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»Wir?«

Anschis Augen blitzten auf. »Verdammt, ich habe keine Lust, mich mit dir um Worte zu streiten«, fauchte sie. »Ich bin für deine Gesundheit verantwortlich, nicht für dein Seelenheil, du Retter der unschuldig Verfolgten! Deine Quorrl-Freunde leben und erfreuen sich besserer Gesundheit als einige der Männer, über die sie hergefallen sind. Reicht dir das?«

»Nein«, antwortete Skar. »Was ist passiert? Wo ist Titch? Was habt ihr mit ihm gemacht?«

»Titch?« Anschi wiederholte den Namen des Quorrl auf eine Weise, als müsse sie erst darüber nachdenken, was er überhaupt bedeutete. Sie wollte Zeit gewinnen. Skar spürte, daß etwas geschehen war, was er nicht wissen durfte. Das ungute Gefühl, mit dem er erwacht war, steigerte sich zu Sorge um den Quorrl. Warnungslos trat er einen Schritt auf Anschi zu, packte sie an der Schulter und riß sie so grob herum, daß sie vor Schmerz und Schrecken einen leisen Schrei ausstieß. Ganz instinktiv versuchte sie nach ihm zu schlagen und keuchte ein zweites Mal vor Schmerz, als Skar den Hieb mit dem Unterarm abblockte, ohne ihre Schulter loszulassen.

»Was habt ihr mit ihm gemacht?« herrschte er sie an. »Antworte!« Er holte aus, nicht um sie wirklich zu schlagen, wohl aber, um damit zu drohen, aber Anschi kam nicht dazu, zu antworten, denn in diesem Moment wurde die Tür hinter ihr aufgestoßen, und Ian und zwei weitere Zauberpriester betraten den Raum. Aus Ians rechter Faust ragte der wuchtige Lauf eines Schläfers, der sich drohend auf Skar richtete.

»Laß sie los.«

Skar gehorchte. Er war nicht einmal besonders überrascht, den Zauberpriester wie auf ein Stichwort auftauchen zu sehen. Sie waren belauscht worden. In diesem Turm hatten die Wände nicht nur im übertragenen Sinne Ohren.

Anschi wich rasch ein paar Schritte vor ihm zurück und massierte ihre schmerzende Schulter, während Ian und seine beiden Begleiter sehr vorsichtig näher kamen. Auch die beiden anderen Zauberpriester trugen Waffen, deren Läufe sich jetzt drohend auf ihn richteten.

Skar lachte leise. »Sehr beeindruckend«, sagte er höhnisch. »Wirklich, Ian, du beginnst mir richtig angst zu machen.« In Ians Augen blitzte es wütend auf, und Skar fügte in gespielt erschrockenem Tonfall hinzu: »Ich meine es ernst, Ian. Dummköpfe haben mir schon immer angst gemacht. Sie neigen dazu, zu früh zuzuschlagen, weil sie Angst haben, ich könnte sie mit dem bösen Blick belegen oder so etwas.«

Ian holte aus, um ihm den Lauf der Waffe ins Gesicht zu schlagen, erstarrte aber dann mitten in der Bewegung und ließ den Schläfer schließlich sinken. In seinem Gesicht arbeitete es. Hätte er gekonnt, wie er wollte, hätte er ihn in diesem Moment getötet, das spürte Skar.

Aber der gefährliche Moment ging vorüber, ohne daß etwas geschah. Nach einer Sekunde ließ der Zauberpriester den Schläfer vollends sinken und gab auch seinen beiden Begleitern ein Zeichen, die Waffen fortzustecken.

»Komm mit«, befahl er. »Ennart will dich sehen.«

»Wo ist Titch?« beharrte Skar. Eine innere Stimme riet ihm dringend, den Bogen nicht zu überspannen, aber er ignorierte sie. Er war sich der Gefahr völlig bewußt, Ian doch noch zu einer Unbedachtsamkeit zu provozieren, aber er durfte nicht nachgeben. Ian war sein Feind, der jedes Zeichen von Schwäche gnadenlos ausnutzen würde.

»Du scheinst verdammte Sehnsucht nach einem Quorrl zu haben, der dich um ein Haar totgeschlagen hätte.«

»Titch hat mir das Leben gerettet, du Idiot«, sagte Skar kalt. Ian schlug ihm mit der flachen Hand über den Mund. Es tat weh, denn der Zauberpriester schlug mit aller Gewalt zu, und er war alles andere als ein Schwächling, aber Skar zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er spürte, wie seine Unterlippe aufplatzte und Blut über sein Kinn lief, aber er lächelte nur. Ians Gesicht flammte jähzornig auf, aber er schlug nicht noch einmal zu. Seine Hände zitterten.

»Wo ist Titch?« beharrte Skar.

