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El-tra überging die Frage, wie es seine Art war. »Es kommt mir so vor, als wüßtest du es nicht«, entgegnete er ruhig. »Du willst fort, und ich habe Verständnis dafür. Aber wenn du fliehst, bevor deine Wunden verheilt sind, wirst du dir selbst schaden. Du bist nicht in der Verfassung, weitere Strapazen zu ertragen. Deine Wunden bedürfen der Pflege, und dein Körper der Ruhe.«

»Wie edel«, sagte Skar ätzend. »Ihr seid besorgt um mich wie um euren Sohn. Aber ich kann schon auf mich aufpassen.«

»Denk an den Wald«, sagte El-tra. »Du hast ihre Macht geschmeckt, Skar, zum ersten Mal. War dir das, was wir erlebt haben, nicht Warnung genug?«

El-tras Worte dämpften Skars Zorn wie ein Guß kalten Wassers. Er hatte ihre verzweifelte Flucht durch den Kristallwald bisher verdrängt, hatte krampfhaft versucht, nicht daran zu denken, aber El-tra hatte die Erinnerung wieder geweckt.

»Das war ... etwas anderes«, murmelte er hilflos.

»Das war es nicht, Skar. Sie beginnt gerade erst, ihre Möglichkeiten zu entdecken. Sie spielt mit dem Stein, mehr nicht. Sie hätte tausendmal mehr tun können, wüßte sie seine Kräfte richtig einzusetzen. Aber sie wird es lernen.«

»Und was soll ich dagegen tun?« fragte Skar. »Mich ihr mit dem Schwert in der Hand entgegenstellen und sie erschlagen?« El-tra schüttelte den Kopf. »Auch wenn du es könntest, würde es nichts ändern. Die Macht des Steines ist nun einmal geweckt. Es würde nichts nutzen, Vela zu töten. Ein anderer würde kommen und ihn finden, und er wäre vielleicht schlimmer.«

»Du hast eine herzerfrischende Art, mir Mut zu machen«, grollte Skar.

21.

Die Hütte war still wie die ersten beiden Male, als er sie betreten hatte. Durch das durchbrochene Blätterdach sickerte Licht in schrägen goldenen Bahnen und verwandelte den Boden in ein Mosaik aus Braun und Grün und Helligkeit, auf dem Einzelheiten kaum noch zu erkennen waren. Es war warm hier drinnen, obwohl die dünnen Wände kaum geeignet schienen, der Kälte ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen; trotzdem hatte er das Gefühl, durch eine unsichtbare warme Wand zu schreiten, als er das Gebäude betrat. Ein leiser Geruch nach gebratenem Fleisch und Wein lag in der Luft.

Del war wach. Er hockte mit untergeschlagenen Beinen, den verletzten Arm auf dem linken Knie ruhend und gebeugt, neben seinem Lager auf dem nackten Boden und sah ihm finster entgegen. Skar konnte sein Gesicht in der verwirrenden Beleuchtung nicht erkennen, aber allein das Wissen, daß Del sich an jede Einzelheit erinnerte, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich.

Wortlos ging er zu ihm hinüber, nahm auf die gleiche Weise wie Del auf dem zweiten, freien Lager Platz und legte das Bündel, das er mitgebracht hatte, vor sich auf den Boden. Del folgte jeder seiner Bewegungen mit mißtrauischen Blicken, hüllte sich aber weiter beharrlich in Schweigen.

»Wie fühlst du dich?« fragte Skar. Die Worte kamen ihm albern vor; eine abgedroschene Phrase, die irgendwie fehl am Platze schien. Aber vielleicht war es immer noch besser, als weiter zu schweigen und sich gegenseitig anzustarren.

»Gut«, antwortete Del nach Sekunden. »Aber das habe ich wohl nicht dir zu verdanken.«

Skar lachte. Es wirkte gezwungen. Ohne ein weiteres Wort beugte er sich vor, nahm das Bündel auf und reichte es Del. »Nimm.«

Del zögerte. In seinen Augen spiegelte sich Mißtrauen, aber er streckte gehorsam die rechte Hand aus, nahm das Bündel und begann, ungeschickt und nur mit einer Hand, die darumgewickelten Tücher abzustreifen. Ein Laut der Verblüffung entrang sich seiner Brust.

»Das ist...«

»Dein Schwert«, nickte Skar. »Du hast mir meines wiedergegeben, jetzt bin ich an der Reihe.«

Del sah ihn verblüfft an. »Aber was ...« Er brach ab. Seine Rechte krampfte sich um den lederbezogenen Griff der Waffe. »Was bedeutet das?« fragte er lauernd.

