»Wir reiten übermorgen nach Tucuman. Dort kann ich Ihnen alles Nötige besorgen. Einige Cambas, welche wir mitnehmen, können Ihnen dann die Sachen bringen.«
»Verstehen Sie sich denn auf solche Einkäufe?«
»Ich denke wohl,« lächelte der Vater Jaguar. »Sehen Sie sich dieses Megatherium genau an! Besitzt irgend ein Teil oder auch das kleinste Teilchen eine falsche, unrichtige Lage?«
»Nein. Es ist alles so genau am Platze, als ob die Sündflut erst gestern gewesen wäre.«
»So sage ich Ihnen, daß dieses Gerippe, als wir es ausgruben, einen wirren Haufen von Knochen bildete.«
»Wie? Sie haben es ausgegraben?«
»Ausgegraben und zusammengestellt. Sie meinen doch nicht etwa, daß es seit der Sündflut hier zwischen den Büschen gestanden hat?«
»Dann - sind - Sie ja - ein ganz ausgezeichneter Geolog und Paläontolog!« rief der Kleine aus, indem er zwischen den Wörtern Pausen des Erstaunens machte.
»Wenn auch das nicht; aber wenn ich ein Megatherium fehlerlos zusammenzusetzen verstehe, bin ich wahrscheinlich auch im stande, Ihnen in Tucuman alles einzukaufen und zu senden, was zum Präservieren und Verpacken dieser Knochen gehört.«
»Davon bin ich vollständig überzeugt. Also Sie reisen von hier ab? Schon übermorgen?«
»Ja.«
»Wohin?«
»Hinauf nach der Barranca del Homicidio.«
»Wie gern möchte ich mit! Aber Sie sehen ein, daß mir dies nun vollständig unmöglich ist. Meine Anwesenheit ist hier ungeheuer notwendig, und auch Fritze muß hier bleiben.«
»Ich begreife es und werde Sie den Cambas empfehlen, auf deren Freundschaft Sie sich verlassen können.«
Nach diesen Worten entfernte er sich und gab auch den andern einen Wink, den Gelehrten und seinen Diener jetzt bei dem Skelette allein zu lassen.
Es fiel Morgenstern gar nicht ein, sich zu bedanken oder auch nur zu fragen, wie der Vater Jaguar denn eigentlich auf den Gedanken gekommen sei, das Megatherium für ihn auszugraben. Er war so sehr mit seinem wertvollen Funde und dessen Einzelheiten beschäftigt, daß er zunächst für etwas andres gar keine Gedanken hatte. Er betrachtete und betastete die einzelnen Knochen zum zehnten- und zum hundertstenmal und sprach dabei unaufhörlich erklärend auf Fritze ein, welcher die Feuer immerfort schüren mußte, damit das Faultier ja im hellsten Lichte strahle.
Der Vater Jaguar aber sagte zu Geronimo, als sie mit den andern nach dem Lagerplatz zurückgekehrt waren und sich dort niederließen:
»Ich habe meinen Zweck erreicht. Dieser Gelehrte wird uns mit seinem Diener keinen Schaden mehr machen. Die beiden bleiben hier fest kleben. Ich glaube, sie ließen sich von zehn Pferden nicht fortziehen.
Wir können also ruhig hinauf in die Berge, ohne befürchten zu müssen, daß sie uns wieder einen ihrer Eulenspiegelstreiche spielen.«
»Und du willst nicht direkt nach Salta, sondern über Tucuman?«
»Ja. Über Salta müßten wir reiten; der weite Weg würde die Pferde ermüden, wodurch wir nur langsam vorwärts kämen. In Tucuman aber verkaufen wir die Pferde und fahren mit der Diligence weiter. Das geht wie ein Wetter, weil die Pferde oft gewechselt werden. In Salta aber nehmen wir Maultiere, welche in den Bergen unvermeidlich sind.«
»Von wem?«
»Von Rodrigo Sereno, welcher stets die gutgepflegtesten Tiere hat. Auf diese Weise kommen wir mit einem solchen Vorsprunge vor dem Gambusino in die Berge, daß wir genug Zeit finden, alle unsre Vorbereitungen so zu treffen, daß weder er noch Antonio Perillo uns entgehen kann.«
»Nimmst du auch Cambas mit?«
»Fällt mir nicht ein. Aber der alte Anciano und Hauka werden dabei sein.«
»Eigentlich sollte doch die Hälfte von uns im Chaco bleiben, um da Thee zu sammeln!«
»Das können diese Leute später nachholen. Jetzt brauche ich sie, um die beiden größten Halunken, welche die Erde trägt, zu fangen.«
»Und Don Parmesan, der Chirurg?«
»Diesen Menschen können wir nicht gebrauchen. Ich werde es so einzurichten wissen, daß er hier bei Morgenstern und Fritze bleibt.«
So waren also die Rollen verteilt, und man legte sich nieder, um zu schlafen, da frühzeitig nach dem Dorfe zurückgekehrt werden sollte. Morgenstern hätte gewiß vor freudiger Aufregung nicht geschlafen; aber da er schon gestern kein Auge zugethan hatte, fand er heute doch für einige Stunden Ruhe. Die Sonne war jedoch noch nicht aufgegangen, so stand er schon wieder bei seinem Megatherium, um die einzelnen Dimensionen desselben auszumessen und sorgfältig in sein Notizbuch einzutragen.
