Saß da vielleicht eine Minute, dann stand er auf und ging los. Er ging durch die Schmale Gasse über den Salzmarkt in die Judengasse bis zum Hauptplatz, wo kein Stein auf dem anderen geblieben war. Übertreibung. Aber das Pflaster war auf dem gesamten Platz aufgerissen. Erneuerung des historischen Kopfsteinpflasters unter himmelstürmendem Radau, der in alle Ritzen kriechende weiße Steinstaub fliegt nur so durch die Luft. Außer den Arbeitern und Darius Kopp war keiner da, und das im August. Ist es Unvermögen oder das Gegenteil, Absicht, dass das Geschäft der beiden Lokale am Platz zur Gänze ruiniert wird? Unter einer Markise stand eine Kellnerin, sah Kopp interessiert zu, während dieser über den Holzplankenpfad balancierte. Als er nah bei ihr war, sah er sie auch, er lächelte, sie lächelte ebenfalls. Meine Frau war auch öfter Kellnerin. Sie sind sogar in ihrem Alter.
Die Planken führten zum Feuerturm. Einmal Turmwächter sein. Ausschau halten nach Feuer oder Feind. Hier wird nicht Trompete gespielt, sondern eine Glocke geläutet. Das ist besser, man hat eine größere Auswahl auch unter den unmusikalischen Wächtern. Im Moment ist nur einer da. Sein Name ist Dariussohn Darius J. Kopp. Eine Landschaft, die einer anderen gehört, so betrachten, als gehörte sie einem selbst. Unmöglich. Kopp schaut sich dennoch alles gewissenhaft an. Als könnte ich etwas wiedererkennen, über das mir nie erzählt worden ist. In der Innenstadt legen sich die Ringstraßen wie Zwiebelhäute umeinander. Eine Stadt, aus Steinen gebaut, das hilft gegen so manches, von Romanisch bis Barock ist hier vieles erhalten, minus der dritten Synagoge. Elisabeth von Luxemburg, die erzkatholische F--rau, hatte offenbar nichts Besseres — Nichts. Besseres — zu tun, als freien wie unfreien Städten die Vertreibung der Juden nahezulegen, wer, dachte sie, dass sie ist, Isabella, die Katholische, nein, die wurde erst später geboren. Hätten wir eine Tochter gehabt, hätte sie vielleicht Isabella geheißen oder Ophelia. Irgendjemand, der den Namen trug, war doch immer ein Hasser, ein Mörder, ein Unglücklicher (eine Hasserin, eine Mörderin, eine Unglückliche), Darius schlägt Johannes bei Bedarf den Kopf ab, wir könnten sie, oder sogar ihn, doch auch einfach Sonnenschein nennen, Sonnenschein Kopp…
Da fiel ihm auf, wie sehr die Sonne wirklich schien, mitten ins Gesicht, die Augen tränen davon. Er blinzelte, und dann sah er sie: eine Gruppe Schülerinnen, die unweit unter ihm gerade hinter einer Kirche verschwand, und gleichzeitig hörte er deutlich das Geklapper von Tellern und der Duft von Hühnersuppe erfüllte die Luft.
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[Datei: most_hogy_szabad]
Jetzt, da ich frei bin.
Und dennoch die Beklemmung. Kann es sein, dass die ganze Angst erst jetzt hervorkommt? Solange du darin leben musst, hältst du dich? Eine Sache ist sehr gut. Dass man die anderen sieht. Wie sie sich inihren Zimmern bewegen. Sie haben Lampen, Haken, sie hängen ihre Mäntel an die Haken, stehen im Schlüpfer in der Küche, in farbbeklecksten Overalls auf Leitern. Durch das Fenster gesehen ist das Zuhause eines jeden heimelig.
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[Datei: hátsó_udvar] Hinterhof
Meine Zimmerpflanzen gehen nacheinander ein. Zu wenig Licht. Nicht einmal Ameisen überleben hier. Dass es keine Insekten in der Wohnung gibt, ist so seltsam. Auf dem Dorf war alles voll mit Ameisen. Später, im Wohnheim, mit Schaben. Hier noch nicht einmal das.
