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»Es freut mich, dich unverletzt zu sehen«, sagte Ennart, als Ian und die beiden Zauberpriester gegangen waren. »Du mußt durstig sein. Trink.« Er reichte Skar einen Zinnbecher, der süßlich riechenden Wein enthielt und auf einer Seite eine daumentiefe Beule aufwies. Skar trank einen winzigen Schluck, spürte plötzlich, wie durstig er war und leerte den Rest in einem Zug. Ennart lächelte amüsiert, machte aber keine Anstalten, seinen Becher neu zu füllen, sondern ließ sich auf einen der anderen Stühle sinken.

Für Sekunden wurde es auf eine unangenehme Weise still. Skar hatte dem Ssirhaa hundert Fragen stellen wollen, aber sein Kopf war mit einem Male wie leergefegt, wie jedes Mal, wenn er ihm gegenüberstand. Die uralte Technik dieses Turmes mochte versagen, aber die Macht des Ssirhaa war von anderer, dauerhafterer Art. Und trotz aller Fremdartigkeit war etwas an ihr, das er... kannte? Plötzlich war er sicher, daß es nicht das erste Mal war, daß er einem Wesen wie Ennart begegnete, einem Wesen, das nach Belieben...

Der Gedanke entglitt ihm und gesellte sich zu dem Wust von verlorenem Wissen hinter dem Spinnennetz in seinem Bewußtsein. Sein Zorn auf Ennart stieg, aber schon in der nächsten Sekunde hatte er beinahe vergessen, warum er überhaupt zornig war.

»Hast du über das nachgedacht, was ich dir vor zwei Tagen sagte?« begann Ennart schließlich.

Kein Wort über das, was geschehen war, dachte Skar verblüfft. Kein Wort über die Quorrl und Titch. Für was für einen Narren hielt ihn Ennart?

»Das habe ich«, antwortete er mühsam beherrscht. »Ich glaube, du kennst die Antwort.«

»Vielleicht möchte ich sie trotzdem hören. Aus deinem Mund.«

»Nein«, antwortete Skar. »Die Antwort lautet: Nein. Jetzt erst recht.«

»Jetzt?«

»Nach dem, was du mit den Quorrl getan hast«, sagte Skar. »Was war das? Ein Versehen? Oder ein Test, der besser gelungen ist, als du gedacht hast?«

»Etwas von beidem«, gestand Ennart ungerührt. »Ein unglückseliger Zwischenfall, der sich nicht wiederholen wird.«

»Nicht, bis es soweit ist, nicht wahr?« sagte Skar. »Bis ihr sie nicht mehr braucht.«

Seltsamerweise schienen seine Worte Ennart eher traurig als wütend zu stimmen. Für die Dauer von zwei, drei endlosen Atemzügen sah er Skar nur an, dann stand er auf und hob die Hand. »Komm.«

Skar kletterte von seinem Stuhl herunter, und auch Anschi schloß sich ihnen wieder an, als sie das Zimmer durch eine andere Tür verließen. Ein kurzer, unbeleuchteter Korridor nahm sie auf, der nach einem knappen Dutzend Schritten vor einer halbrunden Tür endete, an der Ennart sich sekundenlang zu schaffen machte, ehe sie sich teilte und die beiden Hälften mit einem hörbaren Zischen in die Wände zurückwichen.

Dahinter lag...

Es war wie ein Schlag, Hinter der Tür stand der Daij-Djan, die Sternenbestie, riesig, schwarz, spinnengliedrig und ohne Gesicht, die fürchterlichen Klauen drohend ausgestreckt, um jeden zu packen und zu zerreißen, der diese Tür durchschreiten sollte. Skar prallte mit einem Schrei zurück, suchte instinktiv nach einer Waffe und bemerkte erst dann, daß die Bestie nicht lebendig war.

Sie hatte auch nie gelebt.

Das Ungeheuer, das schwarz und drohend über Ennart aufragte, war eine Statue aus Stein oder Metall, doppelt so groß wie ihr Vorbild, so daß sie selbst Ennart noch überragte, und so perfekt gearbeitet, daß sie selbst jetzt noch etwas Lebendiges zu haben schien, als Skar ihre wahre Natur erkannt hatte.

Der Ssirhaa sah Skar amüsiert an und lächelte, aber er wirkte nicht ganz überzeugend. Skars Erschrecken irritierte ihn sichtlich. Aber er ersparte sich jeden Kommentar, sondern machte nur eine einladende Geste und berührte gleichzeitig wie zufällig mit der anderen Hand die gigantische Metallskulptur; wohl, um Skar damit noch einmal zu beweisen, daß sie harmlos war. Mit klopfendem Herzen trat Skar an Anschi und Ennart vorüber und sah sich um. Ein körperloser, eisiger Hauch schien seine Seele zu streifen, als er begriff, daß diese Kammer nicht irgendein Raum war, sondern das Herz des flüsternden Turmes, das Zentrum seiner zerstörerischen finsteren Macht, und der Ennarts.

