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Für sie ist es noch ein Spiel, sagt Christina schließlich. Sie sind stolz, dass sie auch schon Geld verdienen. Sie wissen noch nicht, dass sie ausgebeutet werden.

Wie alt sind deine Kinder?

Aristidis ist 15, Irini 13, Jorgo ist 5. Die beiden Älteren gehen in Internate. Meine Tochter wird Ballerina. Wie schön.

Aris gibt mir immer die gesamte Miete zurück, damit ich die Internate bezahlen kann. Er ist ein unglaublicher Mensch. Ein wirklich unglaublicher Mensch.

Ja, das ist er.

Mein Mann hat sich vor 3 Jahren das Leben genommen, sagt Christina, so leicht wie alles andere auch.

Was ist Absicht, was Zufall, wenn Stavridis in eine Sache involviert ist? Im Bücherregal meiner Frau standen ungarische und deutsche Bücher je zur Hälfte. In der Mansarde besteht der überwiegende Teil aus (den Abbildungen auf den Covern nach zu urteilen) Science-fiction-Romanen auf Griechisch. Kann sein, dass es ihre sind, aber eher nicht. Ein Regalfach mit Versen. Eine Reißzwecke ins weiche Holz gedrückt: das Bild eines in Stein gemeißelten bärtigen Griechen.

 buchstabiert Kopp. Empedoklis. Die Bücher sind alle alt, scheinbar aus Studententagen, die DVDs, etwa doppelt so viele, neu. Eine ganze, lange Reihe mit Filmklassikern, das Gesamtwerk von Truffaut und Kubrick, sowie eine scheinbar lückenlose Sammlung mehrerer amerikanischer Comedy-Serien. Die DVDs wie auch der Fernseher, die Mikrowelle und der Kühlschrank sind allesamt älter als 3 Jahre. Noch ein Regalfach mit Romanen im englischen Original. Brave new world, natürlich. Enemies, A love story. Und eins über das Akropolisfries. Hat sie ihm geschenkt. Oder nicht. Ein gemeinsames Interesse.

Auf dem Akropolisfelsen blendete das Licht, ein schneidender Wind wehte, außer Kopp und Christina waren nur eine japanische Reisegruppe und ein österreichisches Pärchen da. Nach wenigen Minuten flüchteten alle ins Museum. In der dritten Etage kannst du dir einen Nachbau des Frieses anschauen. Die von Lord Elgin als Souvenir mitgenommenen Stücke, etwa 2/3 des gesamten Frieses, sind in einem dunkleren Gips gegossen. Kopp weiß so gut wie nichts über die griechische Antike, Christina scheinbar alles. Die Götter der Reihe nach sind: Hermes, Dionysos, Demeter, Aris, Hera, Iris und Zeus. Athene, Hephaistos, Poseidon, Apoll, Artemis, Aphrodite und Eros. Zwischen Zeus und Athene befindet sich das zentrale Element des Frieses, die Peplos-Szene. Christina zeigt und erklärt alles langsam und verständlich — die Gruppe der sich in Bewegung setzenden Reiter, die Mädchen mit den Krügen, die Wannenträger — geduldige Lehrerin, wenig streng, eine, die durch sichtbares eigenes Interesse an der Materie zu fesseln weiß. Plus diese scheinbar unversiegbare Quelle an Heiterkeit.

Schulklassen kommen, grüßen die Japaner mit Sayonara und Arigato. Kopp lächelt, Christina lacht.

Ich komme auch mit meinen Schulklassen her, sagt Christina. Fällt überhaupt nicht auf, oder? Jetzt haben wir noch Zeit für zwei orthodoxe Kirchen oder die Plaka, bevor ich anfangen muss zu kochen.

Er versteht» Plaka «nicht und wählt die Kirchen. (Und auch, um mich kunstverständiger zu zeigen, als ich eigentlich bin.) Beide werden gerade renoviert, in der kleineren steht ein Mann auf einem Ge rüst und restauriert ein Fresko. Eine alte Frau, die Wächterin, steht unter seinem Gerüst und ruft zu ihm hoch, dass es überall widerhallt: Jorgo! Jorgo!

Christina lacht, Kopp lächelt.

