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You should ask the women in the spa, sagt er und deutet zum Eingang des Bades. Seine Aussprache ist gut. Er sagt: spa.

Der Wirt nickt. Er sagt etwas auf Ungarisch, wiederholt mutmaßlich, was der Zwerg gesagt hat.

The old women, sagt der Zwerg und muss nun wieder so grinsen wie die ganze Zeit zuvor.

Thank you, sagt Darius Kopp. Thank you all.

Sie haben recht, sie starren mir Löcher in den Rücken, aber sie haben recht. Man muss das Vertrauen der Frauen gewinnen.

Guten Tag. Sprechen Sie deutsch?

f

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[Datei: parkak]

«Schöner Sommertag, wortlos wachen die Parzen«

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[Datei: Anima]

5. Mai

Endlich ein vernünftiger Job!

Zettel an der Uni. An demselben Tag dagelassen. Mit fliegenden Fahnen zur Adresse. Hitzewelle im Mai, meine Füße in den Sandalen sind schmutzig. Meine Hände schmutzig vom Fahrrad, macht nichts. Stürme hinein, sage, ich wäre gern ihre Praktikantin. Die Sekretärin isst eine rote Hollandpaprika, beißt ab wie von einem Apfel, das erste Mal, dass ich so was sehe.

Der Chef mustert mich. Er sieht meine schmutzigen Hände und Füße, er sieht das durchschwitzte Kleid, das an mir klebt: eine vogelscheuchenartige Erscheinung. Zahlen können sie natürlich nicht.

Ist OK.

Ich rechne. Wohnung: 100.

Außerdem muss man nur noch essen. Solange es warm ist, braucht man keine Fahrkarte.

Mit weiteren 100 könnte es sich ausgehen. Obwohclass="underline" 3,33 am Tag? Brötchen, Butter, Apfel. Waschpulver, Seife. Fahrrad darf nicht kaputtgehen. Schuhe dürfen nicht kaputtgehen.

Warum bin ich jetzt so glücklich?

Wenn ich, sagen wir, Freitag-Samstag-Sonntag 8-12 Stunden irgendwo kellnere, dann kommt es hin.

Montag-Donnerstag: Uni und AnimaTV. So heißen sie. Interviews mit relevanten Persönlichkeiten, fürs Fernsehen. Ich werde im PARTEI-Archiv anfangen mit» zusätzlichen Recherchen «für eine» Doppelagenten-Story«!

Zurück:

Montag-Donnerstag: 96 Stunden

Schlaf, Erwachen, Wege: 36

bleiben: 60

30 Uni

30 Anima

Mehr als genug.

20 Anima

40 Uni

Mit Vor- und Nachbereitung.

Das Leben ist schön.

Aber ich hab noch keinen bezahlten Job. Muss suchen.

Inder am Telefon (Für Telefon braucht man auch Geld!): Haben Sie Serviererfahrung? Ich: Ja.

Gehe dann aber doch nicht hin.

22. Mai

Musste Wohnung verlassen. Hauptmieter da, wollte was. Habe beschlossen, lieber zu gehen.

Hinein zur wip, gesagt, was ich will. Starren mich an, dann drücken sie mir einen Zettel und einen Schlüssel in die Hand. Aber die Wohnung hat nicht mal ein Klo.

Macht nichts.

Das Dach des Kachelofens ist auch eingebrochen.

Macht nichts, der Sommer kommt. Obwohl man das nur an der Wand des gegenüberliegenden Flügels sieht. Macht nichts. Nichts macht etwas.

Ich habe etwas, wo ich wohnen kann.

238, leider, weil es zwei Zimmer sind, obwohl ich nur eins bräuchte.

Macht nichts, es wird schon irgendwie werden. Sie zahlen nur 8 im Cafe, aber mit Trinkgeldern werden's 10.

Archiv tödlich langweilig. Macht nichts. Nichts macht was.

Ich lebe hier. Allein. Ich stehe auf meinen eigenen Füßen.

Ich mag nur nicht, wenn sie mir drohen.

Sie sind doch Ausländerin!

Schnauze!

Dass ausgerechnet das als Erstes hervorkommt! Wunderst du dich?

Nein. Aber enttäuscht darf ich sein.

1. Juni

Es ist völlig klar, dass im Partei-Archiv nichts mehr zu finden ist. Der Chef macht ein Gesicht, als wäre das allein mein Fehler. Als hätte er mich nicht deswegen dorthin geschickt, damit nicht jemand anderes, Wertvolleres seine Zeit damit vergeuden muss. Könnte ich vielleicht etwas anderes tun?

Ich könnte Kabel tragen. XY hält einen Vortrag an der Uni. Ich tue es. Einige, die mich kennen, sehen mich. Sie lachen.

