»Ja, Sir.«
»Sie überbringen das Ultimatum und gehen. Sie brauchen nicht unbedingt auf Antwort zu warten. Wenn Sie am Morgen noch nicht hier sind, gebe ich Feuerbefehl.«
»Ja, Sir.«
»Sie verstehen, was ich sage, ja? Sie werden mir nicht später erklären, ich hätte Sie zu Verhandlungen ermächtigt?«
Crosley lächelte.
»Gewiß nicht, Sir.«
»Na, dann los.«
Die Stunden vergingen. Man blies den Zapfenstreich, aber Wharton blieb wach und ging in seinem Büro hin und her. Sternenlicht drang durch seine Fenster. Wharton ballte die Fäuste und starrte in die Nacht hinaus.
Er bemitleidete Breckenridge. Es war furchtbar, den Kontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren. Zu behaupten, etwas sei wahr, was offensichtlich falsch war. Die Untersuchung hatte nichts ergeben. Breckenridge glaubte felsenfest, daß er ermächtigt worden war, zu verhandeln. Schizophrenie, sagte der Psycho-Offizier.
Wharton konnte das nicht glauben. Er kam zu dem Schluß, daß die Halivanu mit ihm etwas gemacht hatten. Aber Breckenridge widersprach, und das EEG ergab keinen Hinweis auf Drogen oder Hypnose.
Draußen funkelte ein Licht. Wharton hörte den Jetschlitten dröhnen. Crosley kam zurück.
Ungeduldig stürzte Wharton hinaus. Die Nachtluft war kalt und frisch. Crosley und sein Fahrer stiegen aus dem Schlitten.
Sie salutierten, als sie ihn sahen. Er erwiderte den Gruß und fragte: »Schwierigkeiten gehabt?«
»Nein, Sir, aber wir haben ihn auch nicht gefunden«, erwiderte Crosley. »Wir haben stundenlang gesucht, aber — «
»Was, im Namen des Kosmos, quatschen Sie da?« sagte Wharton mit erstickter Stimme. »Sie haben wen nicht gefunden?«
»Na, Breckenridge, natürlich«, sagte Crosley. Er wechselte mit dem Fahrer einen besorgten Blick. »Wir sind, wie befohlen, weite Kreise gefahren, bis — «
Wharton wurde schwindlig.
»Was heißt, Sie haben Breckenridge gesucht?«
»Haben Sie uns denn nicht fortgeschickt, um ihn zu suchen? Er verirrte sich bei der Rückfahrt vom fremden Schiff, und wir erhielten Anweisung, ihn zu suchen. Sir? Sir, ist Ihnen nicht wohl?«
Kalte Finger schienen Whartons Herz zu umklammern.
»Kommen Sie mit herein, Crosley. Sie auch, Rodriguez.« Er führte sie in sein Büro und spielte die Bandaufzeichnung ab. Die beiden Männer hörten mit wachsender Verwirrung zu.
»Behaupten Sie jetzt immer noch, ich hätte Sie Breckenridge nachgeschickt?« fragte Wharton schließlich.
»Aber — ja — «
»Breckenridge schläft im Lazarett. Er hat sich nicht verirrt. Er kam vor ein paar Stunden zurück. Ich habe Sie fortgeschickt, damit Sie ein Ultimatum überbringen. Erkennen Sie Ihre eigene Stimme nicht, Crosley?«
»Sie klang nach meiner, ja. Aber — ich erinnere mich nicht — ich — «
Die weitere Befragung erbrachte nichts anderes. Die Bandwiedergabe verstörte Crosley nur. Er wurde immer blasser. Rodriguez bestätigte seine Angaben, daß sie in weiten Kreisen die Umgebung abgesucht hätten. Selbst als Wharton ihm versicherte, daß er ihren Weg auf dem Radarschirm verfolgt und sie direkt zum fremden Schiff und zurück hatte fahren sehen, schüttelten sie die Köpfe.
»Wir sind nicht beim Schiff gewesen, Sir. Unsere Befehle — «
»Gut, Leutnant. Gehen Sie schlafen. Sie auch, Rodriguez. Vielleicht bessert sich Ihr Gedächtnis bis morgen.«
Wharton konnte nicht schlafen. Zuerst Breckenridge, dann Crosley und Rodriguez. Sein Selbstvertrauen bekam die ersten Risse. Vielleicht war an den Geschichten über die Halivanu doch etwas Wahres dran.
Nein. Ausgeschlossen.
Aber wie war es sonst zu erklären, was seine Männer erlebt hatten? Schizophrenie war doch nicht ansteckend, oder? Man konnte einfach nicht akzeptieren, daß drei Männer zu den fremden Wesen gefahren und… verwandelt zurückgekommen waren.