Scht! sagt die strenge Alte. Und noch etwas auf Griechisch. Daraufhin Christina etwas auf Griechisch zur Alten.

Daraufhin wandte sich die Alte an Kopp und sagte ihm etwas. I am sorry, sagte Kopp.

Woraufhin die Alte abwinkte, Christina wieder lachte und sie hinausgingen.

Sie sagte, wir sollen nicht in der Kirche lachen. Ich sagte: sie solle nicht in der Kirche herumschreien. Da sagte sie zu dir: ihr habt wohl gar keine Manieren, aber du verstandest es nicht, und ich musste wieder lachen.

Das war am 23. Dezember.

Der sogenannte Heiligabend gehörte wieder ihm allein. Zum zweiten Mal in diesem Leben und zum zweiten Mal in einer Mansarde. Die Zutaten für einen gelungenen Feiertagsabend sind: Pizza, Rotwein und Filme. Er hätte sich gerne für eine amerikanische Comedy-Serie entschieden, aber dann konnte er nicht anders, ich kann es nicht begründen, er wählte Das Urteil von Nürnberg.

f

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[Datei: Dokument02]

Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, ja.

diese maligne Geschwulst des Seins lauter Sehensunwürdigkeiten

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[Datei: egyet]

Eine für Mama, eine für Papa,

*

Im Krieg werden weniger Selbstmorde verübt. Wie soll ich mich da nicht verachten?

*

Wenn das Volk erfährt, der König ist grausam, bekommt es Angst. Wenn das Volk erfährt, der König ist traurig, bekommt es Panik.

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[Datei: wenigstens]

Deutsch im Original

WENIGSTENS

Ich versuche

dem ganzen etwas positives abzugewinnen

als wäre ich ein positiv eingestellter mensch

als würden mich meine leiden nicht umbringen

sondern wie es heißt stärker machen

und dann verachte ich mich

dass ich es nicht einmal soweit gebracht habe

mein hoffnungsloses elend wenigstens einzugestehen

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[Datei: 17th_nervous_breakdown]

Wieder Wochen verloren. Nur sitzen können. Nicht einmal mehr Fernsehen. Kann nichts mehr festhalten. Bilder, Töne, alles nur mehr eine inhaltslose Belästigung. Nicht einmal mehr Musik.

Sitzt da und alles, was du wahrnimmst, ist in demselben Augenblick wieder vorbei. Manchmal denkst du: ein Kran. Oder: Straßenbahn. Und dann denkst du wieder nichts. Die Melancholie als Erholungsmöglichkeit? Ja. Die Depression? Das Gegenteil. Du hoffst, es ist nur eine Erholungsmelancholie, und merkst irgendwann, dass du nicht mehr rauskommst. Dass du verloren gehst in diesem Nichts. Zum Beispiel säuberst du dich nach mehreren Tagen wieder einmal, siehst deinen Körper und erkennst ihn nicht. Als würdest du ein nacktes Huhn abwaschen.

Was immer noch besser ist, als wenn du schon mit einer Wutattacke aufwachst. Versuch mal 5 Stunden tobend auf und ab zu rennen in deiner Wohnung, im fensterlosen Flur, immer nur auf und ab und alle zu verfluchen. Müder als nach 12 Stunden beschwerlichster Arbeit. Lyssa = der personifizierte Wahn, die Tollwut, die Wut. Ihre Mutter ist die schwarze Nacht. Ihr Vater Uranos, der Tobende. Als ich dann auch noch im Supermarkt — schon wieder der Supermarkt — eine alte Frau (einen egoistischen, garstigen Drachen) zusammengeschrien habe, bin ich dann doch zum Arzt.

Hja, sagt Frau Dr. G. Sowas passiert eben bei dramatischer Unterdosierung.

Dem vorangegangen war eine neuerliche Wutattacke, während derer ich dem Vorzimmerjungen in G.s neuer Praxis beinahe an die Gurgel gegangen wäre, weil er vergessen hatte, mich bei meiner Anmeldung in den Computer einzutragen, so dass mir 2 Patienten vorgezogen worden sind und ich sinnlos eine Stunde warten musste. Als mich die G. von dem Dilettanten wegbringt, fauche ich ihn im Weggehen an wie eine angreifende Katze. Womit ich mich endgültig als Freak geoutet hätte.