»Colonel, ich weiß, das klingt seltsam, aber Sie haben selbst darauf bestanden — «
»Und ich selbst widerrufe den Befehl! Muß ich noch deutlicher werden, Captain? Bitte, gehen Sie mir aus dem Weg. Ich sage ›bitte‹, weil Sie Offizier sind, aber — «
Lowell blieb stehen. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht.
»Das Band — «
»Treten Sie jetzt zur Seite, Lowell!«
»Nein, Sir. Sie haben ausdrücklich befohlen, daß ich auf keine Anweisung hören soll, die dem ursprünglichen Befehl widerspricht. Und deshalb — «
»Jeder Befehlshaber, der einen unwiderruflichen Befehl erteilt, muß verrückt sein«, knurrte Wharton. Er winkte zwei Soldaten. »Nehmen Sie Captain Lowell fest. Ich bin zwar leger, aber Insubordination dulde ich nicht.«
Lowell wurde weggeführt, obwohl er immer noch protestierte. Wharton ging in sein Büro. Auf dem Gerät befand sich eine Bandspule. Er runzelte nachdenklich die Stirn und drückte auf den Startknopf.
»… Ich lasse den Halivanu vier Stunden Zeit, zu starten. Wenn die vier Stunden abgelaufen sind, schießen Sie mit den Schwerzyklus-Geschützen, selbst wenn ich Ihnen Anweisung gebe, nicht zu feuern. Verstanden? Setzen Sie sich über meinen direkten Befehl hinweg…«
Whartons buschige Brauen stiegen in die Höhe. Ohne Zweifel war das seine eigene Stimme. Aber warum hätte er so etwas sagen sollen? Die Halivanu hatten jedes Recht, hierzusein. Da, hier auf seinem Schreibtisch lag die Genehmigung von Terra, die ihnen gestattete, eine Weile hierzubleiben und Sonnenbeobachtungen anzustellen. Das Dokument war hier — er suchte in einem Stapel, ohne es zu finden. Er zuckte die Achseln. Wahrscheinlich falsch archiviert. Aber er wußte, daß es hier irgendwo war. Er hatte es schließlich mit eigenen Augen gesehen.
Und das Band? Colonel Wharton schüttelte den Kopf und entschied, daß er wohl alt wurde, wenn er fähig war, Lowell solche Befehle zu erteilen. Irgendwo tief in seinem Gehirn erhob sich protestierend eine lautlose Stimme, aber die wortlose Beschwerde erreichte die Ebene des Bewußtseins nicht. Wharton gähnte müde, drückte die Löschtaste des Geräts, wartete, bis das ganze Band gelöscht war, und schlurfte dann zum Lazarett, um seine neunzig Minuten Tiefschlaf zu genießen.
Robert Silverberg
DER NEUTRALE PLANET
Science Fiction-Erzählungen
Wilhelm Goldmann Verlag
München
Made in Germany • I • 1110
© 1974 by Robert Silverberg
Ins Deutsche übertragen von Tony Westermayr.
Alle Rechte, auch die der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.
Jeder Nachdruck bedarf der Genehmigung des Verlages. Umschlag: Jürgen F. Rogner.
Satz: IBV Lichtsatz KG, Berlin.
Druck: Presse-Druck Augsburg. SF 0240 • bru/pap
ISBN 3-442-23240-6
Der neutrale Planet
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