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Elsa sagte, er komme nicht zum Essen, was ich insgeheim für sehr richtig hielt. Als ich ihm auf Wiedersehen sagte, blickte er auf und sah mich merkwürdig an; mir kam sein Blick beinahe bösartig vor. Da er, wenn ihm die Arbeit nicht gut von der Hand ging, oft wütend dreinblickte, fiel es mir jedoch nicht weiter auf. Weder Elsa noch ich bemerkten etwas Ungewöhnliches an ihm.

Plaudernd gingen wir zusammen zum Haus. Wenn sie gewußt hätte, das arme Kind, daß sie ihn nie wieder lebendig sehen würde... Gott sei Dank, wußte sie es nicht und konnte sich noch für eine kleine Weile in ihrem Glück wiegen. Caroline merkte man beim Mittagessen nichts an, höchstens daß sie vielleicht etwas besorgt aussah. Und das ist doch ein Beweis dafür, daß sie nichts damit zu tun hatte? So schauspielern konnte sie nicht.

Nach dem Essen ging sie mit der Gouvernante nach unten und fand ihn. Als ich ihnen nach einer Weile nachging, kam mir Miss Williams entgegengeeilt und sagte, ich solle sofort den Arzt anrufen. Dann lief sie zurück zu Caroline. Das arme Kind -ich meine Elsa! Ihr unbeherrschter Kummer war wirklich der eines Kindes. Sie wollte es nicht glauben, daß das Leben ihr so etwas antun konnte. Caroline war völlig ruhig, jawohl, völlig ruhig. Sie konnte sich natürlich besser beherrschen als Elsa. Sie schien keine Gewissensbisse zu empfinden; sie sagte nur, er müsse es selbst getan haben. Und wir wollten ihr das nicht glauben; Elsa schrie ihr sogar ins Gesicht, daß sie es getan hätte. Natürlich war sich Caroline unterdessen darüber klar geworden, daß man sie verdächtigen würde. Und das ist die Erklärung für ihr Verhalten. Philip war fest davon überzeugt, daß sie es getan hatte. Das Ganze wurde zu einem Alpdruck. Die Polizei kam, nahm eine Hausdurchsuchung vor und verhörte uns alle; dann wimmelte es von Reportern, die wie Schmeißfliegen um das Haus schwirrten, alles fotografierten und jedes Familienmitglied interviewen wollten.

Nach all diesen Jahren hat der Fall Crale noch immer nicht aufgehört, ein Alpdruck für mich zu sein. Ich bete zu Gott, daß wir, wenn Sie erst einmal die kleine Carla überzeugt haben, alles vergessen können und nie wieder daran erinnert werden. Amyas muß Selbstmord begangen haben, so unwahrscheinlich es auch aussehen mag.

3 Bericht von Lady Dittisham

Nachstehend gebe ich einen Bericht über meine Bekanntschaft mit Amyas Crale und seinen tragischen Tod. Ich lernte ihn bei einem Atelierfest kennen. Ich erinnere mich, daß er am Fenster stand und mir sofort auffiel, als ich das Atelier betrat. Auf meine Frage, wer er sei, antwortete man mir: «Crale, der Maler.» Ich ließ ihn mir vorstellen, und wir sprachen vielleicht zehn Minuten miteinander. Ich kann nur sagen, daß mir, nachdem ich ihn gesehen hatte, die andern Gäste uninteressant und fade vorkamen.

Ich sah mir gleich am nächsten Tag alle Bilder von ihm an, die ich ausfindig machen konnte. Er hatte gerade eine Ausstellung in der Bond Street, eines seiner Bilder hing in Manchester, eins in Leeds und eines in einer Galerie in London. Ich sah sie alle. Als ich ihn wiedertraf, sagte ich : «Ich habe mir Ihre Bilder angesehen und finde sie wunderbar.»

Amüsiert erwiderte er: «Ich kann mir nicht denken, daß Sie etwas von Malerei verstehen.»

«Vielleicht nicht, aber die Bilder sind trotzdem wunderbar.»

«Sie sind ein kleines Dummerchen», sagte er grinsend. «Das bin ich nicht, und ich möchte von Ihnen gemalt werden.»

«Wenn Sie eine Ahnung von Kunst hätten, wüßten Sie, daß ich keine hübschen Frauen porträtiere.»

«Es muß kein Porträt sein, und ich bin nicht hübsch.» Nun blickte er mich an, als sähe er mich zum erstenmal, und dann sagte er: «Vielleicht haben Sie recht.»

