Das Schlimmste an dieser Situation jetzt aber war, daß die ganze Verantwortung bei ihm lag. Die schnellste Hyperradiomeldung zur Erde würde einen Monat, die Antwort ebensolange brauchen. Die Entscheidung lag also klar bei ihm. Wenn die Halivanu daVauf bestanden, zu bleiben, konnte er wählen, sie entweder vom Planeten zu sprengen und wahrscheinlich einen Krieg auszulösen, oder sie bleiben zu lassen und damit dem ganzen Universum eine Einladung zu schicken, terranische Welten zu besetzen. Keine angenehme Wahl.
Breckenridge kam herein.
»Was gibt es?«
»Ich möchte mich freiwillig als Emissär melden, Sir. Ich glaube, ich bin dafür am besten geeignet.«
Wharton nickte.
»In Ordnung, Captain. Smithson soll Ihnen einen Jetschlitten geben. Sie fahren sofort.«
»Besondere Anweisungen?«
»Wiederholen Sie zunächst das Ultimatum. Machen Sie ihnen klar, daß wir schießen müssen, wenn sie nicht in zwei Stunden verschwinden. Erklären Sie, daß wir nicht anders können, daß das unsere Aufgabe ist und die Verantwortung deshalb allein bei ihnen liegt.«
»Verstanden, Sir.«
»Gut. Nicht aufregen, nicht drohen — nur klarmachen, daß uns die Hände gebunden sind. Verdammt, ich will doch nicht auf sie schießen, aber ich werde es tun, wenn es sein muß — und es muß sein, wenn sie hierbleiben. Sagen Sie ihnen, daß sie Sonnenbeobachtungen machen können, soviel sie wollen, wenn sie nur den üblichen Weg gehen.«
Breckenridge nickte. Auf seiner Stirn standen Schweißtröpfchen.
»Das ist meine Aufgabe. Ich ziehe nicht zurück.«
»Sie machen sich Sorgen wegen der verrückten Dinge, die Sie gehört haben. Ich kann fast Ihre Gedanken lesen.«
»Die Geschichten sind — nichts als Geschichten, Sir«, sagte Breckenridge. »Nur Unsinn. Kann ich jetzt gehen, Sir?«
»Sie sind ein tüchtiger Mann«, sagte Wharton lächelnd. »Abtreten.«
Mit dem Jetschlitten würde Breckenridge über eine Stunde zu dem fremden Schiff brauchen; eine halbe Stunde für die Unterhandlungen, dachte Wharton, und eine gute Stunde für die Rückkehr. Insgesamt drei Stunden. Wenn Breckenridge Erfolg hatte, würden die fremden Wesen etwa zu der Zeit starten, zu der Breckenridge zurückkam. Wenn, dachte Wharton. Er stand lange vor dem Radarschirm, auf dem das fremde Schiff und Breckenridges Schlitten als Pünktchen zu sehen waren, dann beschäftigte er sich mit Routinearbeiten. Er sehnte sich nach dem Tiefschlaftank, ermahnte sich aber streng, daß er ihn für heute schon gehabt hatte.
Die Schatten des Nachmittags wurden länger. Bartlett V war eine Welt ohne Mond, und die Nacht brach schnell herein. Die kleine Sonne kippte eilig zum Horizont und warf orangerotes Licht auf die leeren, nackten Ebenen. Der Radarschirm zeigte, daß Breckenridge jetzt auf dem Rückweg war.
Er kam vier Stunden nach Abfahrt zurück. Das Halivanu-Schiff stand immer noch auf der Ebene.
»Also?« sagte Wharton.
Breckenridge lächelte schwach.
»Alles vereinbart, Sir. Sie starten nächste Woche, sobald ihre Beobachtungen abgeschlossen sind.«
Wharton setzte sich abrupt.
»Was haben Sie gesagt?«
»Ich habe mich bereit erklärt, sie bleiben zu lassen, Sir.«
Wharton war wie vor den Kopf geschlagen.
