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Der Ssirhaa folgte ihm im gleichen Tempo, in dem er vor ihm zurückwich. Er hätte ihn mit einem einzigen schnellen Schritt erreichen können, aber er schien es plötzlich gar nicht mehr eilig zu haben; so als zögere er den Augenblick, in dem er Skar töten würde, absichtlich hinaus. Es waren nur noch Sekunden, die ihm blieben; zwei, allerhöchstens drei Schritte, bis Ennart ihn in die Ecke gedrängt hatte, aus der es kein Entkommen mehr gab. Sein Fuß stieß gegen etwas Hartes. Metall klirrte, und als Skar für den Bruchteil einer Sekunde den Blick senkte, sah er den zersplitterten Stumpf des Schwertes, das Ennart ihm aus der Hand geschlagen hatte.

Der Ssirhaa lächelte böse. Heb es auf, sagte sein Blick. Warum bückst du dich nicht und versuchst es? Und für einen ganz kurzen Moment war Skar sogar versucht, es zu tun. Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, wäre er im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen. Vielleicht wäre es den übermenschlich schnellen Bewegungen eines Satai möglich gewesen, sich zu bücken, das Schwert zu ergreifen und sich zur Seite zu werfen, ehe ihn der tödliche Hieb traf, aber er war kein Satai in diesem Moment, und der Ssirhaa schien dies ganz genau zu wissen. Der Anblick der Waffe, die zum Greifen nahe und doch unerreichbar weit vor Skars Füßen lag, schien ihn zu amüsieren. In dem Blut und Schmerz auf seinem goldenen Gesicht erschien ein böses, abgrundtief böses Lächeln. Es war kein Zufall, daß er sich nicht seiner gewohnten Kräfte bedienen konnte, dachte Skar erschrocken. Es war auch nichts an dem Ssirhaa. Es war etwas, was er tat.

Und dann geschah etwas Entsetzliches. Für einen kurzen Moment, zu kurz, um sicher zu sein, ob er es wirklich gesehen hatte oder ob ihm seine Nerven einfach einen Streich spielten, schien Ennarts Gesicht zu zerfließen. Die goldenen Schuppen flirrten und wogten wie ein Spiegelbild auf klarem Wasser, und darunter glaubte Skar ein zweites Gesicht zu sehen, ein Antlitz wie das eines Menschen, aber nicht ganz, schmal, grausam, mit Augen, in denen sich nichts als Zorn und das Feuer eines Hasses wiederspiegelten, das seit Millionen Jahren brannte.

Das Trugbild erlosch so schnell, wie es gekommen war. Aber das böse Glühen in Ennarts Augen war heller geworden, sein Lächeln triumphierend, als hätte er Skar im letzten Moment seines Lebens zeigen wollen, gegen wen er wirklich kämpfte, wer der Feind war, der eine ganze Welt zum Narren hielt. Er lachte gellend, hob die Faust und schlug zu.

Bruder! dachte Skar.

Neben dem Ssirhaa erschien ein Schatten. Ennart registrierte die Bewegung aus dem Augenwinkel, führte seinen Schlag nicht zu Ende und fuhr herum, um statt Skar Titch niederzuschlagen. Aber es war nicht Titch.

Vor ihm stand der Daij-Djan. Und diesmal konnte der Ssirhaa ihn sehen.

Ennart erstarrte. Sein Mund öffnete sich wie zu einem Schrei, aber er gab keinen Laut von sich. Seine Augen schienen vor Entsetzen aus den Höhlen zu quellen, als er auf das kleine, tödliche Insekten-Ding vor sich herabstarrte, und auf seinen Zügen erschien ein Ausdruck so abgrundtiefen Grauens, wie Skar ihn niemals zuvor bei einem lebenden Wesen erblickt hatte. Der Daij-Djan hob eine seiner tödlichen Klauen.

Skar ließ sich fallen, packte den Griff des zersplitterten Schwertes und schrie, so laut er konnte: »NEIN! TU ES NICHT!« Die Bewegung des Daij-Djan brach ab. Seine Kralle verharrte Millimeter vor Ennarts Kehle, und die glatte Fläche seines Gesichtes wandte sich Skar zu; fragend, verwirrt, aber auch zornig, als er begriff, daß er betrogen worden war. Und auch Ennart drehte erschrocken den Kopf und sah auf ihn herab.

