Ein Licht bewegte sich durch die Dunkelheit. Wharton hörte das Röhren des Jetschlittens. Crosley kehrte zurück.
Ungeduldig stürmte Wharton hinaus. Die Nachtluft war klar und kalt. Crosley und sein Fahrer, ein Unteroffizier namens Rodriguez, entstiegen dem Schlitten. Sie nahmen Haltung an, als sie ihn sahen.
»Hat es Schwierigkeiten gegeben?« fragte Wharton.
»Nein, Sir. Aber wir haben ihn nicht gefunden«, erwiderte Crosley. »Wir haben stundenlang gesucht, aber…«
»Wovon, zum Henker, reden Sie?« fragte Wharton mit einer Stimme, die halb erstickt klang. »Wen haben Sie nicht gefunden?«
»Breckenridge natürlich, Sir«, sagte Crosley. »Wir haben in großen Kreisen gesucht, wie Sie es befahlen, aber…«
Wharton blinzelte verdutzt. »Was heißt das, daß Sie nach Breckenridge suchten, Crosley?«
»Haben Sie uns nicht ausgeschickt, um nach ihm zu forschen? Er hatte sich doch auf der Rückfahrt von dem fremden Schiff in der Ebene verirrt, und Sie gaben uns den Befehl, nach ihm Ausschau zu halten. Fühlen Sie sich nicht wohl, Sir?«
Eine kalte Faust schien sich um Whartons Herz zu klammern. »Kommen Sie zu mir herein, Leutnant. Sie ebenfalls, Rodriguez.«
Er ging in sein Dienstzimmer voraus und spielte ihnen das Band vor, das sein Gespräch mit Crosley enthielt. Je länger die beiden Männer zuhörten, um so sichtbarer wurde ihre Verwirrung.
Als das Band abgelaufen war, sagte Wharton: »Wollen Sie immer noch behaupten, ich hätte Sie ausgeschickt, um nach Breckenridge zu suchen?«
»Aber — ja…«
»Breckenridge schläft in der psychiatrischen Abteilung. Er hat sich nie verirrt. Er kam vor Stunden zurück. Ich habe Sie ausgeschickt, um ein Ultimatum zu übergeben. Haben Sie Ihre eigene Stimme nicht erkannt, Crosley?«
»Sie klang wie meine Stimme, zugegeben, Sir. Aber ich erinnere mich nicht — das heißt…«
Die weitere Befragung lief immer auf das gleiche hinaus. Das Anhören des Tonbandes trug nur dazu bei, die Verblüffung Crosleys zu steigern. Sein Gesicht wirkte geisterhaft bleich. Er war sicher, daß sie nur in weiten Kreisen nach Breckenridge gesucht hatten, was Rodriguez bestätigte. Selbst als Wharton ihnen erklärte, daß er ihre Fahrt zum Schiff der Halivanu auf dem Radarschirm verfolgt habe, schüttelten sie die Köpfe.
»Wir sind nie in die Nähe des Schiffes gekommen, Sir. Unser Befehl lautete…«
»Schon gut, Leutnant. Gehen Sie zu Bett. Sie auch, Rodriguez. Vielleicht hat sich Ihr Gedächtnis bis zum Morgen gebessert.«
Wharton konnte nicht schlafen. Zuerst Breckenridge, dann Crosley und Rodriguez. Alle drei kamen mit unsinnigen Geschichten von dem fremden Schiff zurück. Wharton fühlte, wie sein Selbstvertrauen zum erstenmal erschüttert wurde. War am Ende doch etwas an diesen sonderbaren Geschichten, die über die Halivanu erzählt wurden?
Nein. Es konnte nichts daran sein. Übersinnliche Fähigkeiten in einem durch kühle Technik beherrschten Zeitalter? Unsinn.
Wie war aber sonst zu erklären, was seinen Männern widerfahren war? Schizophrenie war doch keine ansteckende Krankheit? Die Tatsache, daß drei Männer nach ihrer Rückkehr von den Fremden verändert waren, ließ sich nicht leugnen. Crosley hatte sogar die Echtheit der Bandaufnahme angezweifelt.
Am Morgen wußte Wharton, was er zu tun hatte. Es ging ihm nicht mehr in erster Linie darum, die Souveränität der Erde zu schützen. Das mochte wichtig sein, aber nicht so wichtig wie die Aufgabe, herauszufinden, mit welchen Tricks die Halivanu drei seiner besten Männer beeinflußt hatten. Der einzige Weg, dies festzustellen, bestand darin, daß er sich selbst auf den Weg machte. Er konnte nicht weiter andere hinausschicken. Wenn er es tat, würde er bald keine Offiziere mehr zur Verfügung haben. Sie waren ohnehin grüne Jungen. Für diese Aufgabe wurde ein Mann gebraucht, ein Veteran aus dem Dormirankrieg, den nichts mehr erschüttern konnte.
