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«Dabei besteht aber auch die Gefahr, daß er verblutet«, sagte Dr. Lallikow.

«Und wenn Sie ihn nach diesem Überfall operieren, Genosse?«fragte Kasutin.

«So geht es nicht. «Väterchen Akif hob den Kopf. Er wirkte wie ein waidwundes Tier, das noch einmal einen Laut von sich gibt.»Vertraut auf die Kirche, Freunde. Auf das bezwingende Wort. Auf das Anstechen der Seele. Ich werde mit Victor Semjonowitsch morgen ein offenes Wort sprechen.«

Man fand diese Zwischenlösung gut und ging auseinander.

Aber irgendein Zweifler mußte unter ihnen sein, denn eine Stunde später rief ein Anonymus beim Baubeauftragten Zwetkow an und sagte:»Mein lieber Rassul Alexejewitsch, beäuge einmal genau dein Weibchen Antonina, und frage sie dann nach der Enthaarungscreme. Bitte, unterzieh dich dieser interessanten Pflicht.«

Der dicke Zwetkow schüttelte den Hörer, brüllte:»Wer ist denn da?«und legte dann baß erstaunt auf.

Kapitel 3

Der Herr liebt die, die reinen Herzens sind.

Was man auch über Victor Semjonowitsch Jankowski bisher gehört und gelesen hat — es schien so, als gehöre er zu den Auserwählten. Er war ein gutaussehender, sportlicher Mann, durch seinen Beruf als Geologe kam er viel in der Welt herum, er konnte also spannend von Gegenden erzählen, die andere nur auf der Landkarte kannten. Er lachte gern, war großzügig in der Beurteilung seiner Mitmenschen und zeigte einen ausgeprägten Sinn für Kunst aller Art. Er verstand etwas von Malerei, Architektur, Skulptur, Theater und Musik, las Romane, konnte über moderne Philosophien diskutieren und war auch nicht in Verlegenheit zu bringen, wenn man mit Parapsychologie anfing. Also rundherum ein Teufelskerl.

Dazu kam, daß er mit einem weichen, warmen Bariton ausgestattet war, gern Arien sang, sich dabei selbst auf der Laute begleitete oder — wenn es möglich war — auf dem Klavier. Mit Antonina Pawlowna sang er sogar Duette, etwa: >Reich mir die Hand, mein Leben…< oder >Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich.< Das klang vorzüglich, der fette Zwetkow saß dann selig lächelnd im Sessel und erfreute sich am Charme seiner Frau, nannte Victor Semjonowitsch einen edlen Freund und einen Gewinn für Nowo Korsaki.

Da sollte einer noch sagen, der Genosse Jankowski sei kein Glückskind!

Babajew sah mit größter Spannung dem Augenblick entgegen, an dem Jankowski die Vergrößerungen seiner Fotos abholte. Und tatsächlich erschien Victor Semjonowitsch wie vereinbart am Vormittag des übernächsten Tages, betrat den Laden, grüßte wie immer mit einer impertinenten Freundlichkeit und fragte unverfroren:»Haben Sie die Fotos fertig, Nikita Romanowitsch?«

«Pünktlich, wie zugesagt. «Babajew griff unter die Theke, holte das Kuvert mit den Vergrößerungen 18x18 hervor und legte sie auf den Tisch. Jankowski öffnete unbefangen das Kuvert, zog die Bilder heraus und betrachtete sie einzeln mit sichtbarer Wonne, hielt sie sogar in die Sonne und nickte mehrmals. Babajew rollte vor Erregung den Speichel im Mund hin und her.

«Sind Sie zufrieden, Genosse?«

«Durchaus. Nikita Romanowitsch, Sie sind ein Könner Ihres Fachs. Sie haben alles aus den Aufnahmen herausgeholt, was herauszuholen war.«

«Das war nicht schwierig bei diesen Perspektiven.«

«Trotzdem. Man sieht an den Vergrößerungen, daß Sie mit Liebe dabei waren.«

Babajew bemühte sich, ein plötzliches Rotwerden zu unterdrücken, und hielt deshalb die Luft an, was natürlich falsch war. Er tauchte deshalb an der Theke unter, suchte in einem Stapel von Prospekten, fand eine Reklame für neue Objektive und hatte sich unterdessen so beruhigt, daß er den Prospekt an Jankowski weitergeben konnte.»Man tut, was man kann«, sagte er dabei heiser.

