«Ganz frisch rasiert, nicht ein Flaum ist auf den Bildern zu sehen«, sagte Babajew.»Ich habe mit der Lupe gesucht.«
«Wir wissen alle: Stella Gawrilowna besitzt nicht nur eine gute Stimme, sie hat auch einen herrlichen Körper, gefüllt mit Temperament. «Dr. Lallikow zog die Fotos an sich heran.»Wenn man sich hinzudenkt. sie hatte, nein, sie hat lange schwarze Haare. Akif Vic-torowitsch, wann können wir von Ihnen mit genauer Information rechnen?«
Väterchen Mamedow saß zurückgelehnt in seinem Stuhl und starrte hinauf zur rohen Holzdecke seines Zimmers. Er machte einen sehr angeschlagenen Eindruck. Sein stolzer Bart hing traurig herab auf die Brust, seine Finger umkrampften die Tischkante. Er hatte den netten Geologen Jankowski sehr gern gehabt. Jankowski konnte plaudern, war klug und welterfahren — zu welterfahren, wie sich jetzt herausstellte. Ein Fetischist glatter Körperlichkeit. Wer hätte das in ihm vermutet? Ein Mensch, der über griechische Philosophie diskutieren konnte und auch über den Zaroaster-Kult Bescheid wußte. Bei Stella Gawrilowna kaufte er nicht nur Blumen — er kümmerte sich auch um die Wurzeln.
Väterchen Akif redete sich innerlich gut zu. Er zitierte im Geiste die Stelle aus seiner Predigt: >…und vergib deinen Peinigern, denn Verzeihen öffnet den Himmel.< Er sah ein, daß er nie etwas Blödsinnigeres gesagt hatte.
«Nur zum Zwecke der Wahrheitsfindung mache ich noch mit«, sagte er heiser.»Nur, um dem Teufel entgegenzutreten und ihn zu vernichten. Nur deshalb! Es ist meine Pflicht, gegen die Verworfenheit anzutreten.«
«Bravo!«sagte Dr. Lallikow.»Blicken wir auf unsere Liste. Wer steht da noch?«
«Dunja Sergejewna können wir auch streichen«, meinte Kasutin zögernd.»Genossen, bitte keine Fragen, keine scheelen Blicke, kein impertinentes Grinsen, ich schlage sonst um mich. Ich stelle lediglich nüchtern fest: Nach Entdeckung der Rasur scheidet Dunja Serge-jewna mit Sicherheit aus.«
«Mit Sicherheit?«fragte Dr. Lallikow und strich den Namen auf der Liste durch.
«Mit Sicherheit, ja!«schrie Kasutin.»Sind Sie nun zufrieden, Sie Ferkel?«
«Die Wahrheitsfindung, Genosse. «Lallikow lächelte gemein. Seine Brillengläser funkelten.»Aber es bleiben noch genug andere übrig. Da ist die schöne Witwe Sitkina.«
«Ihr könnte man das auch zutrauen«, meinte Babajew.»Man munkelt, sie habe neun Liebhaber. Warum soll nicht Jankowski die Nummer zehn sein? Alla Philippowna ist zu allem fähig.«
«Wen könnte man fragen?«sinnierte Kasutin.»Schließlich fällt plötzliche Haarlosigkeit den anderen auch auf.«
«Das übernehme ich«, sagte Dr. Lallikow.
«Sie?«Väterchen Akif grunzte wohlig.»Wo stehen Sie in der Reihe?«
«Ich bin ihr Arzt!«stieß Lallikow hervor.»Alla Philippowna leidet an einer verschleppten Bronchitis. Sie hüstelt immer. Morgen will sie wieder zu mir kommen. Da informiere ich mich.«
«Diagnostizieren Sie Bronchitis zwischen den Schenkeln?«fragte Akif genußvoll.»O weh, wenn jemand bei Ihnen etwas an der Speiseröhre hat.«
«Es bleibt auf der Liste noch Rimma Ifanowna!«schrie Dr. Lal-likow mit hochrotem Gesicht.»Sie hat die schönsten roten Haare, die man je gesehen hat!«
«So etwas rasiert man sich nicht ab!«sagte Väterchen Akif dröhnend.»Eine Schande wäre das.«
«Rimma wäre blöd genug, dem zuzustimmen«, erklärte Babajew.
«Aber Jankowski ist nicht so blöd. «Kasutin hob die Schultern.»Indes, weiß man es? Wie reagiert ein Glattkörperfetischist auf ein Büschel roter Haare? Vielleicht wie ein Stier, gerade weil sie rot sind? Solche Perverse sind unberechenbar. Doktor Lallikow, was sagt die Medizin darüber?«
«Mein Fachgebiet ist die Chirurgie«, knurrte Lallikow.»Mit der Psychiatrie bin ich immer vorsichtig. Die Psychiater wissen zuviel und im Grunde genommen gar nichts. - Was ist also mit Rimma?«
«Sie könnte man fragen. «Väterchen Akif strich seinen weißen Bart.»Ein gläubiges Kind ist sie. Ihrem Priester wird sie willig Auskunft geben.«
«Rimma kann Ihnen viel erzählen«, sagte Kasutin.
