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»Was willst du?« fragte Skar. »Ist das jetzt die sanfte Tour?« Vela lachte. »Wenn du es so nennen willst... Aber ich müßte mich sehr in dir täuschen, wenn ich damit wirklich etwas erreichen würde. Nein.« Sie beugte sich vor, stützte den Ellbogen auf die Tischplatte und nahm eine Frucht auf, aß jedoch noch immer nicht. Skar roch den leisen Duft ihres Parfüms, als sie sich vorbeugte. »Ich wollte nur mit dir reden, Skar. Vielleicht werden wir für lange Zeit keine Gelegenheit mehr haben, in Ruhe miteinander zu sprechen.«

»Ich wüßte nicht, was es zwischen uns zu besprechen gäbe«, sagte Skar. »Du hast gesagt, was du von mir willst. Und du kennst meine Antwort.«

Vela seufzte und biß nun doch in die Frucht. Ein winziger Tropfen rötlich schimmernden Saftes glitzerte auf ihren Lippen. Er sah aus wie Blut.

»Du bist ein seltsamer Mann, Skar«, sagte sie. »Ein Mann mit erstaunlichen Fähigkeiten, aber auch einer jener selten anzutreffenden Menschen, die ihre Grenzen kennen. Du weißt, wann du verloren hast. Warum gibst du nicht auf?«

Skar nahm sich eine weitere Scheibe Brot. Sein Hunger schien durch die wenigen Bissen, die er zu sich genommen hatte, erst richtig geweckt worden zu sein. Er sah starr an Vela vorbei zur gegenüberliegenden Seite des Raumes.

Trotz der schon fast zu hellen Beleuchtung fiel es ihm schwer, Einzelheiten zu erkennen. Ein unsichtbarer, wogender Schleier aus Nebel schien zwischen ihm und der Wand zu liegen. Es war, als wehre sich die fremdartige Architektur dieses Raumes dagegen, von Augen betrachtet zu werden, für die sie nicht geschaffen worden war.

»Es täte mir wirklich leid, wenn ich dich zerbrechen müßte, Skar«, fuhr Vela im Plauderton fort. »Aber ich muß es tun, wenn du mich dazu zwingst.«

»So wie du Gowenna zerbrochen hast?«

Velas Lächeln blieb unverändert, aber für einen kurzen Moment versteifte sich ihre Haltung. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt.

»Liebst du sie?« fragte sie.

Skar antwortete nicht.

»Oder glaubst du nur, sie zu lieben?« fuhr Vela fort. »Ich weiß - es geht mich nichts an, und ich werde mich auch nicht einmischen. Ich stehe zu meinem Wort - du kannst sie haben, wenn du willst. Ich schenke sie dir.«

»Hast du mich deshalb kommenlassen, um mich zu fragen, was ich haben will?« erwiderte Skar. »Ich bin nicht zu kaufen. Zumindest nicht für dich. Der Preis wäre zu hoch.«

»Das glaube ich sogar. Aber natürlich habe ich dich nicht deshalb gerufen.« Sie beugte sich noch weiter vor, schenkte Skars Becher, der halb geleert war, wieder voll und stellte den Krug mit einem Ruck auf den Tisch zurück.

»Ich habe dir ein Angebot gemacht, Skar«, begann sie, »öfter als einmal, und du hast es abgelehnt. Ich habe dich rufen lassen, um es zu wiederholen. Doch vorher möchte ich dir ein paar Dinge erzählen, die du nicht wissen kannst und die deine Entscheidung vielleicht noch beeinflussen.«

»Was?« fragte Skar. »Neue Lügen?«

»Lügen? Warum sollte ich lügen, Skar? Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Ich habe dich, Del, den Stein - ich könnte dich zwingen, mir dienstbar zu sein, und du wärest sogar glücklich darüber. Warum also sollte ich lügen? Außerdem - ich kenne dich vielleicht besser als du dich selbst. Du bist kein Mann, den man belügen kann. Nicht auf Dauer.«

»Und warum tust du es dann nicht?« fragte Skar. »Warum zwingst du mich nicht, wenn du es angeblich kannst?«

»Hör mir zu, und du kommst vielleicht selbst auf die Antwort. Und denk auch einmal darüber nach, daß der Platz auf einem Thron sehr einsam sein kann.«

»Du hast Del.«

»Del!« Sie lachte wieder, aber diesmal klang es abfällig. »Er ist ein netter Junge, Skar, mehr aber nicht. Ich brauche einen Mann an meiner Seite.«

Skar sah an ihr vorbei auf den Vorhang, hinter der sich ihr Schlafgemach verbarg. Vela bemerkte seinen Blick. »Ja, Skar, auch dafür. Aber nicht nur.«

