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Was ich nun niederschreibe, habe ich bisher noch keinem Menschen gesagt. Da ich danach nicht gefragt wurde, brauchte ich nicht die Unwahrheit zu sagen. Ich habe mich jedoch schuldig gemacht, weil ich etwas verschwieg, aber ich bereue es nicht und würde es sogar wieder tun.

Wie ich schon sagte, begegnete ich auf dem Weg zum Haus Mr. Meredith Blake und eilte dann zur Schanze zurück. Da ich Leinenschuhe trug, hörte man meine Schritte nicht. Die Tür zur Schanze stand auf, und ich sah, daß Mrs. Crale die Bierflasche auf dem Tisch mit ihrem Taschentuch abwischte. Dann nahm sie die Hand ihres toten Gatten und preßte seine Finger auf die Bierflasche. Die ganze Zeit lauschte sie ängstlich, ob jemand käme. Und die Furcht auf ihrem Gesicht sagte mir die Wahrheit.

Daher weiß ich ganz bestimmt, daß Caroline Crale ihren Gatten vergiftet hat. Ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Sein schandbares Verhalten konnte einen Menschen um den Verstand bringen, und somit hatte er sein Schicksal selbst heraufbeschworen.

Wie schon gesagt, habe ich keinem Menschen, auch nicht Mrs. Crale, etwas von meiner Beobachtung angedeutet, aber ein Mensch hat meiner Ansicht nach das Recht, es zu wissen. Caroline Crales Tochter darf ihr Leben nicht auf einer Lüge aufbauen. So sehr die Wahrheit sie auch schmerzen mag -Wahrheit ist das höchste Gut.

Sagen Sie ihr bitte von mir, daß niemand ihre Mutter verurteilen darf. Ihr, der liebenden Frau, war zuviel zugemutet worden. Ihre Tochter muß das verstehen und ihr verzeihen.

5 Bericht von Angela Warren

Sehr geehrter Monsieur Poirot,

Ihrem Wunsche entsprechend, habe ich meine Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse, die nun über sechzehn Jahre zurückliegen, niedergeschrieben. Doch erst beim Schreiben wurde mir bewußt, an wie wenig ich mich noch erinnere. Ich erinnere mich verschwommen an Sommertage, an einzelne, unzusammenhängende Ereignisse, aber ich könnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, in welchem Jahre sie geschahen. Amyas' Tod kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, und ich scheine nichts von all dem gemerkt zu haben, was dazu führte.

Für mich waren Caroline und Amyas die wichtigsten Personen in meinem Leben, doch ich machte mir weder über sie, noch über das, was sie taten, fühlten und dachten, irgendwelche Gedanken. Auch Elsa Greers Besuch beeindruckte mich nicht besonders. Ich fand sie dumm und nicht einmal gutaussehend. Ich hielt sie für ein reiches, aber lästiges Mädchen, das von Amyas gemalt wurde.

Zum erstenmal fiel mir etwas auf, als ich eines Tages nach dem Mittagessen von der Terrasse aus hörte, wie Elsa sagte, sie werde Amyas heiraten. Es kam mir einfach lächerlich vor und ich erinnere mich noch, daß ich im Garten von Handcross Manor zu Amyas sagte: «Wie kann Elsa behaupten, sie würde dich heiraten, Amyas? Das geht doch nicht. Ein Mann kann doch nicht zwei Frauen haben, das wäre ja Bigamie, und dafür kommt man ins Gefängnis.»

Wütend fuhr mich Amyas an: «Wieso hast du denn das gehört?»

Ich sagte, daß ich es durch das Bibliotheksfenster gehört hätte. Noch wütender versetzte er, es sei höchste Zeit, daß ich ins Internat käme und nicht mehr lauschen könnte. Ich weiß heute noch, wie empört ich war, denn ich fand diese Unterstellung äußerst ungerecht.

Wütend erwiderte ich, daß ich nicht gelauscht hätte, und fragte ihn, wieso Elsa so etwas Blödes sagen könnte. Amyas antwortete, es sei nur ein Scherz gewesen. Das hätte mir genügen sollen, aber ich war nicht ganz befriedigt und sagte auf dem Rückweg zu Elsa: «Ich habe Amyas gefragt, wieso Sie behaupten konnten, Sie würden ihn heiraten, und er hat gesagt, es sei nur ein Scherz von Ihnen gewesen.»

Ich hatte erwartet, daß sie das ärgern würde, doch sie lächelte nur. Ihr Lächeln gefiel mir aber nicht. Ich ging dann ins Schlafzimmer zu Caroline, die sich gerade zum Essen umzog, und fragte sie unumwunden, ob es denn möglich sei, daß Amyas Elsa heirate.

