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»Ich kenne eine passende Stelle und denke, daß wir unterwegs auch Holz genug zu einem Feuer finden werden.«

Der Fremde kehrte also mit seinen beiden Arrieros und dem Packtiere um, und die Verirrten ritten hinter ihnen her. Den Zug beschloß der Peon, welcher kein weiteres Wort zu sagen gewagt hatte und jetzt eine wahre Armesündermiene zeigte.

Noch war keine Viertelstunde vergangen, so hatte man das obere Ende der Schlucht erreicht. Sie mündete auf eine kleine Ebene, von wo aus ein freier Blick auf die westlich sich erhebenden Berge gewonnen wurde.

Der Arriero blieb halten, um sich zunächst zu orientieren. Er betrachtete die Gestalt jeder einzelnen Höhe, jedes einzelnen Berges, prüfte die Thaleinschnitte zwischen denselben und sagte dann zu dem blonden Fremden:

»Ich sehe, wie wir reiten müssen. Der Weg wird gar nicht so beschwerlich sein, wie ich vorher dachte, und ich bin auch überzeugt, daß wir noch vor Einbruch der Dunkelheit einen Ort erreichen, wo wir bequem lagern und schlafen können.«

Nach dieser Versicherung, welche allen willkommen war, setzte er sein Maultier wieder in Bewegung. Die Ebene sank in ein schmales Thal hinab, welches sich nach und nach verbreiterte und zwischen hohe, schroff aufgebaute Berge hineinzog. Die Spitzen dieser Berge waren kahl; an den Hängen gab es hier und da eine grüne Stelle, noch von der Regenzeit her; Wasser aber war nirgends zu sehen. Da und dort stand ein Busch, bei welchem die Arrieros und der Peon anhielten, um dürres Gezweig zu sammeln.

Der Doktor hätte sehr gern mit dem so außerordentlich gefälligen Fremden ein Gespräch begonnen, und dem kleinen Fritze Kiesewetter drückte es fast das Herz ab, mit einem Herrn reiten zu müssen, ohne erfahren zu haben, wer und was er sei, woher er komme und wohin er wolle; aber dieser Mann schien leider der Ansicht zu sein, daß es verdienstlicher sei, Unbekannten Hilfe zu erweisen. Er ritt vor ihnen her und schien nur Augen für das großartige Gebirgspanorama, das sich vor ihnen ausbreitete, zu haben. Da er von ihnen für einen Südamerikaner gehalten wurde, sagte Fritze in deutscher Sprache:

»Hatte ik's nicht jesagt, daß wir in die Irre jeritten seien! Wenn diese jefälligen Leute nicht jekommen wären, so hätte dieser Peonenonkel uns wohl jar nach Lappland und an den Nordpol jeführt.«

Da der Sprecher nicht weit hinter dem Fremden ritt, so hörte dieser Fritzens Worte. Er hatte bei den ersten derselben aufgehorcht; jetzt drehte er sich um und sagte im reinsten Hochdeutsch:

»Gar so weit nach Norden wäre Ihre Reise wohl nicht gegangen; aber Sie hätten in dieser Einsamkeit wohl schwerlich bald einen Menschen gefunden, welcher Sie hätte zurechtweisen können. Daß ich Ihnen begegnet bin, freute mich schon bisher; nun ich aber höre, daß Sie Deutsche sind, freut es mich doppelt.«

Er hatte während dieser Worte sein Tier so gelenkt, daß er nun neben ihnen ritt. Das Gesicht Morgensterns glänzte vor Freude, als er darauf antwortete.

»Ja, wir sind Deutsche, Señor. Sie beherrschen unsre Muttersprache in einer Weise, daß ich Ihnen mein Kompliment machen muß. Diejenigen, von denen Sie sie lernten, sind jedenfalls auch geborene Deutsche gewesen?«

»Allerdings,« nickte der Fremde lächelnd. »Ich lernte sie von meinem Vater und meiner Mutter.«

»Also sind Sie ein Deutscher?«

»Ich bin stolz darauf, es zu sein.«

»Drüben oder hüben geboren?«

»Drüben im Vaterlande.«

»Ich auch, ich auch! Sie wollten vorhin nicht hören, wer ich bin; nun Sie aber wissen, daß wir Landsleute sind, werden Sie mir doch wohl erlauben, mich Ihnen vorzustellen. Ich heiße Morgenstern, Doktor Morgenstern aus Jüterbogk und bin nach Argentinien gekommen, um paläontologische Studien zu treiben.«

»Und ik,« fiel Fritze ein, »ik heiße Fritze Kiesewetter aus Stralau am Rummelsburger See und befinde mir hier, um mir an diese Studien zu beteiligen. Wir haben es schon zu einer Gigantochelonia und nachher jar zu einem Megatherium jebracht.«

