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«Das war also ein unglücklich gewähltes Verteidigungsargument?»

Fogg zuckte die Achseln. «Es war das einzige. Depleach konnte ja nicht gut behaupten, der Staatsanwalt habe keine Beweise gegen die Angeklagte vorgebracht; es waren nur zu viele. Sie hat selbst zugegeben, das Gift gestohlen zu haben Es gab also Tatsachen, Motiv und Gelegenheit.»

«Hätte man nicht zu beweisen versuchen können, daß alles böswillig arrangiert war?»

«Sie hat ja fast alles zugegeben, und außerdem wäre das an den Haaren herbeigezogen gewesen. Sie wollen anscheinend behaupten, daß jemand anderes den Mord begangen und ihn ihr in die Schuhe geschoben habe?»

«Halten Sie das für ausgeschlossen?»

«Leider ja. Sie glauben doch nicht etwa an den großen Unbekannten? Wo sollte man den finden?»

«In einem engen Kreis», antwortete Poirot. «Es waren fünf Leute, nicht wahr, die hineinverwickelt sein könnten?»

«Fünf? Warten Sie mal. Der alte Trottel mit seinen Kräutersäften, ein gefährliches Steckenpferd, aber ein völlig harmloser Mensch. Der ist bestimmt nicht der große Unbekannte. Dann Elsa Greer... die hätte vielleicht Caroline vergiften können, nie aber Amyas. Und dann der Börsenmakler -Crales bester Freund. Sowas ist in Detektivromanen beliebt, aber in der Wirklichkeit gibt es das nicht. Und sonst war weiter niemand da... ach ja, die kleine Schwester, aber an die denken Sie wohl nicht im Ernst? Das wären vier.»

«Sie haben die Gouvernante vergessen.»

«Ja, das stimmt. An die erinnere ich mich nur noch dunkel. So um die vierzig, schlicht, tüchtig. Ein Psychoanalytiker würde vielleicht herausfinden, daß sie eine sündige Leidenschaft für Crale empfunden und ihn daher umgebracht habe. Die unterdrückte alte Jungfer! Aber soweit ich mich an sie erinnere, war sie bestimmt kein neurotischer Typus.»

«Es ist schon lange her.»

«Fünfzehn bis sechzehn Jahre. Sie können also nicht von mir erwarten, daß ich mich noch an alle Einzelheiten erinnere.» Poirot widersprach: «Im Gegenteil, es ist erstaunlich, wie gut Sie sich erinnern. Sie sehen doch alles noch genau vor sich. Es würde mich sogar sehr interessieren, lieber Freund, wieso Sie sich noch an alles so gut erinnern können. Was sehen Sie so deutlich? Die Zeugen? Die Geschworenen? Den Richter? Die Frau auf der Anklagebank?»

Fogg antwortete ruhig: «Sie! Ich sehe sie immer vor mir... es ist etwas Merkwürdiges mit der Romantik. Und sie hatte etwas Romantisches an sich. Ich weiß nicht, ob sie wirklich schön war... sie war nicht mehr sehr jung... sie sah müde aus, hatte Ringe unter den Augen, aber alles drehte sich um sie, das ganze Interesse, das ganze Drama. Und doch war sie die halbe Zeit überhaupt nicht wirklich da. Sie war irgendwo anders, weit fort -nur ihr Körper war da; sie gab sich gelassen, ruhig, liebenswürdig, hatte ständig ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Es war alles abgetönt bei ihr, verstehen Sie, Licht und Schatten. Und doch war sie lebendiger als die andere, als das Mädchen mit dem vollendeten Körper, dem schönen Gesicht, der hemmungslosen Jugendkraft. Ich bewunderte Elsa Greer, weil sie Mark in den Knochen hatte, weil sie kämpfen konnte, weil sie die Folter über sich ergehen ließ, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber Caroline Crale bewunderte ich, weil sie nicht kämpfte, weil sie sich in ihre Welt mit den zarten Tönen zurückgezogen hatte. Sie wurde nicht besiegt, denn sie hatte keine Schlacht geliefert.» Er hielt einen Augenblick inne. «Ich weiß nur eines ganz bestimmt: sie liebte den Mann, den sie getötet hatte, sie liebte ihn so sehr, daß die Hälfte ihres Ichs mit ihm gestorben war...»