Und wieso scheißt du nicht darauf, fragt P, der Kameramann und Schnittmeister. Könnte ich nicht lieber im Schnittraum sein?

Seinetwegen. Obwohl Frauen seiner Meinung nach nichts davon verstehen. Nicht inhaltlich, sondern technisch gesehen.

Er hat recht. Kabelsalat. Noch dazu muss man ständig umstecken, denn das ist hier nun einmal so. Ein Ausgang oder Eingang weniger da, als man bräuchte.

Ein Interview mit einem Klavierbegleiter von Helene Weigel.

Brecht-Eisler-Lieder.

«Deine Mutter, mein Sohn, hat dich nicht belogen,

Daß du etwas ganz besonderes seist;

Aber sie hat dich auch nicht mit Kummer aufgezogen,

Daß du einmal im Stacheldraht hängst und nach Wasser schreist.«

Ich habe noch Tränen in den Augen, als:

Wessen bekloppte Idee war das, den Anfang so langsam zu machen?

Das Kopfzittern alter Leute in Zeitlupe? Und dieser halbstündige musiktheoretische Vortrag? Raus damit. Du zieh nur den Ton hoch, wenn irgendwo eine Tür aufgeht, das reicht völlig. Du hast zu wenig Platz für den Kommentar gelassen. Wer soll das in 30 Sekunden herunterleiern können? Du, das kann sein, aber du darfst nicht sprechen. Du hast einen Akzent. Der Chef sächselt, aber das zählt nicht. Und wieso ich keine Schuhe anhätte?

So geht es. Der Chef kommt herein, macht mich herunter, danach tröstet mich P mit irgendwas. Ich darf dies oder das machen oder er lädt mich zum Abendessen ein. Der Chef sieht, dass wir gemeinsam gehen.

4. Juni

Er spielt gerne, dass er mich in einer dunklen Gasse überfällt. Wir machen es in meinem Flur stehend. Die schwarz gemalten Dielen knarren. Durch das Zimmer kann ich auf das Fenster sehen, dahinter der Hinterhof. Die Ranken des wilden Weins im Mondlicht. Die Nachbarn schauen fern. Danach gehen wir zu Bett, das heißt, wir legen uns auf meine Matratze. Er schläft, ich nicht.

6. Juni

Nachdem ich ihm eine halbe Stunde lang darüber erzählt habe, was Kunst und was Dichtung ist, sagte er: Meinst du, es gibt jemanden, den das wirklich interessiert?

7. Juni

Heute hat mich der Chef mit nach Hause genommen. Er zeigt mir ein Buch, das ich lesen soll. Es handelt von einem Menschen, der Schach im Warschauer Ghetto gespielt hat. Ich blättere darin. Er bringt mir in der Zwischenzeit ein Glas Wasser, und als er das Glas auf den Tisch vor mir stellt, legt er seine andere Hand auf meinen Rücken und lässt sie langsam hinunterrutschen. Er streichelt meinen Rücken, auf und ab. Und ich, als bemerkte ich es nicht, schaue mir das Buch an. Später lege ich das Buch hin, stehe auf und gehe. Ich sehe den Hass in seinen Augen.

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Vier alte Frauen. Zwei Garderobieren, eine Putzfrau, eine aus dem Kassenhäuschen. Kopp hatte sich eine Eintrittskarte gekauft, damit man sieht, seine Absichten sind ehrenhaft, und hat erst danach seine Frage gestellt. Flora Meier. Teodóra. Teodóra Meier. Ich bin ihr Mann.

A Teodora? Was ist mit ihr? Sie ist gestorben.

Meghalt, übersetzt jemand, der es versteht.

Man versammelt sich um ihn, jetzt auch einige der Badegäste. Keine Männer, keine jungen Frauen. Schauen sich das Foto im Handy an, nicken. Eine schlägt das Kreuz. Edes Istenem. Guter Gott. Und er ist ihr Mann? Ja, das ist ihr Mann. Ein Österreicher. Darius Kopp klärt das Missverständnis nicht auf. Ist doch egal, was ich bin. Sie reden untereinander, besprechen etwas. Hát, meghaltak valamennyien. Darius Kopp dreht den Kopf hin und her. Könnte jemand eine Sprache sprechen, die ich verstehe? Es wird ihm übersetzt: Jetzt sind alle tot. Edes Istenem. Die Großmutter ist also auch tot? Ja, sie liegt hier auf dem Friedhof. Die Mari liegt woanders. Das ist die Mutter. Ob sie eine Hure war oder nicht, weiß man nicht genau. Pesten van a Mari? Ja, das kann sein, sie liegt in Pest.