»Von diesen Dingen verstehe ich nichts,« gestand der Blonde. »Was meinen Namen betrifft, so heiße ich Engelhardt, und mein Stand - - eigentlich besitze ich keinen mehr; ich habe ihn vor kurzem aufgegeben. Ich bin, was man so Rentier nennt.«

»Sie leben also von Ihrem Jelde? Dat kann ik noch nicht. Wollte ik von meine Ersparnisse leben, so könnte ik mir nach drei Tagen als ›wandelndes Skelett‹ sehen lassen. Dürfen wir fragen, ob Sie in dieses schöne Arjentinien wohnen?«

»Ich wohnte bisher in Lima, also in Peru, habe mein Geschäft verkauft und will nun nach Deutschland hinüber.«

»Haben Sie Ihr Jeschäft jut bezahlt bekommen?«

»Leidlich gut, den jetzigen Verhältnissen angemessen,« antwortete Engelhardt, verwundert über die Frage, welche eigentlich eine sehr zudringliche war.

»Dat freut mir außerordentlich. Für mein Jeschäft hat mich noch kein Mensch wat jeboten, und so kann ich es mich deutlich vorstellen, wie schön es sein muß, wenn man wat Ordentliches dafor bekommt.«

»Was sind Sie denn eigentlich?«

»Noch immer jeborener Stralauer, weiter nichts. Ik beschäftige mir mit allem, wat mich in die Hände kommt.

Gejenwärtig bin ik der Famulus des Herrn Doktors und ziehe mit ihm in den Kampf gejen die beiden jrößten Schurken, welche die Erde trägt.«

»Wer ist das?«

»Dat ist ein Kerl, den man den Jambusino nennt, und dat ist ferner ein Stierfechter, welcher Antonio Perillo heißt.«

»Diesen letzteren Namen habe ich schon gehört und auch gelesen. Der Mann ist in Lima aufgetreten; da ich aber den Zirkus nicht besuchte, habe ich ihn nicht gesehen. Warum nennen Sie diese Männer die größten Schurken?«

»Um Ihnen dat zu erklären, müßte ik eine Erzählung leisten, welche von jetzt an bis morjen abend währen würde. Dieser Perillo kennt uns nicht, und wir haben ihm niemals wat zujefügt, und dennoch trachtet er uns schon seit längere Zeit nach dat Leben.«

»Ist's möglich! Vielleicht irren Sie sich?«

»Wir uns irren? Kein Jedanke! Der Herr Doktor war kaum ans Land jestiegen und zu Salido jekommen, so machte Perillo einen Mordversuch auf ihm.«

»Salido, sagen Sie? Wo war das? In welcher Stadt?«

An Buenos Ayres.«

»Meinen Sie etwa den Bankier?«

»Ja, denselbigen.«

»So kennen Sie ihn also?«

»Ja, wir kennen ihn sehr gut,« fiel jetzt der Doktor ein. »Ich war ihm empfohlen und genoß seine Gastfreundschaft, indem ich bis zu meiner Abreise von Buenos Ayres bei ihm wohnte.«

»Ist das schon lange her?«

»Nur kurze Zeit, einige Wochen.«

»Wurde da bei Salido mein Name nicht genannt?«

»Engelhardt sprach diese Frage mit sichtlicher Spannung aus. Der Doktor antwortete nachdenklich:

»Als Sie vorhin sagten, daß Sie Engelhardt heißen, war es mir ganz so, als ob ich diesen Namen schon einmal gehört haben müsse; aber wo - - hm - - hm!«

»Wohl drüben im Vaterlande. Da gibt es ja der Engelhardts genug.«

»Nein, sondern hier in Argentinien; aber es fällt mir schwer, mich auf den Ort zu besinnen. Fritze, weißt denn du nicht, wo wir einem Engelhardt begegnet sind?«

»Einem Engel - - Engel - -« sann der Stralauer nach; dann richtete er seinen Oberkörper straff auf, sah den Blonden mit einem Blicke, in welchem sich die größte Spannung aussprach, an und rief: »Ik hab's, ik hab's!

lk glaube nicht, dat ik mir irre! Sie wohnten in Lima und haben Ihr Geschäft verkauft. War dat nicht oft und manchmal ein Bankierjeschäft?«

»Nicht nur oft und manchmal, sondern stets.«

»Sie haben eine Frau, oder, wollte ik lieber sagen, eine Jemahlin?«

»Ja.«

»Und zwei Jungens, wat man höflicherweise Söhne nennt?«

»Auch das stimmt.«

»Der eine war bei Salido auf Besuch?«

»Ja.«

»So ist's janz so, wie ik mir dachte! Wir haben ihn nicht Herr Engelhardt, sondern stets nur Anton jenannt.