»Nicht das, was du jetzt denkst«, antwortete Skar. »Ich bin nicht hier, um dich herauszufordern. Wir haben einmal miteinander gekämpft, und es war einmal zuviel.« Er deutete mit einer knappen Geste auf den Ausgang. »Du bist frei, Del. Du kannst gehen.«

Dels Augen weiteten sich erstaunt. »Ich kann gehen?« wiederholte er ungläubig. »Was ist das? Eine neue Falle?«

»Keine Falle, Del. Ich brachte dich hierher, weil ich dachte, Hilfe bei den Sumpfbrüdern finden zu können. Ich habe mich geirrt.«

»Du läßt mich gehen?« fragte Del noch einmal. »Einfach so? Ohne Bedingungen, ohne Hintergedanken?«

»Ohne Bedingungen«, bestätigte Skar. »Das heißt - mit einer Bitte: Geh nicht sofort zu Vela zurück. Bleib ein paar Tage allein und denk über alles nach.«

Del lachte. »Ich wußte, daß irgendso ein sentimentaler Quatsch kommen würde«, sagte er. »Was erwartest du? Daß ich mich ein halbes Jahr als Eremit in die Wüste zurückziehe und über den Sinn des Lebens nachdenke? Oder« - er versuchte jetzt bewußt, seinen Worten einen höhnischen Klang zu verleihen - »daß ich zum Berg der Götter reite und den Rat der Dreizehn um Hilfe ersuche?«

Skar schüttelte den Kopf. Er hatte Stunden um Stunden reglos in seiner Hütte gesessen und nachgedacht. Und er wußte, was Del sagen würde. Sie waren zu lange beisammen gewesen, als daß er nicht jedes Wort, jede Antwort und jedes Argument im voraus geahnt hätte.

»Ich appelliere an unsere Freundschaft, Del«, sagte er ruhig. »Ich will nicht gegen dich kämpfen, weder jetzt noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Aber ich werde es müssen, wenn du zu Vela zurückkehrst. Geh nicht zu ihr. Warte ... warte von mir aus, bis alles vorbei ist und ich tot bin.«

»Was hast du?« fragte Del höhnisch. »Angst?«

Skar nickte. »Ja, Del. Angst, dir noch einmal mit dem Schwert in der Hand gegenüberzustehen. Das nächste Mal müßte ich dich töten.«

»Du scheinst ziemlich sicher zu sein, daß du es schaffst.«

Skar senkte den Blick. Es war vollkommen sinnlos, weiter mit Del zu reden. Er war hergekommen, um ihm sein Schwert und seine Freiheit zu geben, und vielleicht war es das Klügste, es dabei zu belassen. Trotzdem fuhr er wider besseres Wissen fort: »Und wie denkst du, daß es weitergeht?«

»Wie soll es weitergehen? Du weißt, was ich tun werde. Ich werde zu ihr zurückkehren. Ich habe dich nicht gebeten, mich hierherzubringen. Und ich habe dich nicht gebeten, mich wieder gehenzulassen. Mach mich nicht für deine Fehler verantwortlich, Skar.«

Skar musterte ihn schweigend, aber als er weitersprach, war in seiner Stimme nichts von der Bitterkeit, die er empfand; höchstens so etwas wie Bedauern. »Du glaubst wirklich, diese Frau zu lieben, wie?«

Dels Gesicht schien zu Stein zu erstarren. »Und wenn?« fragte er gepreßt.

Skar zuckte mit den Achseln. »Weißt du, daß ich mit ihr geschlafen habe?« fragte er. »Am letzten Tag vor unserem Aufbruch?«

Del nickte. Die Mitteilung schien ihn nicht im mindesten zu überraschen. »Ich weiß es«, bestätigte er. »Aber du siehst die Sache vom falschen Ende aus - nicht du hast mit ihr geschlafen; sie war es, die mit dir geschlafen hat.«

»Und das ist ein Unterschied?« Skar konnte ein mitleidiges Lächeln nicht unterdrücken.

»Es ist einer«, nickte Del. »Und selbst wenn es keiner wäre, wäre es mir gleich. Aber das wirst du nie verstehen.« Er stemmte sich, mit der Rechten auf das Schwert gestützt, hoch, und sah sich suchend im Raum um. »Wo sind meine Kleider?«

Skar deutete mit einer Kopfbewegung auf die Kiste, die in einer Ecke stand. »Dort drinnen. Deine Rüstung ist draußen. El-tra wird dir Pferd, Sattel und Panzer bringen. Aber du kannst noch bleiben, bis du dich kräftiger fühlst.«