«Und Sie können viel. «Jankowski schob die Bilder wieder in das Kuvert und strahlte Babajew an.»Was mir an Ihnen so gefällt, Nikita Romanowitsch, ist Ihre Freude an der Arbeit, Ihr Verständnis, Ihre Diskretion.«

«Dafür ist man Fotograf«, antwortete der arme Babajew verlegen.»Unsere Arbeit basiert auf gegenseitigem Vertrauen.«»Das wollte ich damit sagen. «Jankowski klemmte das Kuvert unter seinen Arm.»Diese Vergrößerungen sind Meisterwerke. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen noch mehrere Filme bringen.«

«Noch… mehr.?«stotterte Babajew am Rande des Umfallens.

«Ja, insgesamt sieben.«

«Sieben? Welche Freude! Äh… ähnlich im Motiv?«

«Gemischt. Auch viel Natur ist dabei.«

«Viel… Natur.?«

«Ich liebe Schönheit in jeder Form«, sagte Jankowski mit glänzenden Augen.»Gibt es zum Beispiel Herrlicheres als von der Sonne überhauchte, schwellende Matten?«

Babajew nickte entrückt.»Schwellende Matten.«, wiederholte er wie ein Somnambuler.

«Eine sich öffnende Knospe. - Aber wem sage ich das? Als Fotograf ist Ihr Auge ja auch geschult für solche Köstlichkeiten, nicht wahr, Nikita Romanowitsch?«

Babajew nickte stumm und war heilfroh, als Jankowski endlich das Geschäft verließ, draußen in einen kleinen Geländewagen stieg und fortbrauste in die Wälder zu seiner Forschungsarbeit. Er rannte nach hinten zum Telefon und rief den Parteisekretär Kasutin an, dem Dunja Sergejewna gerade eine verspannte Schulter massierte. Auch das gehörte zu ihrer Sekretärinnentätigkeit. Sie verstand sich gut aufs Massieren, knetete Kasutin wie eine gelernte Masseuse durch und nahm zwischendurch auch noch Telefonate auf.

«Es ist Genosse Babajew«, sagte sie und blickte Kasutin an.»Mein Gott, ist der aufgeregt!«

Kasutin nahm den Hörer und hustete hinein, weil Dunja ihre zarten Hände wieder in seinen Rückenmuskel hieb.»Ich ahne Schlechtes, Nikita Romanowitsch«, sagte Kasutin.

«Er war eben da, hat die Fotos abgeholt und ist weggefahren in die Wälder. Vor meinen Augen hat er sie ausgepackt und betrachtet. Völlig schamlos. Geradezu verzückt. Ich hatte schon die Befürchtung, er würde die Bilder auffressen.«

«Das ist es!«sagte Kasutin feierlich.»Wir haben es ja analysiert:

Er ist pervers. Auf eine gefährliche Art. Bei ihm schwappt die Perversion über und gefährdet die Umwelt. Was hat er noch gesagt?«

«Er bringt neue Filme. Sieben Stück.«

«Nein!«Kasutin war zusammengezuckt.»So eine Frechheit.«

«Mit schwellenden Matten.«

«Mäßige dich, Babajew.«

«Jankowski hat das gesagt. Ich glaube, Pjotr Dementijewitsch, es wird einen Skandal geben, der uns alle wie eine Lawine unter sich begräbt.«

«Warten wir ab, was Akif Victorowitsch erreicht. Bleib ganz ruhig, Nikita Romanowitsch, ganz beherrscht. Wir müssen einen klaren Kopf behalten. Vergessen wir nicht die Diagnose von Doktor Lallikow. >Der Genosse Jankowski ist ein armer Mann<, sagte er. >Lei-det an einer Form des Priapismus.< Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber es muß ein schreckliches Leiden sein, so wie es Doktor Lallikow mit dumpfer Stimme ausgesprochen hat. Wir sollten alle unsere Fantasie aufbieten, um Victor Semjonowitsch zu helfen.«

Eine Stunde später besuchte Kasutin den dicken Zwetkow, um eine kleine Zeitbombe gegen Jankowski zu legen. Zwetkow saß in seinem Haus auf der Veranda, rauchte eine grusinische Zigarre, las den >Neuen Morgen< und war mit sich zufrieden. Seine hübsche Frau Antonina Pawlowna lag in einem Liegestuhl unten im Garten, trug einen knappen Bikini, wie ihn in Nowo Korsaki nur noch die schöne Witwe Sitkina besaß, und hatte das linke Bein hoch in die Luft gestreckt. In dieser nicht gerade bequemen, aber attraktiven Haltung lackierte sie sich die Zehennägel. Kasutin warf einen langen Blick auf dieses schöne Bild, das eigentlich verderbte westliche Lebensart ausdrückte, und setzte sich dann neben Zwetkow in einen weichen Korbsessel.