Der Raum war nicht sehr groß und hatte die Form einer Halbkugel. Anders als der Rest dieses alptraumhaften Klotzes aus Stahl bestanden seine Wände und die gewölbte Decke aus zyklopischen schwarzen Steinquadern, die nur roh bearbeitet und ohne Mörtel aufeinandergesetzt waren. Die Luft roch nach Staub und unglaublichem Alter, und als Skar einen weiteren Schritt machte und abermals stehenblieb, glaubte er zu fühlen, wie die ungezählten Jahrzehntausende sich gleich einer erdrückenden Last auf ihn herabsenkten. Dieser Ort war alt. Unvorstellbar alt. Älter als dieser Turm, der über ihm errichtet worden war. Älter als Ennart und sein Volk. Vielleicht so alt wie diese Welt.

Und es war ein Tempel. Das Sanktuarium einer untergegangenen Welt, die alt gewesen war, ehe Menschen auf diesem Planeten erschienen, oder Ssirhaa. Vielleicht der einzige wirkliche Tempel, den es auf dieser Welt gab, denn die Götter, die hier verehrt worden waren, waren wirklich. Es hatte sie gegeben, und es gab sie noch. Etwas war hier. Nicht greif- oder sichtbar, aber so deutlich zu spüren, daß Skar sich innerlich krümmte. Die Macht dieser vergangenen Wesen war noch immer fühlbar, durchwob jedes Molekül in diesem Raum mit unsichtbaren Linien pulsierender Energie, einer Präsenz, die so intensiv war, daß sie fast weh tat. Spürte Ennart es denn nicht?

Skar sah den Ssirhaa an, aber in den riesigen Augen des Quorrl-Gottes stand nur Triumph geschrieben; und jener lauernde, verborgene Ausdruck, den Skar schon einmal darin bemerkt hatte. Plötzlich begriff er, daß der Ssirhaa die Anwesenheit des fremden Bewußtseins nicht fühlte; nie etwas von ihr gewußt hatte, weil sie sich vor ihm verschloß. Und er begriff noch etwas: der Ssirhaa hatte seinen ersten, wirklichen Fehler begangen, als er ihn hierher brachte.

»Was ... ist... das?« flüsterte er. Seine Stimme bebte vor Ehrfurcht. Etwas ... tastete nach seinem Bewußtsein, griff wie mit eisigen Spinnenfingern in seine Gedanken und zog sich wieder zurück, zu rasch, als daß Skar mehr als den flüchtigen Eindruck einer unendlichen Fremdartigkeit gewinnen konnte. Er fror plötzlich.

Anstelle einer Antwort hob Ennart die Hand und deutete auf einen nur kniehohen, schwarzen Block aus Basalt, der sich in der Mitte des kuppelförmigen Raumes erhob. Auf der Oberseite dieses sonderbaren Altarsteines stand ein Zylinder aus Metall, aus dem ein schwaches, düsterrotes Glühen drang. Skar hatte den flüchtigen Eindruck von Bewegung, die sich seinem Blick auf unheimliche Weise immer wieder zu entziehen schien. Er zögerte. Sein Blick glitt über die Wände aus schwarzem Stein, die titanische Statue des Daij-Djan und wieder über den Altar, aber es kostete ihn alle Kraft, auch nur einen einzigen Schritt zu tun. Das Pulsieren unsichtbarer Energie schien stärker zu werden. Er glaubte ein Flüstern zu hören, ein Locken, das gleichzeitig Warnung war, Furcht und Haß, Sehnsucht und Zorn, alles zugleich und doch nichts von alledem ...

»Geh«, sagte Ennart leise. Seine Stimme schien vom Schwarz der Wände aufgesogen zu werden, hatte kein Echo, keinen Nachhall. Skar machte einen halben Schritt zur Seite. Ennarts Lippen bewegten sich wieder, aber diesmal hörte er keinen Laut. Erst, als der Ssirhaa den Kopf ein wenig drehte und wieder genau in seine Richtung sprach, verstand er die dritte Aufforderung, sich dem Altar zu nähern. Er erinnerte sich, etwas Ähnliches schon einmal erlebt zu haben, vor zahllosen Jahren, auf der Eisinsel des Dronte. Damals war er mit Del in einer Eishöhle gewesen, die ihre Stimmen auf die gleiche, angstmachende Weise gefressen hatte wie der schwarze Basalt dieses Tempels. Hatte er auch damals die Nähe dieses uralten Bewußtseins verspürt? Er wußte es nicht mehr.