Am Morgen wußte Wharton, was er zu tun hatte. Es ging ihm nicht mehr um die Souveränität Terras. Sie war wichtig, aber nicht so wichtig wie die Feststellung, was die Halivanu mit seinen Leuten gemacht hatten. Und das konnte er nur herausfinden, wenn er selbst hinging. Mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen.
Am Morgen ließ er Captain Lowell holen, einen seiner dienstältesten Offiziere.
»Lowell, ich fahre selbst zu den Halivanu. Sie befehligen den Stützpunkt, bis ich zurückkomme. Passen Sie gut auf: Ich lasse den Halivanu vier Stunden Zeit, zu starten. Wenn die vier Stunden abgelaufen sind, schießen Sie mit den Schwerzyklus-Geschützen, selbst wenn ich Ihnen Anweisung gebe, nicht zu feuern. Verstanden? Setzen Sie sich über meinen direkten Befehl hinweg, wenn es sein muß, aber schießen Sie das Schiff zusammen, wenn die Zeit abgelaufen ist.«
Lowell starrte ihn entsetzt an.
»Sir, ich verstehe nicht — «
»Brauchen Sie auch nicht. Hören Sie nur zu. Ich habe das Gespräch aufgezeichnet. Verwahren Sie das Band und spielen Sie es mir vor, wenn ich zurückkomme.«
Wharton ließ den völlig verwirrten Captain zurück und ging zum Schlitten. Smithson saß am Steuer.
Sie erreichten das Plateau, wo die Halivanu ihr Lager aufgeschlagen hatten, am späten Vormittag. Wharton sah Zelte um das fremde Raumschiff, und ein halbes Dutzend Wesen, die Instrumente aufstellten. Sie waren groß und schmal, mit grober, glänzender, graugrüner Haut. Als der Schlitten hielt, kam einer von ihnen auf Wharton zu.
»Euch Menschen muß es Spaß machen, uns zu besuchen«, sagte das Wesen. »Nach meiner Zählung sind Sie der dritte.«
»Und der letzte«, sagte Wharton. Er fröstelte unwillkürlich. Der Halivanu hatte einen seltsamen, süßlich-kranken Geruch. Wharton sah zu ihm auf; er war fast 2,10 m groß.
»Was haben Sie uns mitzuteilen?« fragte der Halivanu, und im selben Augenblick spürte Wharton die Berührung einer Feder in seinem Hinterkopf.
»Ich — was tun Sie?« Er legte die Hand auf den Hinterkopf — aber die Feder kitzelte noch immer — Und dann verflog seine Panik.
»Nun?« fragte das Wesen.
Wharton lächelte.
»Ich bin der terranische Kommandeur. Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß das in Ordnung geht. Sie können hierbleiben, bis Sie fertig sind.«
»Danke«, sagte der Halivanu ernsthaft. Er lächelte und zeigte schwarzes Zahnfleisch. Wharton erwiderte das Lächeln. »Ist das alles?«
»Ja. Ja, das ist alles«, sagte Wharton. Er sah Smithson an. »Sonst hatten wir doch nichts, oder, Smithson?«
Smithson zuckte die Achseln.
»Glaube nicht, Sir.«
»Gut. Dann fahren wir wieder zurück.«
Lowell begrüßte ihn, als der Jetschlitten in der Lichtung hielt.
»Alles gut gegangen, Sir?«
»Sehr gut«, sagte Wharton. »Bailey soll den Tiefschlaftank für mich herrichten, ja? Gott, ich kann Ruhe gebrauchen — so müde war ich schon lange nicht mehr.«
»Die Halivanu fliegen also ab?«
»Fliegen ab?« wiederholte Wharton verwirrt. »Warum sollten sie abfliegen? Sie haben doch mit ihrer Arbeit erst angefangen.«
»Aber — Colonel — «
»Ja, was ist?« knurrte Wharton gereizt.
»Sie haben Befehl hinterlassen — Sie sagten, nach Ablauf von vier Stunden sollten wir das Feuer auf die Halivanu eröffnen, wenn sie noch da wären.«
Wharton runzelte die Stirn und ging weiter.
»Das muß ein Irrtum sein, Lowell. Befehl widerrufen. Bailey! Bailey, richten Sie den Tank her!«
Lowell trat ihm in den Weg.
»Tut mir leid, Sir. Sie haben mich angewiesen, auch gegen Ihren direkten Befehl planmäßig vorzugehen.«
»Unsinn!«
»In Ihrem Büro befindet sich eine Bandaufzeichnung — «
»Ist mir egal. Die Halivanu haben die Genehmigung, hierzubleiben. Reden wir nicht von Auflehnung gegen meine direkten Befehle, ja?«
Auf Lowells Gesicht zeigten sich Flecken.