Выбрать главу

Del gab einen undefinierbaren Laut von sich. »Ich fühle mich kräftig genug, die paar Meilen zu reiten. Vielleicht falle ich ja auch in ein Sumpfloch - du wärst dann alle Sorgen los.«

»Die Sumpfleute werden dich bis zu den Grenzen ihres Reiches eskortieren«, sagte Skar.

»Habt ihr Angst, daß ich spioniere?« fragte Del spöttisch. Er ging mit einem raschen Schritt zu der Kiste, öffnete sie und entnahm ihr seine zusammengefalteten Kleider. Umständlich und langsam begann er sich anzukleiden. Sein geschienter und bandagierter Arm war ihm dabei sichtlich im Wege, aber Skar verzichtete darauf, ihm seine Hilfe anzubieten.

Schweigend sah er zu, wie Del Hemd und Unterkleider überstreifte, vorsichtig seinen Arm aus der Schlinge hob und das Kettenhemd anlegte. Es war seltsam - er empfand eher Verwunderung als Trauer oder gar Zorn. Sie waren länger als ein Jahrzehnt zusammen geritten, und jetzt, plötzlich und von einem Tag auf den anderen, waren sie zu Fremden geworden, sogar zu Feinden. Die Vorstellung war einfach zu absurd, um sie wirklich schon begreifen zu können. Es war alles so glatt gegangen - es gab keine dramtische Abschiedszene, keine großen Worte, keine Gesten; sie waren wie Fremde, die sich zufällig getroffen hatten, und deren Wege sich nun ebenso zufällig wieder trennten. Ein schneller, schmerzloser Schnitt.

Und trotzdem kämpfte er für einen Augenblick gegen die Tränen an.

Schnell, so hastig, daß es ihm selbst beinahe wie eine Flucht vorkam, stand er auf und verließ die Hütte. Der Platz zwischen den Häusern war nicht mehr leer; eine Anzahl der Sumpfmänner hatte sich im Halbkreis darum versammelt - zwölf, vielleicht fünfzehn - es war Skar nicht möglich, ihre genaue Zahl zu erkennen. Selbst jetzt, im hellen Tageslicht, glichen sie sich wie identische Spiegelbilder, und sie waren ständig in Bewegung. Keiner von ihnen sprach, und selbst die leisen Geräusche des Waldes schienen gedämpft, wie über große Entfernung oder einen unsichtbaren Nebel herüberwehend.

»Skar?«

Skar drehte sich herum und erkannte El-tra, der, Dels Pferd am Zügel und seinen schwarzen Harnisch über dem anderen Arm, hinter der Hütte gestanden war. Durch die dünnen Wände mußte er jedes Wort verstanden haben. Es sollte Skar peinlich sein, war es aber nicht. Er hatte eine Niederlage erlitten, aber er hatte vorher gewußt, daß es geschehen würde.

»Du hast alles gehört?« fragte er.

El-tra nickte, ließ den Zügel los und entfernte sich ein paar Schritte von der Hütte, wohl um sicherzugehen, daß Del seine Worte nicht verstand. Skar folgte ihm.

»Es ist deine Entscheidung«, begann El-tra übergangslos, »aber bist du sicher, daß es klug ist, ihn gehenzulassen?«

Skar lächelte. »Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Fehler ist«, sagte er.

»Warum tust du es dann?«

»Habe ich eine andere Wahl? Außer der, ihn - wie nennt ihr es? Seine Matrix neu schaffen?«

»Du bist der erste Mensch, der dieses Angebot von meinem Volk erhielt«, sagte El-tra anstelle einer direkten Antwort. Skar sah an ihm vorbei zum Hütteneingang hinüber. Von Del war noch nichts zu sehen, aber er konnte ihn hören. »Verpflichtet mich diese Tatsache, es anzunehmen?«

»Natürlich nicht. Doch ich sehe, welchen Schmerz es dir bereitet, ihn gehenzulassen. Ich ... ich will dir helfen, Bruder.«

»Ich weiß«, murmelte Skar. »Aber es gibt nur einen winzigen Menschen, der mir helfen könnte. Und der« - er wies auf die verfallene Laubhütte und lachte leise und bitter - »wird in wenigen Augenblicken davonreiten.«

»Aber du -«

»Ich will nichts mehr davon hören«, sagte Skar scharf. »Ich weiß euer Angebot zu schätzen, El-tra, und ich werde niemandem euer Geheimnis verraten, aber ich kann es nicht tun. Du wirst es für dumm halten, aber für mich wäre es Mord. Schlimmer noch.«

»Er wird dich töten, wenn ihr euch das nächste Mal gegenübersteht.«

»Vielleicht. Er wird es versuchen, aber vielleicht werde ich ihn töten. Doch das wäre etwas anderes, El-tra.« Er stockte, sah den Sumpfmann durchdringend an und fuhr in schärferem Tonfall fort: »Hat Gowenna dich geschickt, um mir ins Gewissen zu reden? Wo ist sie überhaupt?«

