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Anschi deutete nach links. »Dort. Der große Raum hinter der letzten Tür. Kommt!« Sie lief los, blieb nach zwei Schritten wieder stehen und sah verwirrt zu Skar zurück, der sich nicht bewegt hatte. Auch Titch und Kiina sahen ihn irritiert an. Der Quorrl machte eine hilflose, fragende Handbewegung.

Beinahe widerwillig setzte sich Skar in Bewegung. Sie erreichten die Tür, auf die Anschi gedeutet hatte, völlig unbehelligt, aber das Lärmen und Schreien wurde lauter. Manchmal lief ein schwaches, aber lang anhaltendes Zittern durch den Boden. Die Errish machte eine Geste, zurückzubleiben. Gehorsam preßten sie sich gegen die Wand beiderseits der Tür, aber Titchs Vertrauen zu Anschi schien nicht halb so weit zu reichen wie das Skars: die Tür war noch nicht zur Hälfte auf geglitten, als er mit einem Schritt neben sie trat und ihr die Hand auf die Schulter legte. Anschi fuhr zusammen und starrte den riesigen Quorrl zornig an, verbiß sich aber jeden Kommentar.

Hintereinander betraten sie einen riesigen, gewölbten Raum. Skar sah sich staunend um. Es war nicht mehr zu erkennen, welchem Zweck die Halle einmal gedient haben mochte. Sie war groß wie der Palast eines Königs, von halbrunder Form und völlig leer. Die nördliche Wand fehlte, so daß der Blick ungehindert bis zu den Bergen reichte. Im ersten Moment vermutete Skar, daß sie mit jenem unsichtbarem Glas verschlossen sein konnte, das er auch in seinem und Ennarts Zimmer gesehen hatte; aber dann spürte er den Wind, der von draußen hereinwehte. Er trug Schreie mit sich.

Ein halbes Dutzend Daktylen hockte auf dem spiegelnden schwarzen Boden. Eines der Tiere sah träge hoch, als es das Geräusch ihrer Schritte hörte, die anderen nahmen keine Notiz von ihnen und schienen zu dösen. Es war kein Mensch zu sehen. »Wo sind die Wachen?« murmelte Titch. Er sah sich mißtrauisch um, ohne Anschis Schulter loszulassen, und fauchte noch einmaclass="underline" »Wo sind sie?«

»Ich habe keine Ahnung!« Anschi versuchte sich vergeblich loszureißen. Skar gab dem Quorrl ein Zeichen, etwas weniger grob zu sein, ging in respektvollem Abstand um die Daktylen herum und trat an die Öffnung in der Wand. Behutsam ließ er sich auf die Knie sinken und beugte sich vor.

Im ersten Moment schwindelte ihn, als er in die Tiefe sah. Der Innenhof des Turmes schien Meilen unter ihnen zu liegen; ein winziges Rechteck voller noch winzigerer, hin und her hastender Gestalten.

Und da war noch etwas ...

Das Ding war da. Die Kreatur aus dem Tempel war frei, und er spürte ihre Anwesenheit wie die Bewegung riesiger unsichtbarer Schattenarme, die gierig über den Hof tasteten...

Er sah auf, als Titch neben ihn trat. Seine Gefühle mußten sich deutlich auf seinem Gesicht abzeichnen, denn der Quorrl erschrak sichtlich, als er in sein Gesicht blickte, und beugte sich hastig vor »Was, zum Teufel, geht da vor?« knurrte Titch, nachdem er ebenfalls einen Blick in die Tiefe geworfen hatte.

Skar richtete sich auf und trat hastig ein paar Schritte von der Wand zurück. »Ich fürchte, wir haben ein bißchen mehr getan, als den Ssirhaa zu erschlagen«, murmelte er. »Dieses ganze verdammte Ding bricht zusammen.«

Mit einer fragenden Geste wandte er sich an Anschi. »Welches Tier ist das Kräftigste?«

Die Errish deutete ohne zu zögern auf die Daktyle, die bei ihrem Eintreten aufgesehen hatte. Die Echse beobachtete sie auch jetzt noch.