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[Datei: Oktober]
Nemes Nagy Ágnes Október
Agnes Nemes Nagy Oktober
Most már felevig este lesz. Köd száll, a lámpa imbolyog. Járnak az utcán karcsü, roppant, negy emeletnyi angyalok.
Ab nun ist's ein halbes Jahr nur noch Nacht.
Nebel wabert, Lampen schaukeln.
Schlanke, riesige, vier Etagen hohe Engel
Wandeln auf den Straßen
S mint egy folyo a mozivászon lapján, ügy üsznak át a házon —
Und wie ein Fluss durch eine Kinoleinwand fließen sie durchs Haus —
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[Datei: vak]
Als wäre ich erblindet, am helllichten Tag ist mir das Licht zu schwach. Wie im Traum, wenn du denkst, du hast die Augen offen, und doch kannst du nichts sehen.
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[Datei: S-Bahn]
S-Bahn. Die Lamellen der Neonlampe zerschneiden mich wie ein gekochtes Ei.
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[Datei: 10_24]
10. 24.
Der Faust-Dozent ist ein netter, sächselnder Mann. Er lächelt mich an, als er etwas fragt. Ich höre gar nicht, was es ist, ich sehe nur dieses Lächeln und renne weinend hinaus. Ich gehe auf der Straße und habe das Gefühl, jeder, dem es einfiele, könnte einfach in mich hineingreifen und mir Herz und Lunge herausreißen. Der Wind, als würde er angreifen. Springt mir auf den Rücken.
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[Datei: ne_tartson_el]
Es soll mich keiner aushalten
ich verdiene es nicht
ich halte auch keinen aus
weil ich es nicht kann
weder einen anderen noch mich selbst
ich lege mich auf die erde drücke mein gesicht dagegen
sie drückt mich hart zurück
will mich nicht
umsonst
nein ich drücke nichts
noch nicht einmal soviel anstrengung
wenigstens in der stunde meines todes
das habe ich schon oft gemacht, aber da war ich jünger
ein kind
legte mich hin, wartete, vielleicht sterbe ich
auf dem dachboden, im garten, im zimmer, unter dem bett
damit sie sieht, was sie angerichtet hat
das aas, wenn sie mich findet
aber sie hätte sowieso nichts gesehen
dachte sie ist die heilige jungfrau
hat meine mutter kaputt gemacht
den opa mich jeden
obwohl der opa auch ein riesen arsch war
mich hat er nicht geliebt heul nicht
warum sollte dich wer auch immer lieben
wenn doch dann ist es zufall
deswegen bin ich immer zu dankbar dafür
sei nicht dankbar!
wenigstens hasse ich nicht JEDEN
das ist das wichtigste
wenn du gut bist sei gut
wenn ich dich pflege, tue ich es für mich
als zum ersten mal jemand nett zu mir war,
rannte ich weinend hinaus
lieber soll ein JEDER grob sein
soll doch das die grundaufstellung sein und keiner soll davon
abweichen die abweichung ist nicht auszuhalten
alles ist so roh
soll es doch
und ich werde tapfer sein
tapfer sein ist scheiße
schon mein ganzes leben
immer immer
wenn die wüssten
dass es schon ein sieg ist, wenn ich es bis zur straßenbahn schaffe wenn ich warten kann, bis sie kommt wenn ich es schaffe, einzusteigen
wenn ich es 11 haltestellen lang aushalte, nicht auszusteigen,
wenn ich es dann schaffe, ins richtige gebäude zu gehen
wenn ich es schaffe, in die 4te etage zu gehen
wenn ich es schaffe, den raum zu betreten
wenn ich es schaffe, mit ihnen zu reden
wenn sie dann einem wunder gleich tatsächlich zu verstehen scheinen, was ich sage,
einmal hat mir szilárd ein bündel briefe in die hand gedrückt, ich soll sie wegschicken
ich hatte keine ahnung, dass er gar nicht daran dachte, die 14,50 zurückzugeben,
mein geld für 2,5 tage
und dann kam er noch und beschimpfte mich, weil ich nicht eine fremde bei mir aufnahm