»Das wissen wir nicht«, sagte einer der beiden anderen Zauberpriester. Er sprach hastig, und er sah Ian dabei an, nicht Skar. Trotzdem spürte Skar, daß es die Wahrheit war. Mit einem fragenden Blick wandte er sich an den grauhaarigen Mann.

»Die Quorrl wurden fortgebracht. Alle. Ich weiß nicht, wohin.«

Ian starrte den Zauberpriester fast haßerfüllt an, schwieg aber. »Er sagt die Wahrheit, Skar«, mischte sich Anschi ein. »Es hat... ein paar Tote gegeben, nicht nur unter den Quorrl. Ennart hielt es für besser, sie wegzuschicken. Sie sind unberechenbar.« Oder ein bißchen zu gut, fügte Skar in Gedanken hinzu. Aber das sprach er lieber nicht aus. Er glaubte plötzlich zu wissen, was hier geschehen war. Und es machte ihm angst.

Die Spuren der Kämpfe waren unübersehbar, obwohl Ennarts Männer sich alle Mühe gegeben hatten, sie zu beseitigen. Auf dem Weg nach unten sah Skar weder Tote noch Verwundete, aber er war zu lange Krieger gewesen, um die Zeichen nicht zu lesen, die sie übersehen hatten: ein kleiner Stoffetzen hier, die Reste eines nicht völlig entfernten Blutfleckes da, das Stück einer zerbrochenen Waffe in einem Winkel, eine graugrüne, gesplitterte Schuppe im Spalt einer Tür... Ein paar Quorrl, die durchgedreht hatten? Lächerlich. In diesem Turm hatte eine Schlacht getobt. Und wenn er Ians Nervosität und die Tatsache in Betracht zog, daß er und seine Brüder bis an die Zähne bewaffnet waren, dann schien ihr Ausgang keineswegs hundertprozentig festgestanden zu haben.

Er hatte damit gerechnet, Ennart in einer Art Thronsaal vorzufinden, aber der Ssirhaa überraschte ihn abermals. Sein Quartier war kaum größer als Skars und um keinen Deut bequemer oder gar luxuriöser eingerichtet. Alles war ein wenig größer und stabiler als in seiner Unterkunft, wie es bei einem Wesen von mindestens fünfhundert Pfund Gewicht und acht Fuß Körpergröße zu erwarten war, aber er sah keine Pracht und keinerlei magische Gerätschaften oder Maschinen. Wie in seinem eigenen Quartier war der größte Teil der Einrichtung eher primitiv; Stühle und Truhen, die in einem x-beliebigen Haus in Ikne oder Denwar vielleicht prunkvoll gewirkt hätten, im Inneren dieses Turmes aber schäbig, allenfalls deplaciert aussahen. Jemand hatte versucht, zwei Welten zu einer zu machen, aber die Teile paßten nicht zusammen.

»Wir verschwenden das bißchen Wissen, das wir errungen haben, nicht dazu, Luxus zu schaffen«, sagte Ennart in seine Gedanken hinein.

Skar sah überrascht auf. Er war sicher, nichts gesagt zu haben. Der Ssirhaa lächelte. »Keine Sorge. Ich lese nicht in deinen Gedanken. Aber deine Überraschung war unübersehbar.« Er seufzte. »Es wäre noch karger, hätten die Ehrwürdigen Frauen von Elay diesen Ort nicht ein wenig wohnlich hergerichtet.« Skar sah überrascht zu Anschi auf, aber die Errish wich auch seinem Blick aus.

»Oh, sie kannten ihn«, fuhr Ennart in leicht belustigtem Ton fort. »Natürlich wußten sie nichts von seiner wahren Bedeutung und der Macht, die in ihm schlummert. Für sie war es nur eine Ruine. Ein heiliger Ort. Das hier ist das Tal der Drachen, vergiß das nicht. Die Heimat der Errish. Die Margoi selbst kam oft hierher, um zu meditieren. Das Zimmer, das ich dir zugewiesen habe, gehörte einst ihr.«

»Ich weiß die Ehre zu schätzen«, sagte Skar spöttisch. »Warum erweist du mir nicht noch einen Dienst und gibst mir auch ihren Schlüssel zum Tor?«

Ennart schüttelte tadelnd den Kopf und überging den Einwurf. Statt zu antworten, machte er eine Geste auf einen Stuhl. Diesmal war Skar nicht zu stolz, die Einladung anzunehmen. Allerdings kam er sich lächerlich vor, als er Platz nahm. Der Stuhl war für Ennart gemacht und so hoch, daß er mehr darauf kletterte, als er sich setzte.

Ennart schickte Ian und seine beiden Begleiter hinaus, schüttelte aber rasch den Kopf, als auch Anschi sich entfernen wollte. Die Errish blieb neben der Tür stehen und senkte den Blick. Skar sah ihr deutlich an, wie unbehaglich sie sich in der Nähe des Ssirhaa fühlte.