Es war absurd. Sie saßen hier in den Ruinen eines Volkes, das untergegangen war, bevor es Menschen gab, waren Feinde, die sich gegenseitig mit Freuden umbringen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten, und trieben Konversation. »Komm zur Sache«, sagte er. »Was genau willst du?«

Vela wirkte für die Dauer eines Lidzuckens enttäuscht, und sie gab sich nicht einmal Mühe, dieses Gefühl zu verbergen. »Ich will dir die Geschichte des Volkes von Tuan erzählen«, sagte sie nach einer Weile. »Des Volkes, das Urcôun erbaute, Combat und Tuan und viele andere Orte, die heute nur noch in Legenden leben. Manche nicht einmal mehr dort.«

»Und du glaubst, das würde mich interessieren?«

Vela überging seine Frage. »Del erzählte mir von Urcôun«, fuhr sie fort. »Wie lange wart ihr dort?«

Skar sah sie irritiert an. »Nicht ... lange«, antwortete er stockend. »Eine Nacht und einen halben Tag.«

»Aber lange genug, um zu begreifen, daß es keine Menschen waren, die diese Stadt erbauten, nicht? Sowenig, wie die Erbauer Tuans Menschen waren. Jedenfalls glaubt ihr das. Alle glauben es. Aber es stimmt nur zum Teil.«

»Legenden«, sagte Skar abfällig.

Vela lächelte. »So wie Combat und Tuan, ja. Was muß noch geschehen, bis du bereit bist, zuzugeben, daß die alten Lieder die Wahrheit sagen?«

Skar schwieg, und Vela fuhr, nach einer weiteren, lang anhaltenden Pause, fort: »Du weißt, daß wir lange nach dir gesucht haben, Skar. Nach einem Mann wie dir, um genauer zu sein. Einem Mann oder einer Frau. Zuerst war es Gowenna, die ich fand. Ich dachte, sie wäre die Richtige, aber ich habe mich geirrt. Trotzdem war sie von allen, die ich nach Combat sandte, die, die am weitesten kam. Du wirst mich verstehen, wenn ich dir die Geschichte der Alten erzähle - soweit ich sie kenne.« Sie lehnte sich, den Trinkbecher mit einer graziösen Geste haltend, zurück und machte mit der freien Hand eine weit ausholende Geste, perfekt wie die lange geübte Bewegung einer Tänzerin und doch leicht und natürlich. Wie schön sie ist, dachte Skar. »Diese Welt, Skar, war nicht immer so, wie wir sie kennen. Vor uns lebten andere Völker hier, und vor diesen wieder andere. Das Leben kommt und geht, aber ich glaube, es ist ein Naturgesetz, daß niemals Leere zurückbleibt, sondern das Alte immer wieder von neuem ersetzt wird. Unsere Geschichte reicht lange zurück, aber es gab bereits Menschen hier, lange bevor die Berge entstanden sind und die Meere sich mit Wasser gefüllt haben. Und eines dieser Völker, vielleicht das erste, vielleicht auch nur eines in einer unendlichen Kette, waren die Alten, die, die wir heute Götter nennen. Niemand weiß mehr, wie sie ausgesehen haben, wie und was sie gedacht haben. Ich habe mich lange mit ihnen beschäftigt, doch nicht einmal ich weiß wirklich, wer sie waren. Aber ich glaube, sie waren uns ähnlich. Vielleicht nicht im Aussehen, aber in ihrer Art zu leben. Sie waren ein altes Volk, Skar, alt, weise und mächtig. Ihre Macht war so groß, daß sie nach den Sternen griffen und in gewaltigen stählernen Schiffen zu ihnen hinauffuhren. Und so, wie sie dorthin gingen, kamen andere Wesen von anderen Welten hierher. Viele kamen, die meisten gingen wieder, aber einige blieben auch und bauten Städte wie Urcôun oder Tuan. Sie ... brachten ihre Welt auf die unsere, ein winziges Stückchen nur, aber genug, um hier zu leben und wenigstens die Illusion zu haben, zu Hause zu sein. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat - vielleicht nur wenige Jahrzehnte, vielleicht Äonen. Doch irgendwann, eines Tages, geschah etwas; vielleicht war es Machtgier und Haß wie bei uns, vielleicht waren es auch Gründe, die mit ihren Städten versunken sind und uns immer verborgen bleiben werden. Es kam zum Krieg. Zum Krieg zwischen den Alten und den Wesen von jenseits der Sterne.«

Skar runzelte die Stirn. Velas Worte erschienen ihm im ersten Augenblick lachhaft, und doch ... waren nicht die Feuerkinder Combats Wesen aus Licht und Hitze, winzige Söhne und Töchter der Sonne, und war ihm nicht selbst schon der Gedanke gekommen, daß all das - Tuan, Combat, all die Dinge, die er gesehen und gespürt hatte - nichts mit dieser Welt gemein hatten? Aber er schwieg und hörte weiter zu.