»Nicht hier. Sie ist vor Sonnenaufgang fortgeritten und wird nicht vor dem nächsten zurück sein. Und sie hat mich nicht geschickt, Skar. Ich kam nur, weil ich deinen Schmerz spürte. Du bist ein Teil von mir, vergiß das nicht.«

»Naja, dann habe ich wenigstens jemanden, der mit mir leidet«, meinte Skar spöttisch. Seine Worte bedauerte er sofort wieder, aber El-tra schien den verletzenden Ton nicht einmal zu registrieren. Er sah ihn an, machte eine Geste, deren Bedeutung Skar nicht verstand, und ging dann wortlos zu dem wartenden Pferd zurück. Skar atmete unmerklich auf. Er spürte, daß El-tra dicht daran gewesen war, ihn zu überzeugen.

Etwas in ihm hatte danach geschrien, El-tras Drängen nachzugeben, zu tun, was er ihm anbot. Und er wußte, daß er seinen Entschluß bereuen würde, im gleichen Moment, in dem Del das Lager verließ.

Und trotzdem war es das einzige, was er hatte tun können. Langsam ging er zu Dels Hütte zurück und wartete neben dem Ausgang, bis der junge Satai ins Freie trat. Del blinzelte, geblendet durch das plötzliche Sonnenlicht, vor dem er vier Tage lang geschützt worden war. Er hob die Hand über die Augen, blieb stehen und sah sich mit einer Mischung aus Neugier, Verachtung und nicht ganz perfekt überspielter Furcht auf dem Platz um. »Keine Sorge«, sagte Skar leise. »Es ist keine Falle. Sie werden dir nichts tun.«

Del erwiderte nichts. Er ging zu El-tra hinüber, nahm dem Sumpfmann die Rüstung ab und begann sie umständlich anzulegen.

»Du wirst sie nicht brauchen«, sagte Skar. »Cosh ist sicher, solange du nicht von dem Weg abweichst, den die Sumpfmänner dir zeigen. Der Panzer wird dich nur behindern.«

Del fuhr fort, sich anzukleiden, als hätte Skar seine Worte gar nicht gehört. Ein kurzes, schmerzhaftes Zucken lief über sein Gesicht, als die steinharte Kante des Lederharnisches gegen das bandagierte Handgelenk stieß. Skar eilte zu ihm, nahm ihm den Harnisch ab und half ihm, die anderen Teile seiner Panzerung anzulegen. Del widersprach nicht.

Ein bedrückendes Gefühl machte sich in Skar breit, während er zusah, wie Del Arm- und Beinschienen aus schwarzem, hornig glänzendem Metall anlegte und umständlich in den Lamellenrock schlüpfte, der seine Oberschenkel schützte. Sie hatten unzählige Male so beieinander gestanden und sich gegenseitig geholfen, ihre Ausrüstungen überprüft, hier und da eine Schnalle festgezogen, eine Falte geglättet, hundert Mal vor hundert Kämpfen, die sie Rücken an Rücken ausgefochten hatten. Skar wartete, bis Del den Lederharnisch vor der Brust hatte, trat gewohnheitsmäßig mit einem raschen Schritt hinter ihn und ließ die Kupferspangen einrasten, die Brust- und Rückenteil des Panzers verbanden. Del schien unter seiner Berührung zusammenzufahren, aber Skar war nicht sicher, ob er sich die Bewegung nicht nur einbildete.

Als er fertig war, schlug er Del kräftig mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, so, wie er es unzählige Male zuvor getan hatte. »In Ordnung«, sagte er.

Del drehte sich halb um und sah zu ihm herab. Skar mußte den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Er war so lange mit ihm zusammen gewesen, daß er fast vergessen hatte, wie groß Del war.

»Nichts ist in Ordnung, Skar«, sagte Del tonlos. »Aber wenn du glaubst, daß jetzt der richtige Moment für ein paar dramatische Worte des Abschiedes ist, dann sprich sie. Ich werde nicht länger warten.«

Skar hatte mit einem Mal Mühe, seinem Blick standzuhalten. Er schluckte, setzte dazu an, etwas zu sagen, und trat schließlich kopfschüttelnd zurück. »Dein Pferd ist bereit«, sagte er mit einer Geste auf das Tier. »Geh.«

Del fuhr mit einem Ruck herum, riß El-tra die Zügel aus der Hand und sprang in den Sattel. Das Pferd scheute einen Moment, aber Del brachte es mit einem harten Ruck am Zügel zum Stehen. Sein Gesicht war noch immer unbewegt, eine Maske, auf der nicht die geringste Regung abzulesen war. Nur in seinen Augen loderte es; ein Feuer, das Skar beinahe Furcht einjagte.