Natürlich mußten gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Nur für den Fall der Fälle.
Als der Morgen anbrach, ließ Wharton Captain Lowell, den ältesten seiner Offiziere, zu sich kommen.
»Lowell, ich werde selbst zu dem Schiff der Halivanu fahren«, erklärte Wharton. »Sie übernehmen das Kommando, bis ich zurück bin. Hören Sie gut zu. Ich werde den Halivanu vier Stunden geben, den Planeten zu verlassen. Am Ende dieser vier Stunden nehmen Sie sie mit allen Waffen unter Feuer, selbst wenn ich Ihnen den Befehl gebe, dies nicht zu tun. Verstanden? Mißachten Sie meinen Befehl, wenn es notwendig wird, aber feuern Sie aus allen Rohren, wenn die Frist um ist.«
Lowell sah völlig verwirrt aus. »Sir, ich verstehe Sie nicht…«
»Versuchen Sie gar nicht erst, mich zu verstehen. Es genügt, wenn Sie zuhören. Diese Unterhaltung ist auf Band aufgenommen worden. Spielen Sie sie mir vor, wenn ich zurückkomme.«
Einen völlig verstörten Lowell zurücklassend, machte sich Wharton mit dem Düsenschlitten auf den Weg. Smithson, der Breckenridge gefahren hatte, saß wieder am Steuer. Die Männer schwiegen. Schnell jagte der Schlitten über die weite Ebene. Langsam stieg die Sonne höher. Wharton hatte Sehnsucht nach einem Tiefschlaf, aber er wußte, daß dies warten mußte. In wenigen Stunden würde die Lage so oder so geregelt sein. Er hoffte, daß Lowell den Mut hatte, seinem Befehl zuwiderzuhandeln, wenn er zurückkam. Verändert zurückkam, wie es ihm drei Männer vorexerziert hatten. Wharton lächelte. Er war zuversichtlich, daß er mit klarem Kopf zurückkommen würde.
Eine Stunde später näherten sie sich dem Plateau, auf dem die Halivanu ihr Lager aufgeschlagen hatten. Wharton sah Zelte um das schlanke fremdartig aussehende Schiff. Ein halbes Dutzend Halivanu war damit beschäftigt, Geräte aufzustellen. Sie waren große, hagere Gestalten mit rauher, graugrüner Haut. Als der Schlitten sich näherte, sonderte sich einer der Fremden ab und kam Wharton entgegen.
»Ihr Terraner besucht uns gern«, sagte der Halivanu. »Nach meiner Zählung sind Sie der dritte.«
»Und der letzte«, nickte Wharton. Er fühlte sich seltsam unbehaglich. Dem Halivanu entströmte ein eigenartiger süßlicher Geruch. Wharton blickte zu der hohen Gestalt auf. Der Fremde überragte ihn um fast einen Kopf.
»Welche Nachricht bringen Sie?« fragte der Halivanu, und im gleichen Augenblick war Wharton, als berührte eine Feder seinen Hinterkopf.
»Ich — was tun Sie?« Er fuhr sich mit der Hand über den Hinterkopf, aber die Feder kitzelte ihn weiter.
Dann verschwand die Panik, die ihn ergriffen hatte, von einer Sekunde zur anderen.
»Nun?« fragte der Fremde.
Wharton lächelte. »Ich bin der Kommandeur des Erdvorpostens. Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß wir — daß wir damit einverstanden sind, wenn Sie bleiben, bis Sie Ihre Beobachtungen durchgeführt haben.«
»Danke«, sagte der Halivanu ernst. Dann lächelte er und zeigte seinen schwarzen Gaumen. »Ist das alles?«
»Ja, das ist alles«, sagte Wharton. Er blickte Smithson fragend an. »Hatten wir sonst noch etwas auszurichten?«
Smithson zuckte die Achseln. »Nicht daß ich wüßte, Sir.«
»Gut, dann können wir die Rückfahrt antreten.«
Lowell begrüßte ihn, als der Jetschlitten vor dem Dienstgebäude zum Stehen kam. »Ging alles glatt, Sir?«
»Großartig«, sagte Wharton. »Sorgen Sie dafür, daß Bailey die Tiefschlafanlage für mich vorbereitet. Himmel, ich kann ein paar Stunden Ruhe gebrauchen, habe mich seit Tagen nicht so müde gefühlt.«
»Die Halivanu rücken also ab?«
»Abrücken?« Wharton runzelte die Stirn. »Warum sollten sie abrücken? Sie haben gerade erst mit ihrer Arbeit begonnen.«
»Aber Colonel…«