3 Der junge Anwalt

George Mayhew war unverbindlich und vorsichtig. Er erinnerte sich natürlich an den Fall, aber nicht sehr genau. Sein Vater habe ihn geführt, er selbst sei damals erst neunzehn Jahre alt gewesen. Ja, der Fall habe viel Staub aufgewirbelt. Crale war ja eine Berühmtheit gewesen. Seine Bilder waren ausgezeichnet, wirklich ausgezeichnet. Monsieur Poirot möchte es ihm nicht übelnehmen, aber er verstehe sein Interesse nicht... Ach so, die Tochter! Sie möchte es wissen? Aber was gab es denn da zu wissen? Es gebe ja die Prozeßberichte. Er selbst wisse wirklich nichts.

Leider bestehe wohl kaum ein Zweifel an Mrs. Crales Schuld. Es gebe natürlich gewisse Entschuldigungen. Diese Künstler... höchst schwierig, mit ihnen zu leben. Soviel er wisse, habe Crale ständig Frauengeschichten gehabt.

Und sie sei wahrscheinlich eine jener Frauen gewesen, die auf ihr Recht pochen, die sich nicht mit den Tatsachen abfinden können. Heutzutage hätte sie sich einfach von ihm scheiden lassen und wäre darüber hinweggekommen. Dann fügte er vorsichtig hinzu: «Und Lady Dittisham war, glaube ich, das Mädchen, um das es ging. Von Zeit zu Zeit bringen die Zeitungen etwas über sie. Sie war schon mehrmals vor dem Scheidungsrichter. Sie ist sehr reich, wie Sie wohl wissen werden. Vor Dittisham war sie mit einem berühmten Forschungsreisenden verheiratet. Sie steht immer im Rampenlicht der Öffentlichkeit; sie braucht das, nehme ich an.»

«Vielleicht ist sie eine Heldenverehrerin», warf Poirot ein. «Vielleicht», sagte Mayhew.

«War Ihr Herr Vater schon lange Mrs. Crales Anwalt gewesen?»

Mayhew schüttelte den Kopf. «Nein. Jonathan und Jonathan waren Crales Anwälte. Unter den gegebenen Umständen fand Mr. Jonathan, daß er nicht gut für Mrs. Crale eintreten könne, und so veranlaßte er meinen Vater, den Fall zu übernehmen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, Monsieur Poirot, sich mit Mr. Jonathan in Verbindung zu setzen. Er hat sich zwar zur Ruhe gesetzt - er ist über siebzig - aber er kennt die Familie Crale genau und kann Ihnen bestimmt wesentlich mehr sagen als ich. Ich war ja damals noch ein Jüngling, und ich glaube, ich war noch nie bei einer Verhandlung dabei gewesen.» Die beiden Herren erhoben sich, Mayhew schlug vor:    «Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Edmunds, unserem Bürovorsteher. Er war damals schon bei uns und hat sich für den Fall sehr interessiert.»

Edmunds sprach langsam und vorsichtig. Er musterte Poirot erst eine Weile, bevor er sich zum Sprechen entschloß; schließlich sagte er: «Ja, ich erinnere mich noch sehr gut an den Fall Crale», und fügte streng hinzu: «Es war eine unglückliche Angelegenheit. Es ist eigentlich schon zu lange her, um das alles wieder auszugraben.»

«Ein Gerichtsurteil ist nicht immer etwas Endgültiges. Mrs. Crale hat eine Tochter zurückgelassen, und diese Tochter ist von der Unschuld ihrer Mutter überzeugt. Könnten Sie mir irgend etwas sagen, was diesen Glauben unterstützt?» Edmunds überlegte und schüttelte schließlich langsam den Kopf. «Als gewissenhafter Mensch kann ich das nicht. Ich habe Mrs. Crale sehr geschätzt. Was sie auch getan haben mochte - sie war eine Dame! Die andere war ein Frauenzimmer, anders kann man sie nicht bezeichnen. Schamlos, unverschämt, das war sie, und sie machte auch gar kein Hehl daraus. Mrs. Crale aber war wie gesagt eine Dame.»

«Und doch eine Mörderin?»

Edmunds runzelte die Stirn und wurde auf einmal lebhaft. «Das habe ich mich oft gefragt. Sie wirkte so ruhig, freundlich und irgendwie zart auf der Anklagebank. <Ich kann es nicht glauben), habe ich mir wieder und wieder gesagt. Aber, Monsieur Poirot, man kann nichts anderes glauben. Dieser Schierlingssaft war nicht von selbst in Mr. Crales Bier gekommen. Jemand hat ihn hineingetan, und wenn Mrs. Crale es nicht getan hat, wer denn sonst?»