An Carolines Antwort erinnere ich mich, als wäre es heute; sie muß mit großem Nachdruck gesprochen haben. «Amyas kann Elsa erst nach meinem Tod heiraten», sagte sie. Das beruhigte mich vollkommen. Ich war jedoch auf Amyas noch immer wütend wegen seiner Bemerkung am Nachmittag und stritt mich während des Abendessens ständig mit ihm, und nach dem Essen kam es zu einem richtigen Krach. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer und ging schluchzend zu Bett. An den Nachmittag bei Meredith Blake erinnere ich mich nur sehr dunkel, ich weiß nur noch, daß er aus Phaidon eine Beschreibung des Todes von Sokrates vorlas.

Ebensowenig erinnere ich mich an das, was am nächsten Morgen geschah, obwohl ich immer wieder darüber nachgedacht habe. Ich glaube, daß ich schwimmen ging und später gezwungen wurde, etwas zu nähen.

Doch all das ist sehr nebelhaft und undeutlich - bis zu dem Augenblick, da Meredith keuchend auf der Terrasse erschien. Er sah grau und merkwürdig aus. Ich erinnere mich, daß Elsa ihre Kaffeetasse fallen ließ, die zerbrach, und daß sie aufsprang und davonrannte. Sie sah schreckenerregend aus. Ich sagte dauernd zu mir: «Amyas ist tot!», aber ich konnte es nicht wirklich glauben. Dann kam Dr. Faussett, und Miss Williams kümmerte sich um Caroline. Ich ging verloren umher und stand allen im Weg; mir war elend zumute. Zur Schanze hinunter durfte ich nicht. Dann kam die Polizei, alles mögliche wurde notiert, und schließlich wurde Amyas' Leiche auf einer Bahre mit einem Leintuch zugedeckt ins Haus gebracht. Später holte mich Miss Williams in Carolines Zimmer. Caroline lag totenblaß auf dem Sofa. Sie küßte mich und sagte, sie wünsche, daß ich so schnell wie möglich fortginge, alles sei entsetzlich, aber ich solle nicht darüber nachdenken. Ich solle zu Lady Tressillian gehen. Ich umarmte Caroline und sagte, ich wolle nicht fortgehen, ich wolle bei ihr bleiben. Sie erwiderte, es sei aber besser für mich, fortzugehen, es würde ihr viel Sorge ersparen. Nun griff Miss Williams ein und sagte: «Du nützt deiner Schwester am meisten, Angela, wenn du ohne Widerrede ihren Wunsch erfüllst.»

So erklärte ich mich einverstanden, und Caroline sagte: «Du bist lieb, Angela.» Dann umarmte sie mich noch einmal. Als ich in die Halle hinunterkam, stellte ein Polizeiinspektor einige Fragen an mich. Er war sehr nett, wollte wissen, wann ich Amyas zuletzt gesehen hatte, und stellte noch viele andere Fragen, die mir damals überflüssig vorkamen, deren Wichtigkeit ich aber heute natürlich einsehe. Er fand, daß ich ihm nichts Neues mitteilen konnte, und sagte zu Miss Williams, daß er gegen meine Abreise nichts einzuwenden habe. Ich ging also fort, und Lady Tressillian nahm mich sehr liebevoll auf. Natürlich erfuhr ich bald die Wahrheit. Caroline wurde sofort verhaftet. Ich war so entsetzt darüber, daß ich sehr krank wurde.

Später hörte ich, daß sich Caroline meinetwegen große Sorgen mache, und auf ihr dringendes Verlangen hin wurde ich noch vor der Verhandlung ins Ausland geschickt. Das habe ich Ihnen ja schon mündlich mitgeteilt.

Wie Sie sehen, sind meine Erinnerungen sehr dürftig. Seit unserem Gespräch habe ich mir alles wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen, und ich kann nur wiederholen, daß Caroline es nicht getan hat.

Davon bin ich fest überzeugt und werde es immer sein, aber ich kann keinen andern Beweis als meine genaue Kenntnis ihres Charakters anführen.

DRITTES BUCH 

1 Folgerungen

Carla Lemarchant blickte auf; sie sah abgespannt und traurig aus. Mit einer müden Geste das Haar aus der Stirn streichend, sagte sie: «Es ist alles so verwirrend.» Sie wies auf die Berichte. «Jeder sieht meine Mutter anders, aber die Tatsachen sind die gleichen, darin stimmen sie alle überein.»