«Werden Sie mich also malen?»

Er betrachtete mich einige Sekunden lang, den Kopf zur Seite geneigt, und sagte schließlich: «Sie sind ein merkwürdiges Kind.»

«Ich bin reich», sagte ich, «und ich kann mir ein großes Honorar leisten.»

«Warum sind Sie eigentlich so wild darauf, von mir gemalt zu werden?»

«Weil ich es will!»

«Ist das ein Grund?»

«Ja, ich bekomme immer das, was ich will.»

«Sie armes Kind, wie jung Sie noch sind!»

«Werden Sie mich malen?»

Er nahm mich bei den Schultern, drehte mich zum Licht und betrachtete mich genau, dann trat er ein paar Schritte zurück, während ich ganz still stehenblieb.

«Ich wollte schon immer einmal ein Bild malen.. ein Schwarm grellfarbiger australischer Papageien umflattern die St.-Pauls-Kathedrale. Wenn ich Sie male mit einer hübschen friedlichen Landschaft als Hintergrund, werde ich vielleicht genau die gleiche Wirkung erzielen.»

«Also Sie werden mich malen?»

«Sie sind das entzückendste, tollste, schillerndste exotische Ding, das ich je gesehen habe. Ich werde Sie malen.»

«Also abgemacht?»

«Aber ich warne Sie, mein Kind. Wenn ich Sie male, werde ich Sie wahrscheinlich verführen.»

«Ich hoffe es...» erwiderte ich.

Ich sagte das ganz ruhig und bestimmt. Er atmete hörbar, und ein merkwürdiger Ausdruck trat in seine Augen. So plötzlich kam das alles.

Zwei Tage später trafen wir uns wieder. Er sagte mir, ich müsse mit ihm nach Devonshire gehen, dort gebe es eine Stelle mit dem richtigen Hintergrund für mich, und fügte hinzu: «Ich bin verheiratet, und ich liebe meine Frau.»

Ich entgegnete, daß sie, wenn er sie liebe, sehr nett sein müsse. Er sagte, sie sei besonders nett. «Sie ist entzückend, und ich bete sie an. Merken Sie sich das, mein Kind, schreiben Sie es sich hinter die Ohren!»

Eine Woche später begann er mich zu malen. Caroline Crale empfing mich sehr liebenswürdig. Sie konnte mich nicht besonders leiden; warum sollte sie auch? Amyas war sehr vorsichtig und zurückhaltend. Er sagte nie ein Wort zu mir, das nicht auch seine Frau hätte hören dürfen, und ich war ebenfalls höflich und zurückhaltend. Aber wir wußten beide Bescheid. Nach zehn Tagen sagte er mir, ich müsse nach London zurückkehren, und ich erwiderte: «Das Bild ist doch noch nicht fertig.»

«Ich habe es noch kaum angefangen. Aber ich kann Sie nicht malen, Elsa.»

«Warum?»

«Das wissen Sie ganz genau, und deshalb müssen Sie fortgehen. Ich kann nicht mehr ans Malen denken, ich kann überhaupt nur noch an Sie denken.»

Wir waren auf der Schanze. Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte, die Bienen summten, die Vögel zwitscherten. Alles schien glücklich und friedlich zu sein, aber mir war nicht danach zumute. Ich war bedrückt. Es war, als würfen die kommenden Ereignisse ihre Schatten voraus. Ich wußte, daß es nicht angenehm sein würde, wenn ich nach London zurückginge, sagte aber: «Gut, wenn Sie wollen, gehe ich.»

«Sie sind ein braves Kind.»

Ich ging fort, und ich schrieb ihm nicht.

Zehn Tage hielt er es aus, dann kam er. Er sah schrecklich aus, abgemagert, elend; es versetzte mir einen Schlag. «Ich habe dich gewarnt, Elsa. Sage nicht, daß ich dich nicht gewarnt hätte.»

«Ich habe auf dich gewartet; ich wußte, daß du kommen würdest.»

Stöhnend erwiderte er: «Es gibt Dinge, die über unsere Kraft gehen. Ich kann nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, ich finde keine Ruhe ohne dich.»

Ich sagte, daß ich das wüßte und daß es mir ebenso ginge, daß es mir vom ersten Augenblick an so ergangen wäre. Es sei Schicksal, und man könne nicht dagegen ankämpfen. Er fragte: «Du hast nicht sehr dagegen angekämpft, nicht wahr, Elsa?»