»Gut«, sagte Skar. »Titch, du und Anschi werdet dieses Tier nehmen. Ich ... komme nach, sobald ich kann.«

»Nach?« Titch verstand nicht gleich. »Was soll das heißen?« Skar dachte an die unsichtbare Bewegung unten im Hof und schauderte. Er hatte Angst. Aber er hatte keine Wahl. »Ich muß ... noch einmal zurück«, sagte er zögernd. Es war frei. Es war frei, und es würde über diese Welt herfallen wie ein ausgehungertes Raubtier über seine Beute. Er hatte entsetzliche Angst, aber er konnte noch nicht gehen.

»Zurück?« ächzte Titch. »Bist du von Sinnen? Sie werden dich ...«

»Sie werden genug damit zu tun haben, zu begreifen, was überhaupt passiert ist«, unterbrach ihn Skar. »Verschwindet. In dem Durcheinander habt ihr eine gute Chance. Nehmt diese Daktyle und flieht in die Berge. Wir treffen uns dort.«

»Ich gehe nicht ohne dich«, sagte Kiina erschrocken. Skar setzte zu einer scharfen Antwort an. Aber dann blickte er in Kiinas Gesicht und begriff, daß Worte nichts nutzen würden. »Titch.«

Kiina fuhr herum, aber ihre Bewegung war nicht schnell genug. Der Quorrl packte sie, hob sie wie ein Kind in die Höhe und hielt sie mühelos fest. Kiina kreischte vor Zorn und strampelte wild mit den Beinen, aber Titch schien ihre Tritte nicht einmal zu spüren.

»Nimm sie mit«, sagte Skar. »Versteckt euch irgendwo, und sorge dafür, daß sie still ist. Wenn ich bis zum Abend nicht bei euch bin, dann flieht ohne mich.« Wenn es dann noch etwas gab, wohin zu fliehen sich lohnt, dachte er.

»Niemals!« schrie Kiina hysterisch. »Laß mich los, du Ungeheuer.«

Titch ignorierte sie. »Ich hoffe, du weißt, was du tust«, sagte er leise. »Ich habe meine Seele für dich geopfert, Satai.«

»Ich weiß«, antwortete Skar ernst. »Um so wichtiger ist es, daß du tust, was ich sage. Oder willst du, daß dein Opfer umsonst war?« Er wollte sich umdrehen und gehen, aber diesmal war es Anschi, die ihn zurückhielt.

»Ich begleite dich«, sagte sie.

Skar widersprach nicht. Er war im Gegenteil froh, daß Anschi ihm dieses Angebot machte. Er hatte es nicht gewagt, sie darum zu bitten. Trotzdem zögerte er einen Moment.

»Es wird ... dich umbringen«, sagte er.

»Vielleicht«, widersprach Anschi. »Vielleicht auch nicht. Ich begleite dich, basta. Du findest ohne mich ja nicht einmal den Weg nach unten.«

»Du traust ihr?« fragte Titch überrascht.

Skar nickte nur. Sie hatten keine Zeit für lange Erklärungen.

9.

Es war überraschend leicht, die Etage zu erreichen, in der Ennarts Gemach lag. Sie begegneten ein paar Menschen auf dem Weg nach unten, aber niemand nahm Notiz von ihnen. Vielleicht war es die Gegenwart der Errish, die ihn schützte, vielleicht war es auch einfach so, daß kaum jemand ihn kannte; er hatte sein Gemach ja nur ein einziges Mal verlassen, um zu Ennart zu gehen. Der Lärm und die Schreie nahmen zu, je näher sie dem Hof kamen, und als Skar im Vorüberhasten einen Blick aus dem Fenster warf, sah er, daß sich der Bereich vor dem Tor in einen Hexenkessel verwandelt hatte: Menschen und Tiere rannten scheinbar kopf- und ziellos durcheinander, und an mehreren Stellen war Feuer ausgebrochen. Der mechanische Herzschlag des Turmes klang jetzt anders; unregelmäßiger und mühsamer, manchmal unterbrochen von einem düsteren, mahlenden Knirschen und Poltern oder dem Grollen weit entfernter, aber mächtiger Explosionen. Der Ssirhaa mußte viel mehr Teil dieser uralten Maschinerie gewesen sein, als Skar bisher angenommen hatte. Es war sein Geist gewesen, der sie zum Leben erweckt hatte. Und sie starb mit ihm.