Skar packte den Schwertgriff mit beiden Händen, sprang auf und rammte dem Ssirhaa die Waffe bis ans Heft in den Leib. Ennart keuchte vor Schmerz. Er taumelte zurück, schlug Skars Hände in einem blinden Reflex zur Seite und umklammerte den Schwertgriff, der aus seinem Unterleib ragte. Schreiend vor Schmerz brach er in die Knie, riß mit einer letzten, gewaltigen Kraftanstrengung die Waffe aus der furchtbaren Wunde und starb. Er war tot, noch bevor er zur Seite kippte.

Langsam drehte sich Skar herum. Der Daij-Djan stand noch immer da, schweigend, zornig, ein schwarzes Bündel aus Horn und loderndem Haß, das um seine Beute geprellt worden war. Skars Blick suchte Titch. Der Quorrl lag nur wenige Schritte entfernt. Er lebte, war aber offensichtlich ohne Bewußtsein. Gut. Hastig wandte er sich wieder an den Daij-Djan. »Geh«, sagte er. Gehen, Bruder? Selbst das lautlose Flüstern in seinen Gedanken klang wütend. Du hast mich gerufen. Ich habe dir gesagt, was geschieht, wenn du dies tust. Du gehörst mir.

»Nein, du Bastard«, antwortete Skar. »Noch nicht. Vielleicht, wenn du für mich tötest. Wenn du es tust, weil ich es will. Aber das hast du nicht.«

Du hast mich betrogen, Bruder, wisperte der Daij-Djan. Aber das wird dir nichts nutzen. Und es wird dir nicht noch einmal gelingen.

»Wir werden sehen.«

Du wirst dafür bezahlen. Niemand betrügt den Tod zweimal. Der Schatten verschwand, so lautlos und schnell, wie er gekommen war.

7.

»Kannst du aufstehen?«

Skar mußte die Frage zweimal stellen, ehe Titch überhaupt darauf reagierte. Der Quorrl versuchte es, aber sein rechtes Bein knickte unter dem Gewicht seines Körpers weg. Er fiel so schwer auf das Knie zurück, daß er vor Schmerz aufstöhnte.

Skar unterdrückte den Impuls, die Hände auszustrecken, um ihm zu helfen. Der Quorrl war viel zu schwer, als daß er ihn hochheben könnte; und er befand sich in einem Zustand, in dem er vollkommen unberechenbar und wahrscheinlich gefährlich war, auch für ihn. Reglos sah er zu, wie Titch erneut versuchte, auf die Beine zu kommen und sich schließlich an den Überresten des zerbrochenen Tisches in die Höhe zog. Er wankte, aber er stand aus eigener Kraft. Sein Blick irrte wild durch den Raum, huschte hierhin und dorthin, huschte über Skars Gesicht und blieb schließlich an Ennarts Leichnam hängen.

»Du hast ihn ... getötet«, murmelte er.

Skar war nicht einmal sicher, daß es so gewesen war. Der Ssirhaa lag mit dem Gesicht nach unten da, aber er hatte den Ausdruck tödlichen Entsetzens nicht vergessen, der sich in die Züge des Quorrl-Gottes eingegraben hatte, als er starb. Vielleicht war es nicht einmal seine Klinge gewesen, die ihn getötet hatte, sondern der bloße Anblick des Daij-Djan.

Einen Moment lang überlegte er ernsthaft, Titch zu erzählen, was wirklich passiert war, verscheuchte diesen Gedanken dann aber wieder. Irgendwann einmal würde er es tun. Vielleicht. »Wirst du gehen können?« fragte er.

»Gehen?« Titchs Blick flackerte. Etwas wie Wahnsinn starrte Skar an, als er in seine Augen sah. »Aber wohin denn?« Seine Hände öffneten und schlossen sich in unablässigen, kraftvollen Bewegungen. Er zitterte am ganzen Leib. Der Quorrl stand kurz vor dem Zusammenbruch, nicht nur körperlich.

Skar deutete auf den toten Ssirhaa, dann zum Fenster. »Zuerst einmal raus hier, egal wohin. Ehe sie merken, was passiert ist.« Titch hörte seine Worte gar nicht. Seine Hände bewegten sich noch immer, und das Zittern seiner Glieder war stärker geworden. »Er ... war kein Gott«, flüsterte er. Er starrte Skar an. Sein Blick war wie ein stummer Schrei. »Sie ... sie haben uns belogen, Skar. Sie haben uns all die Zeit über belogen. Sie ... sie wollen uns vernichten, so wie euch.«