Er erschrak förmlich, als er hörte, daß aufgebrochen werden sollte. Am liebsten wäre er hier geblieben, aber da dies denn doch nicht möglich war, mußte er sich von seinem Schatze trennen. Aber er brachte es doch so weit, daß vorher über dem Skelette ein Schutzdach aus Bambus und Schilf errichtet wurde, damit es nicht durch Wind und Regen leiden möge. Dann begann man den Rückweg nach dem Dorfe am klaren Bache, welches am Abende erreicht wurde.
Jetzt, da Morgenstern das Megatherium nicht mehr vor sich sah, war er im stande, sich auch mit andern Dingen zu beschäftigen. Er konnte nun auch daran denken, daß es ein sehr reiches Geschenk seitens der Cambas an ihn sei, und daß er dem Vater Jaguar eine sehr schöne und freudige Überraschung zu verdanken habe. Er holte also das Versäumte ein, indem er sich bei diesem und dem Häuptlinge auf das herzlichste bedankte, und erhielt von dem letzteren die Versicherung, daß die Cambas gern nach Kräften bereit sein würden, das Riesenfaultier nach einem Orte zu bringen, von welchem aus der Transport desselben nach einem Hafenorte leicht zu ermöglichen sei. Als davon gesprochen wurde, daß der Vater Jaguar mit seiner Gesellschaft morgen früh nach den Cordilleras aufbrechen werde, hatte derselbe gar nicht nötig, Don Parmesan einen Wink zu geben, daß er ihn nicht gern bei sich sehe, denn der Chirurg kam zu Morgenstern und fragte:
»Señor, Sie reiten morgen nicht mit den andern?«
»Nein.«
»Sie bleiben also hier, um mit Ihrem vorweltlichen Tiere nach gebildeten Gegenden aufzubrechen?«
»Ja.«
»Ich habe eingesehen, daß meine Kunst im Chaco und in den Bergen weit weniger geachtet wird als in den Städten und in der Pampa. Sie wissen, ich bin ein berühmter Chirurg und verstehe jeden Bruch und jede Verletzung zu heilen; ich säble alles herunter; aber wenn man sich meiner Hilfe nicht bedient, so ist alle meine Wissenschaft und Fertigkeit ohne Nutzen. Darum habe ich mich entschlossen, dem Vaterjaguar für diesmal meine Gesellschaft zu entziehen. Ich bleibe auch hier, um dann mit Ihnen nach Gegenden zurückzukehren, in denen Menschen wohnen, welche die Wissenschaft und ihre jünger zu würdigen verstehen. Sind Sie damit einverstanden?«
»Jawohl. Ihre Gesellschaft ist mir sehr angenehm, peramoenus oder pergratus, wie der Lateiner sagt.«
Don Parmesan meldete seinen Entschluß dem Vater Jaguar. Dieser sprach einige Worte des Bedauerns aus, daß er auf einen solchen Gefährten verzichten müsse, war aber innerlich froh, daß es ganz ohne sein Zuthun so gekommen war.
Als die Gesellschaft am andern Morgen aufbrach, waren alle Bewohner des Dorfes versammelt, um sich nochmals für die Rettung zu bedanken und von den Scheidenden Abschied zu nehmen. Eine Abteilung von Kriegern gab ihnen unter der Führung des Häuptlings eine Strecke weit das Ehrengeleit, und zwei Cambas ritten ganz mit bis Tucuman, um die Gegenstände zu bringen, welche der Vater Jaguar dort für Morgenstern kaufen sollte. Der letztere hatte dem ersteren alles auf einem Zettel bezeichnet und ihm auch das Geld dafür eingehändigt.
Gegen Mittag kam das Ehrengeleit zurück, und dann ritt der Häuptling nach dem Thale des ausgetrockneten Sees, um dort die verwundeten Abipones und deren Pfleger zu besuchen. Er nahm einige seiner Leute mit, und da Morgenstern nichts zu thun und also Langeweile hatte, bat er, sich mit Fritze anschließen zu dürfen, was ihnen auch sehr gern gewährt wurde. Sie fanden alles im besten Zustande; seit ihrer Abwesenheit war nichts geschehen, was die am See Zurückgebliebenen hätte beunruhigen können. Nur einen Umstand gab es, welcher das Bedenken des Cambas erregte, der den Befehl über die andern führte. Er erkundigte sich nämlich bei dem Häuptlinge, wieviel Pferde von den Abipones und den Weißen erbeutet worden seien, und sagte, als er die Zahl erfuhr: