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Das schluckte aber Caroline nicht. Sie drohte ihm. Zwei Leute haben gehört, daß sie ihm sagte, sie würde ihn umbringen, wenn er das Mädchen nicht aufgebe. Und es war ihr ernst damit. Am Tag vor dem Mord waren sie bei einem Nachbarn zum Tee, der Kräuter sammelte und heilkräftige Säfte braute. Darunter gab es einen namens Koniin - ein Schierlingsextrakt. Man sprach darüber und über seine tödliche Wirkung. Am nächsten Morgen stellte der Gastgeber fest, daß die Flasche halb leer war. Das hat ihn natürlich sehr aufgeregt. Später fand man ein fast leeres Fläschchen in Mrs. Crales Kommode.» Poirot reckte sich unbehaglich und sagte: «Das könnte jemand hineingetan haben.»

«Nein, sie gestand der Polizei, daß sie es genommen habe. Höchst unklug natürlich, aber sie hatte da noch keinen Anwalt.»

«Was gab sie als Grund an?»

«Sie habe Selbstmord begehen wollen; aber sie konnte nicht erklären, wieso die Flasche leer war, auch nicht, wieso nur ihre Fingerabdrücke drauf waren. Das war das belastendste. Sie behauptete steif und fest, Amyas Crale habe Selbstmord begangen. Wenn er aber das Koniin aus der Flasche genommen hätte, hätten auch seine Fingerabdrücke drauf sein müssen. »

«Man hat es ihm doch in Bier verabfolgt?»

«Ja. Sie holte die Flasche aus dem Eisschrank und brachte sie ihm in den Garten, wo er malte. Sie schenkte ihm ein und sah zu, wie er das Glas austrank. Später gingen alle zum Mittagessen, und er blieb bei seiner Arbeit, wie er es oft tat. Als sie und die Gouvernante nach dem Essen zu ihm kamen, war er tot. Sie behauptet, daß in dem Bier, das sie ihm eingeschenkt hatte, nichts gewesen sei. Unsere Theorie ging dahin, daß er plötzlich nicht mehr ein und aus wußte und solche Gewissensbisse empfand, daß er Gift nahm. Das ist natürlich Unsinn, das paßte gar nicht zu ihm. Die Fingerabdrücke auf der Flasche waren das schlimmste.»

«Man fand ihre Fingerabdrücke auf der Bierflasche?»

«Nein... nur seine... und die waren falsch. Während die Gouvernante fortgegangen war, um einen Arzt zu holen, blieb sie allein bei der Leiche. Vermutlich hat sie die Flasche und das Glas abgewischt und dann seine Finger drauf gedrückt, um behaupten zu können, sie habe die Flasche nicht angerührt. Aber das nützte ihr nichts. Der alte Rudolph, der Staatsanwalt, konnte zu seinem großen Vergnügen bei der Verhandlung demonstrieren, daß ein Mensch auf diese Weise niemals eine Flasche halten könnte. Natürlich taten wir das menschenmögliche, um das Gegenteil zu beweisen - daß sich seine Finger im Todeskampf verzerrt hätten - aber das Argument war sehr lahm.»

«Das Gift muß in die Flasche getan worden sein, bevor sie sie in den Garten brachte.»

«In der Flasche waren keine Giftspuren zu finden, nur im Glas.» Er hielt inne, sein Gesicht verzog sich plötzlich, und er sagte scharf: «Einen Moment! Auf was wollen Sie eigentlich hinaus, Poirot?»

«Wenn Caroline Crale unschuldig war», antwortete Poirot, «wie ist dann das Gift in das Bier gekommen? Sie behaupteten in Ihrem Plädoyer, daß Crale es selbst hineingetan hätte, aber Sie sagen mir, daß es höchst unwahrscheinlich war, und ich muß Ihnen zustimmen. Er war nicht der Mann dafür. Wenn also Caroline Crale es nicht getan hat, hat es ein anderer getan.»

