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«Er hat sich seinen Wurzelstock bei mir geholt.«

«Haha!«Väterchen Akif rang nach Luft, sank auf die Bettkante, vergrub die Hände in seinen Bart und war erschüttert über die unsittliche Abgebrühtheit von Stella Gawrilowna.»Du gibst es zu!«

«Ja«, sagte Stella Gawrilowna ahnungslos.»Es hat ihm eine große Freude bereitet.«

«Mir bricht das Herz. «Akif rollte wild die Augen.»Das sagst du so frei heraus? Es hat ihm. oh! Welch ein Abgrund! Welch eine Schlucht voll brodelnder Sünde! Wann ist es geschehen?«

«Genau vor vier Tagen, Väterchen.«

«So genau hast du das behalten?«

«Es war ein besonderer Tag.«

«Natürlich! Natürlich!«Akif spürte sein Herz wie einen heißen Kloß.»So etwas vergißt man nicht!«

«So ist es, Väterchen. Ich hatte große Mühe mit der Wurzel.«

Akif zuckte schmerzvoll zusammen und riß beide Arme hoch.»Satan, entferne dich aus ihr!«brüllte er.»Ich vernehme deine Sprache! Fahre wieder aus ihr heraus!«

«So eine Wurzel ist selten«, fuhr Stella Gawrilowna unschuldig fort.»Aber Victor Semjonowitsch wollte sie unbedingt haben. Eine japanische Zwergkirsche. Ich habe bis Swerdlowsk telefoniert. Dort hatten sie drei Exemplare in der Forschungsanstalt. Drei Wochen habe ich immer wieder gebettelt, bis man mir eine Wurzel schickte.«

Mamedow starrte ungläubig auf Stella Gawrilowna. Ihr langes, schwarzes Haar glänzte wie Seide, ihr Körperchen war auch unter dem Kleid und der Gärtnerschürze noch von aufreizendem Schwung, und die Beine, bis über die Knie entblößt, waren gerade und schlank und doch kraftvoll.

«Eine japanische Zwergkirsche?«fragte er leise.

«Ja, Väterchen.«

«Und sonst nichts?«

«Nichts Besonderes.«

«Was heißt das?«

«Die üblichen Blumen. Der Genosse Jankowski ist ein großer Blumenfreund. Immer neue Blüten in seiner Wohnung. Der schönste Strauß steht stets vor dem Bild seiner Mutter.«

«Woher weißt du das?«

«Ich brachte ihm manchmal Blumen ins Haus.«

«Du warst in seiner Wohnung?«rief Akif verzweifelt.

«Ja. Öfter.«

«Wie oft?«

«Ich habe es nicht gezählt, Väterchen.«»Und ihr habt euch nur über Blumen unterhalten?«

«Ich habe zweimal bei ihm zu Abend gegessen. Der Genosse Jankowski kocht vorzüglich.«

«Und ihr habt getrunken?«

«Ja.«

«Und dann hat er von seinen Reisen durch Asien erzählt?«

«Ja.«

«Auch von den fernöstlichen Freudenhäusern?«

«Ja«, sagte Stella etwas zögernd.

«Welche moralischen Tiefen!«donnerte Akif erschüttert.»Komm her, und zieh dich aus!«

«Nein«, sagte sie störrisch.

«Stellanka…«

«Heute nicht. Sie sind so merkwürdig, Väterchen.«

«Ich habe meine Gründe. «AkifVictorowitsch legte die Hände aneinander.»Ich will nur einen Blick auf dich werfen. Einen harmlosen Blick. So wie man ein Bild betrachtet. Ein keuscher Kunstgenuß. Eine stille Erhabenheit.«

«Ich will nicht!«sagte Stella Gawrilowna trotzig.

Akif Victorowitsch brannte innerlich lichterloh. Diese Renitenz war neu. Diese Weigerung, von seiten Stellas sonst nie erlebt, sollte eine Schuld beweisen. Wer nichts zu verbergen hat, kann es getrost zeigen, vor allem, wenn es keine Neuheiten zu betrachten gibt. Aber nein, sie weigerte sich konstant. Sie wich sogar zur Tür zurück, bereit zur Flucht in den Laden. Wie verdächtig war das!

«Es genügen zwei Sekunden«, sagte Väterchen Akif dumpf.»Schnell wie ein fotografischer Blitz.«

«Sie sind heute unheimlich, Väterchen«, antwortete Stella Gaw-rilowna. Sie empfand wirklich Angst vor dem Popen. Er redete so viel. Bei seinen sonstigen Besuchen entledigte er sich wortlos seiner Bekleidung, trank einen großen Wodka und sagte allenfalls genußvolclass="underline" »Ein schöner Tag sollte nie ungenutzt vertan werden.«

«Du hältst doch viel von Fotografie?«donnerte Akif plötzlich. Stella erschrak gewaltig und nickte brav. Mamedow nahm dieses Nicken auf, als habe Stella einen Mord eingestanden.»Auch Jankowski fotografiert?«