«Dieses im Geiste ruhende Kind lügt mich nicht an.«
«Ich würde mich überzeugen«, schlug Babajew vor.
«Wer entfernt dieses Schwein Nikita Romanowitsch aus meiner Wohnung?«brüllte Mamedow.
«Der Vorschlag des Genossen Babajew ist nicht so abwegig. «Ka-sutin nahm im Sitzen Haltung an.»Denken Sie an das Wort Lenins: >Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!< AkifVictorowitsch, betrachten Sie es als tiefgehende Gewissenserforschung. Es genügt ja ein ganz schneller, keuscher Blick.«
Väterchen Akif schwieg, trank ein zweites Glas Erdbeerwein und schielte auf die Fotos. Er nahm sich vor, mit Jankowski selbst über dessen Interesse an der Friedhofsgärtnerei zu sprechen.
«Die Nächste«, sagte Dr. Lallikow.»Galina Iwanowna. Sie ist verlobt.«
«Da ist es einfach. «Kasutin winkte ab.
«Wieso? Wollen Sie den Bräutigam fragen?«
«Warum nicht?«
«Der Verlobte ist Maxim Ferapontowitsch Lagatin, Gebietsmeister im Mittelgewichtsboxen. Fragen Sie ihn nur, Pjotr Dementijewitsch, Ihr Gesicht kriege ich schon wieder hin. Sie sehen so schon wie ein Affe aus.«
«Sie müssen immer alles komplizieren. «Kasutin lehnte sich zurück und wagte es, einen Schluck von Akifs Erdbeerwein zu trinken. Er schmeckte vorzüglich, süß und süffig, aber das war ja das Teuflische daran. Man trank ahnungslos und hockte dann drei Tage lang auf dem Topf.»Wie kann man bei Galina Iwanowna feststellen, ob Jankowski bei ihr.?«
«Ich weiß, daß Jankowski alles im Magazin kauft und mit Galina sogar schon im Kino war«, unterbrach Babajew.»Der Film hieß: >Wenn der Kranich schreit!< Eine hundertprozentige Liebesgeschichte.«
«Na also, gibt es mehr Klarheit?«Kasutin lachte zufrieden vor sich hin.»Unsere schöne Galina kann es sein.«
«Und Mittelgewichtsmeister Lagatin nimmt die Enthaarung einfach hin?«gab Väterchen Akif zu bedenken.»Wieso hat Galina keinen verbundenen Kopf? Wieso kein blaues Auge? Überhaupt: Wieso läuft Jankowski noch immer mit einem Gesicht herum?«
«Lagatin und Jankowski sind Freunde«, sagte Dr. Lallikow.
«Ein raffiniertes Bürschchen, dieser Victor Semjonowitsch«, lachte Babajew.»Trinkt mit dem Bräutigam seinen Wodka und rasiert dann die Braut.«
«Ein Abgrund«, sagte Väterchen Akif dumpf grollend.»Welch ein Abgrund an Verworfenheit! Ein starkes Herz muß man da haben. «Er dachte an Stella Gawrilowna, an die Blumenkäufe Jankowskis und die möglichen Auswirkungen. Es war menschlich, Jankowski in die Hölle zu wünschen.
«Bleibt also nur meine Wenigkeit«, stellte Dr. Lallikow fest.»Ich werde Galina Iwanowna untersuchen. Dazu habe ich ein Recht. Lebensmittelgesetz: Jede Verkäuferin, die mit offener Ware in Berührung kommt, muß ein Gesundheitszeugnis vorweisen können, ihre Gesundheit also kontrollieren lassen. Dazu gehört auch eine Untersuchung vom Scheitel bis zur Sohle. Schon wegen des Fußpilzes.«»Ich werde Ihren Einsatz nicht vergessen, Genosse Lallikow«, sagte Kasutin feierlich.»Haken wir also Galina ab. Wer bleibt?«
«Ein schwerer Falclass="underline" Antonina Pawlowna Zwetkowa. Unser Paradeweib.«
«Sie färbt sich die Haare«, sagte Babajew.
«Auf dem Kopf. Aber der Kopf ist weg und nicht wichtig.«
«Man kann auch Zwetkow nicht danach fragen.«
«Und wenn!«Dr. Lallikow winkte ab.»Er müßte erst nachsehen, auswendig wüßte er es nicht. Und Antonina Pawlowna würde sich sehr wundern und an eine psychische Erkrankung von Rassul Al-exejewitsch glauben, wenn dieser plötzlich tiefsitzendes Interesse zeigen würde. Um es vorweg zu sagen: Antonina kann ich nicht untersuchen.«
«Warum nicht?«fragte Väterchen Akif interessiert.»Fällt Ihnen dabei die Brille von der Nase?«