Depleach platzte heraus:    «Verdammt nochmal, Menschenskind, versuchen Sie doch nicht, ein totes Pferd aufzuzäumen. Die ganze Sache ist doch schon seit Jahren begraben und vergessen. Natürlich war sie es. Wenn Sie sie damals gesehen hätten, würden Sie es auch glauben. Es stand ihr im Gesicht geschrieben. Ich hatte sogar den Eindruck, daß das Urteil eine Erleichterung für sie bedeutete. Sie hatte keine Angst; sie war die Ruhe selbst. Sie wollte nur erst alles hinter sich haben. Sie war wirklich eine tapfere Frau..»

«Und doch hinterließ sie vor ihrem Tod einen Brief für ihre Tochter, in welchem sie schwor, unschuldig zu sein.»

«Selbstverständlich», erwiderte Depleach, «Sie oder ich hätten das an ihrer Stelle auch getan.»

«Ihre Tochter behauptet, daß Ihre Mutter niemals die Unwahrheit geschrieben hätte.»

«Die Tochter... Lächerlich! Was weiß sie davon? Mein lieber Poirot, die Tochter war doch damals ein kleines Kind... vier oder fünf Jahre alt. Was kann sie schon wissen?»

«Kinder wissen oft mehr, als man denkt.»

«Mag sein, aber in diesem Fall bestimmt nicht. Natürlich möchte die Tochter gerne daran glauben, daß die Mutter unschuldig war. Lassen wir ihr den Glauben; das tut keinem Menschen weh.»

«Leider verlangt sie aber Beweise!»

«Beweise, daß Caroline Crale ihren Mann nicht umgebracht hat?»

«Ja.»

«Die wird sie nicht bekommen.»

«Glauben Sie?»

Der berühmte Strafverteidiger blickte Poirot nachdenklich an.

«Ich habe Sie immer für einen ehrlichen Menschen gehalten, Poirot. Wollen Sie nun etwa aus dem natürlichen Pietätsgefühl einer Tochter Kapital schlagen?»

«Sie kennen Carla Lemarchant nicht. Sie ist höchst ungewöhnlich, ein Mädchen mit großer Charakterstärke.»

«Das kann ich mir vorstellen. Die Tochter von Amyas und Caroline Crale... Was will sie denn?»

«Die Wahrheit.»

«Hm.. ich fürchte, sie würde ihr nicht schmecken. Ehrlich, Poirot, ich glaube, es gibt keinen Zweifel... sie hat ihn umgebracht.»

«Entschuldigen Sie bitte, lieber Freund, aber ich muß mich selbst davon überzeugen.»

«Ich sehe nicht, was Sie unternehmen könnten. Sie können die Zeitungsberichte studieren. Humphrey Rudolph war der Staatsanwalt, er ist tot... Wer war sein Assistent? Der junge Fogg, glaube ich.. jawohl, Fogg. Sprechen Sie doch mal mit ihm. Und dann gibt es noch einige Leute, die damals dabei waren. Vermutlich werden die sich nicht darüber freuen, daß Sie die alte Geschichte ausgraben wollen, aber Sie werden ihnen bestimmt die Würmer aus der Nase ziehen können, das liegt Ihnen ja.»

«Ja, die Leute, die dabei waren. Das ist wichtig. Wissen Sie noch, wer es war?»

Depleach überlegte. «Lassen Sie mich mal nachdenken.. es ist ja schon so lange her... Es waren nur fünf Leute, die wirklich etwas damit zu tun hatten. Die Dienstboten zähle ich nicht mit -ein altes Dienerehepaar, die wußten von Gott und der Welt nichts. Die hat niemand je im Verdacht gehabt.»

«Fünf Leute, sagen Sie. Wer denn noch?»

«Also zuerst Philip Blake. Er war Crales bester Freund, schon von Kindheit an. Er war damals bei ihnen zu Besuch. Er lebt noch; ab und zu treffe ich ihn auf dem Golfplatz. Er wohnt in St. George's Hill, ist Börsenmakler, spekuliert mit großem Erfolg, und setzt jetzt ein bißchen zuviel Fett an.»