»Sie haben sich bereit erklärt? Wie höflich von Ihnen! Aber ich dachte, ich hätte Sie hingeschickt, damit Sie ein Ultimatum stellen?«
»Gewiß, Sir. Aber ich habe es mit ihnen besprochen, und wir sind übereingekommen, daß es unvernünftig wäre, sie zu vertreiben, bevor sie ihre Beobachtungen abgeschlossen haben. Sie haben ganz eindeutig nichts Böses vor. Sie sind nicht einmal bewaffnet.«
»Breckenridge, haben Sie den Verstand verloren?«
»Sir?«
»Wie können Sie dastehen und mir so einen Unsinn erzählen? Ihre Ansicht über die Harmlosigkeit dieser Wesen ist unwichtig, und das wissen Sie. Sie sind hingeschickt worden, um ein Ultimatum zu überbringen, das war alles. Ich wollte Ihre Antwort.«
»Aber wir haben es besprochen, Sir. Es tut uns nicht weh, ein derart kleines Zugeständnis zu machen.«
»Breckenridge, haben die Wesen Ihnen Drogen gegeben? Sie reden wie ein Verrückter. Welches Recht hatten Sie — «
»Sie haben selbst gesagt, daß Sie lieber nachgeben und sie bleiben lassen würden, als einen Krieg anzufangen, Sir. Und da sie darauf bestanden, hierzubleiben, habe ich mich an Ihre Anweisungen gehalten und ihnen erklärt, das gehe in Ordnung, vorausgesetzt, daß sie abfliegen, sobald — «
»Meine Anweisungen?« brüllte Wharton. »Wann haben Sie mich so etwas sagen hören?«
»Na, kurz, bevor ich ging«, sagte Breckenridge unschuldig.
»Jetzt weiß ich, daß Sie übergeschnappt sind. Ich habe kein Wort davon gesagt, daß man ihnen Konzessionen machen darf. Und — «
»Ich bitte widersprechen zu dürfen, Sir, aber — «
Wharton rief seufzend seine Ordonnanz herein.
»Rogers, bringen Sie Captain Breckenridge zum Lazarett, wo er zu einer psychiatrischen Untersuchung festgehalten werden soll. Und schicken Sie Smithson zu mir.«
Smithson kam kurze Zeit später herein und blieb an der Tür stehen.
»Erzählen Sie mir, was zwischen Captain Breckenridge und den fremden Wesen vorgefallen ist«, sagte Wharton.
Smithson schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, aber das kann ich nicht, Colonel. Ich bin nicht in dem fremden Schiff gewesen. Captain Breckenridge hat mich im Schlitten warten lassen.«
»Gut, Smithson, Sie können gehen.«
Als sich die Tür geschlossen hatte, ließ Wharton die Schultern sinken und preßte die Hände aufs Gesicht. Was konnte einen vernünftigen Mann wie Breckenridge dazu bewogen haben, so zu versagen? Wharton schüttelte den Kopf. Man erzählte sich viel von den geistigen Kräften der Halivanu, gewiß, aber das war alles Unsinn. Wharton drückte auf eine Taste. Die Ordonnanz kam herein.
»Schicken Sie mir sofort Leutnant Crosley.«
Crosley erschien fünf Minuten später. Es war fast schon Nacht. Der Leutnant wirkte noch blasser und verkrampfter als sonst.
»Wir haben Komplikationen, Leutnant«, sagte Wharton. »Übrigens zeichne ich dieses Gespräch auf.«
Crosley nickte.
»Komplikationen, Sir?«
»Ich habe Breckenridge am Nachmittag mit einem Ultimatum zu den fremden Wesen geschickt. Drei Stunden Frist zum Start, oder es wird geschossen. Statt dessen hat er ihnen erlaubt, hierzubleiben, bis ihre Beobachtungen abgeschlossen sind, und behauptet jetzt, auf meine Anweisung hin gehandelt zu haben.«
»Ich habe mich schon gefragt, warum er in die psychiatrische Station gekommen ist.«
»Jetzt wissen Sie’s. Ich will nicht so tun, als wüßte ich, warum er den Verstand verloren hat, aber ich weiß, daß wir sofort einen zweiten Mann hinschicken müssen.«
»Gewiß, Sir.«
»Ich möchte, daß Sie das übernehmen, Crosley. Nehmen Sie einen Mannschaftsdienstgrad mit und gehen Sie zu zweit in das fremde Schiff. Erklären Sie, daß der vorherige Bote keine Vollmacht hatte, daß nur Sie sie haben, daß sie bis Sonnenaufgang starten müssen, sonst wird geschossen.«
Crosley wirkte noch ein wenig blasser, hielt sich aber gut.
»Ich fahre sofort, Sir.«
»Wiederholen Sie, was Sie mitzuteilen haben.«
Der Leutnant tat es.
»Sie haben nicht zu verhandeln, Leutnant. Ist das klar?«