas Worte waren nicht nur einfach hingeworfen - sie hatte sich jeden Satz, jede Betonung, ja, selbst jede kleine Geste überlegt. Alles was sie tat, war Berechnung, ein weiterer Zug in dem Spiel, das sie spielte. Sie wollte ihn verletzen, wollte, daß er sie haßte, mit aller Inbrunst, die er aufbringen konnte.

Das Geräusch schwerer, klirrender Schritte durchbrach das Schweigen. Eine Abteilung Soldaten trat in den Krater, in ihrer Mitte Gowenna und die beiden Sumpfmänner führend. Die beiden El-tra waren in Ketten; zusätzliche, aus Leder geflochtene Stricke fesselten ihre Füße, so daß sie sich nur mit winzigen trippelnden Schritten vorwärts bewegen konnten. Ihre Umhänge waren zerschlissen und verschmutzt. Gowenna selbst war nicht gebunden, aber von einem dichten Kordon von Kriegern umgeben. Die Abteilung blieb stehen, und der Anführer wandte sich mit einem fragenden Blick an Vela. »Bringt sie her!«

Die Reihe der Krieger teilte sich, und Gowenna stolperte, durch einen rüden Stoß in den Rücken vorwärts getrieben, auf Skar zu. Sie taumelte. Skar trat rasch einen Schritt vor, fing sie auf und hielt sie fest. Er spürte, wie ihre Glieder zitterten. Sie roch schlecht, nach Krankheit und Blut und ihrem eigenen Schmutz, und als sie den Kopf hob, sah Skar frische blutige Striemen auf der unverletzten Seite ihres Gesichtes.

Ein wütender Schmerz erwachte in seinem Inneren. »Ungeheuer«, flüsterte er. »Du verdammtes, seelenloses Ungeheuer. Du ... du hast sie foltern lassen.«

Vela lächelte kalt. Sie kam näher, maß Gowenna mit einem mitleidlosen Blick und gab ein kleines spöttisches Geräusch von sich. »Rührend«, sagte sie. »Ein wirklich herzergreifendes Bild.« Skar fuhr mit einer so abrupten Bewegung herum, daß Gowenna vor Schmerz aufstöhnte. »Warum hast du das getan?« brüllte er.

»Wir hatten eine kleine ... Meinungsverschiedenheit«, sagte Vela achselzuckend. »Aber ich hoffe, unsere Diskrepanzen sind jetzt beigelegt. Nicht wahr, mein Liebes?« Sie lächelte zuckersüß, legte die Hand unter Gowennas Kinn und bog ihren Kopf in den Nacken, so daß sie sie ansehen mußte. »Wir sind wieder versöhnt, nicht?« Gowennas Lippen zuckten. »Ja ... Herrin«, flüsterte sie. Skar hatte das Bedürfnis zu schreien, als er ihre Stimme hörte. Sie hatte nichts mehr mit der Gowenna gemein, die er kannte. Das zitternde Bündel, das er in den Armen hielt, war nicht mehr die stolze Kriegerin, sondern ein gebrochener, verängstigter Mensch, der außer zu Furcht zu keiner anderen Regung mehr fähig schien. Er wußte nicht, was Vela ihr angetan hatte, aber nicht einmal zwei Tage hatten gereicht, sie zu zerbrechen.

»Genug«, sagte Vela in verändertem Tonfall. »Du wolltest sie sehen, und dein Wunsch wurde erfüllt. Aber ich werde großzügig sein - wir brechen in zwei Stunden auf. So lange könnt ihr euch von mir aus gegenseitig bemitleiden.« Sie trat zurück und klatschte in die Hände. »Bringt sie fort!«

14.

Die Zelle war klein und fensterlos wie die, in der er die letzten beiden Tage gewesen war, aber sie hatten ihm wenigstens eine Fackel gegeben und Wasser und sauberes Tuch, um Gowennas Wunden zu versorgen. Es war nicht viel, was er tun konnte - die Striemen auf ihrem Gesicht und die Wunden auf ihrem Rücken waren oberflächlich, nicht mehr als Kratzer. Die wirkliche Wunde blieb unsichtbar, tief in ihr vergraben, eine Verletzung, die - wenn sie überhaupt wieder heilen würde - eine tiefe, schwärende Narbe auf ihrer Seele hinterlassen würde. Skar zog ihr Umhang und Unterzeug aus, versorgte die Striemen, die die Peitsche gerissen hatte, und wusch sie mit dem kleinen Rest schmutzigen Wassers, das ihm verblieben war. Ihre Kleider stanken unerträglich, und es kostete Skar ein großes Maß an Überwindung, wenigstens den gröbsten Schmutz zu entfernen und sie zu waschen. Er fragte Gowenna nicht, aber ihr Zustand zeigte ihm deutlich, daß sie während der letzten beiden Tage wie ein Tier gehalten worden war: gefesselt, geschlagen, unfähig, selbst die dringendsten körperlichen Bedürfnisse zu verrichten. Es war nicht so sehr geschehen, um ihr Schmerzen zuzufügen - wie er war Gowenna ein Mensch, dem Schmerz etwas Vertrautes war und der ihn ertragen konnte. Was sie nicht hatte ertragen können, war die Erniedrigung. Sie sagte es nicht, aber er las es in ihrem Blick, in der reglosen, starren Art, in der sie dalag und teilnahmslos alles mit sich geschehen ließ.

Es dauerte fast eine Stunde, bis er fertig war und sie ihren Mantel wieder überstreifte. Danach saßen sie lange, wortlos und aneinandergeklammert in einer Ecke der Zelle. Gowenna weinte leise, aber auch ihre Tränen versiegten schon bald wieder.

Nach einer Weile hörten sie Schritte. Die Zelle wurde geöffnet, und ein Krieger brachte eine Schale mit frischem Wasser und trug das verschmutzte fort. Skar wartete reglos, bis sie wieder allein waren, dann lehnte er Gowenna behutsam gegen die Wand, nahm die Schale auf und setzte sie ihr an die Lippen.

»Trink«, sagte er. »Du mußt durstig sein.«

Gowenna versuchte es, aber ihre Lippen weigerten sich, ihrem Willen zu gehorchen, so daß sie das meiste verschüttete. Skar nahm ihr Gesicht in die Hand, öffnete ihren Mund mit sanfter Gewalt und zwang sie zu trinken. Erst als die Schale vollends geleert war, setzte er sie ab und nahm Gowenna erneut in die Arme. Sie zitterte, aber nicht vor Kälte, obwohl die Luft auch hier, tief unter der Erde, noch eisig war und ihr Atem in blassen Dampfschwaden kondensierte. Nicht einmal die Fackel spendete spürbare Wärme.

»Warum hat sie das getan?« fragte er leise. »Was ... was wollte sie von dir?«

Gowenna sah auf. Ihr Blick flackerte, und das Narbengewebe auf ihrem Gesicht schien für Augenblick von pulsierendem, abstoßendem Leben erfüllt zu sein.

»Sie hat...« Ihre Stimme versagte, ging in ein würgendes Keuchen über. Sekundenlang rang sie qualvoll nach Atem, setzte sich dann mit einem Ruck auf und fing noch einmal an. »Es gab keinen Grund, Skar«, sagte sie. »Sie hat mir nicht eine einzige Frage gestellt. Keine Forderung. Nichts. Sie hat mich nur schlagen lassen. Schlagen, und ...« Wieder schwieg sie, und wieder dauerte es endlose Sekunden, bis sie die Kraft gefunden hatte, weiterzureden.