«Ja.«

«Die Erde bebt, der Himmel bricht auf, das Jüngste Gericht kommt über uns«, klagte Akif und stöhnte vor Erschütterung.»Das genügt, Verworfene, unrettbar Geschändete. Wann war es?«

«Als der Genosse Jankowski seine Wurzel abholte.«

«Natürlich. Wann sonst?«Akif verdrehte die Augen.»Die japanische Kirsche. Zeitlich trifft es genau zusammen. «Er erhob sich, ging an der zurückweichenden Stella hoch erhobenen Hauptes vorbei und riß im Laden das Schild aus dem Fenster.»Ich werde für dich beten«, sagte er feierlich.»Mehr kann man nicht tun. Der Satan hat dich bereits für den Einzug in die Hölle geschoren. Verstehst du: geschoren!«Er zögerte, legte dann die Hand auf Stellas Haupt und sagte mit bebender Stimme:»Du armes Mädchen. Nur ich weiß, wie sehr du dich verirrt hast. Der Wolf hat dich listig von der Herde gelockt… aber noch bin ich da. Ich werde dich dem Wolf wieder entreißen. Fürchte dich nicht, dein Hirte ist bei dir.«

Mit verständnislosem Staunen blickte Stella Gawrilowna dem Popen nach. Erst als er um die Ecke gebogen war, erwachte sie aus ihrer Erstarrung und ordnete ziellos ein paar Blumensträuße in den Vasen. Was Väterchen von ihr gewollt hatte, war ihr rätselhaft. Nur soviel hatte sie herausgehört, daß er sich aufregte, weil sie dem Genossen Jankowski eine japanische Kirsche besorgt hatte. Warum sie deshalb den Rock lüften sollte, war ihr aber völlig rätselhaft und geradezu unheimlich geblieben.

Haben wir nicht festgestellt, daß in einer Friedhofsgärtnerei ab und zu merkwürdige Dinge geschehen? Nun war es sogar der Pope Ma-medow, der am hellichten Tag Rätsel aufgab.

Galina Iwanowna, die fröhliche, braungelockte Verkäuferin vom staatlichen Magazin, saß im Wartezimmer von Dr. Lallikow, blätterte in der Illustrierte Sowjetunion heute< und hatte sich für diesen Be-such besonders fein gemacht. Sie trug einen geblümten Baum-wollrock, eine lichtblaue Bluse, Söckchen an den schlanken Beinen und moderne Sportschuhe, was nicht verwunderlich war, wenn man an der Quelle saß und als eine der ersten von Zuteilungen profitierte.

Die Aufforderung zur Kontrolluntersuchung laut Lebensmittelgesetz empfand sie als etwas ganz Natürliches, auch wenn die Untersuchung so plötzlich angesetzt worden war und Dr. Lallikow sie per Telefon hinter der Ladentheke hervorgeholt hatte. Sie hatte sich im Magazin schnell umgezogen und vorher geduscht und sah nun so sauber und unschuldig aus, so lieb und herzig, daß jedermann sie gern angesprochen hätte, wenn da nicht ihr Verlobter Lagatin gewesen wäre, der Mittelgewichtsmeister im Boxen.

Dr. Lallikow erfuhr von Marfa Felixowna, seiner unentbehrlichen Sprechstundenhilfe, daß Galina gekommen sei, aber noch neunzehn Patienten vor ihr an der Reihe wären.

«Wir ziehen sie vor«, entschied Lallikow.»Sie steht im Arbeitseinsatz und muß sofort zurück ins Magazin. So gesehen, ist sie ein Notfall. Führen Sie die Genossin nebenan in die Kabine, sie soll sich schon entkleiden.«

Dr. Lallikow hörte noch das schwache Herz von Mütterchen Jewge-nija ab, einer Dreiundachtzigjährigen, die geschworen hatte, 150 Jahre alt zu werden, weil sie ihre Schwiegertochter haßte und diese dann überlebt hätte. Dann begab er sich hinüber in die gynäkologische Kabine. Dort saß Galina ausgezogen auf einem Hocker und zwitscherte fröhlich mit Marfa Felixowna. Die starke Glühlampe beleuchtete ihren wirklich schönen Körper, und Dr. Lallikow sagte sich, daß Schultern, Brust und Leib, Hüften und Schenkel sehr gut mit denen auf den Fotos übereinstimmten. Nur etwas störte bei diesem Vergleich. Dr. Lallikow zog die Augenbrauen mißbilligend zusammen.

«Ich habe gesagt ausziehen, Galina Iwanowna, auch das Höschen. Das Lebensmittelgesetz schreibt vor, daß.«

Marfa Felixowna ging hinaus. Das war sonst nicht üblich, gerade bei solchen Untersuchungen mußte eine Zeugin in der Nähe sein, denn zuviel war schon von tollen Weibern behauptet und sogar beschworen worden und hatte so manchen Arzt in Schwierigkeiten gebracht. Dr. Lallikow war bisher zwar davon verschont geblieben, und es war auch undenkbar, daß ein Weibchen ihn unlauterer Griffe hätte beschuldigen können. Seine Grobheit war so groß, daß jegliche Gedanken an solche Verfehlungen sofort abstarben.