»Ich danke dir,« antwortete der Alte erfreut. »Ich bedarf nichts und wünsche mir nichts als die Fortdauer deiner Liebe. Dennoch habe ich einen großen Wunsch, um dessen Erfüllung ich dich bitte.«
»Welchen? Sage ihn!«
»Du sollst die Höhle nur nach der Erreichung eines gewissen Alters betreten, eines Alters, in welchem die Unvorsichtigkeit der ersten Jugend überwunden ist. Das hat einen sehr triftigen Grund. Der Stollen ist nämlich nicht ohne Gefahr zu betreten. Worin diese Gefahr besteht, das weiß ich nicht. Dein Vater, mein früherer Herr, wollte es mir noch mitteilen; da er aber ermordet worden ist, hat er keine Zeit gefunden, dies zu thun.«
»So hast du gar keine Ahnung davon?«
»Eine Ahnung allerdings, aber keine Gewißheit. Du weißt, daß unsre Vorfahren ein Feuer herzustellen verstanden, welches jahrhundertelang verborgen sein und ruhen kann, dann aber, wenn es flüssig gemacht wird, mit unwiderstehlicher Gewalt alles zerstört, was es ergreift. Vielleicht gleicht es dem jetzigen Schießpulver, von welchem unser Volk nichts wußte, bis es dasselbe bei den Spaniern sah. Aus einigen Andeutungen deines Vaters vermute ich, daß die Höhle von einem solchen Feuer bewacht wird, welches jeden Unberechtigten, der den Stollen betritt, vernichten soll.«
»Dann ist es allerdings gefährlich, sich dem Schatze zu nahen!«
»Ja. Und darum möchte ich dich bitten, auch den Vater Jaguar mitzunehmen. Seine Augen sind die schärfsten und erfahrensten von allen, so daß er dieses verborgene Feuer jedenfalls eher entdecken wird als wir.«
»Er soll mitgehen. Ich hätte ihn auch ohnedies darum gebeten. Und auch mein lieber Freund Antonio mag bei uns sein, damit er zu den ersten gehört, welche den Schatz sehen. Oder fürchtest du dich vor der Gefahr des verborgenen Feuers?«
Diese Frage war an Anton Engelhardt gerichtet, welcher sogleich antwortete:
»Ich fürchte mich nicht. Wie das Pulver, so wird auch euer Feuer erst dann gefährlich sein, wenn es angezündet wird, also wenn man es mit andrem Feuer in Berührung bringt, und dies zu thun, werden wir uns doch hüten.«
»Wenn wir vorsichtig sind, haben wir jedenfalls nichts zu befürchten,« stimmte der Vater Jaguar bei. »Ihr wollt die Höhle also schon heut aufsuchen?«
»Ja,« nickte Anciano.
»Noch vor der Ankunft unsrer Feinde?«
»Noch vor derselben.«
»Ich möchte raten, zu warten. Wir würden Spuren zurücklassen, durch welche wir leicht unsre Anwesenheit verraten könnten.«
»Haben wir denn nicht Zeit, diese Spuren so zu vertilgen, daß sie nicht zu bemerken sind, Señor? Der Gambusino kann vor morgen nicht da sein, und jetzt haben wir erst Vormittag.«
»Und doch ist es besser, zu warten. Wir wissen nicht, welchen Fund wir machen. Er kann leicht ein derartiger sein, daß die Ausführung unsrer jetzigen Vorsätze nicht möglich ist.«
»Sie mögen recht haben; aber wir wissen nicht, wieviel Indianer der Gambusino mitbringt. Einige Häuptlinge der Mojos sind meine Freunde, während ich mit andern verfeindet bin. Es steht eher zu erwarten, daß es zwischen uns und ihnen zum Kampfe kommt, als nicht. Wenn ich dabei getötet würde, so könnte ich meinem jungen Herrn den Ort dann nicht zeigen und die ganze Erbschaft würde verloren gehen.«
»Du brauchst dich nur am Kampfe nicht zu beteiligen!«
»Señor, was trauen Sie mir zu!« rief da der Alte aus. »Wir wollen den Mörder meines ermordeten Herrn ergreifen, und ich sollte dabei meine Arme und meine Waffen ruhen lassen? Verlangen Sie von mir alles, aber nur dieses nicht!«
»Gut! Ich kann begreifen, was du denkst und fühlst. Du magst also deinen Willen haben. Aber ehe wir nach dem Stollen suchen, müssen wir an andres und notwendigeres denken. Wir sind gezwungen, vielleicht länger als einen oder einige Tage hier zu bleiben. Für uns ist Proviant genug vorhanden, aber wir müssen auch für unsre Maultiere sorgen. Wasser und Gras gibt es nur unten an der Salina del Condor für sie; leider dürfen wir dort nicht lagern, weil unsre Gegner über die Sahna kommen werden. Wir müssen also nach einem andern Orte suchen, und wenn er noch so sehr entlegen von hier wäre, wo unsre Tiere trinken und weiden können.
Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, dürften wir nicht hier an der Mordschlucht bleiben. Wir müssen uns verbergen.«
»Was das betrifft, da brauchen Sie sich keine Sorge zu machen, Señor. Eine Reitstunde von hier liegt ein tiefes Loch, in welchem es immerfort Wasser gibt, an dessen Rande Gras wächst. Ich und Haukaropora sind wohl die einzigen Menschen, welche diesen Ort kennen. Ich werde Sie hinführen.«
»Ein tiefes Bergloch? Können denn da unsre Tiere hinab?«
»Für Pferde würde der Abstieg unmöglich sein; unsre Maultiere aber kommen gewiß hinunter. Wir wissen freilich nicht, ob wir sie zur etwaigen Verfolgung unsrer Feinde hier in der Nähe bedürfen.«
»Dies abzuwarten, haben wir genugsam Zeit. Es gilt zunächst, zu erfahren, ob die Mojosindianer, welche mit dem Gambusino kommen werden, mit dir verfeindet oder befreundet sind. Im ersteren Falle wird es wohl nicht ohne Kampf abgehen; sind sie aber im guten bekannt mit dir, so hoffe ich, daß du sie bewegen kannst, zu uns überzugehen. Erst dann, wenn das entschieden ist, können wir uns einen bestimmten Plan bilden. Fürs erste kannst du, wenn wir uns ein wenig ausgeruht haben, die andern nach dem Bergloche führen; ich bleibe mit Haukaropora und Anton, die mit in die Höhle sollen, hier, um deine Rückkehr zu erwarten.«
Es läßt sich denken, daß auch die andern Mitglieder der Gesellschaft sich außerordentlich gern an der Aufsuchung des Schatzes beteiligt hätten, doch sprachen sie diesen Wunsch nicht aus, sondern fügten sich in die getroffene Anordnung und ritten nach einer Weile unter der Anführung des alten Anciano fort, um den verborgenen Wasser- und Weideplatz aufzusuchen. Der Vater Jaguar sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren und wendete sich dann an Haukaropora, welcher mit Anton Engelhardt am Rande der Schlucht saß und nachdenklich in dieselbe hinabblickte:
»Getraust du dir, den Stollen zu finden, ohne daß Anciano dir die Stelle zeigt?«
»Nein,« antwortete der Sohn des Inka. »Mein Vater hat den Eingang jedenfalls so unkenntlich gemacht, daß ihn kein Mensch entdecken kann.«
»Wollen einmal sehen. Nun ich weiß, daß in der Schlucht etwas verborgen ist, halte ich es nicht für unmöglich, die Stelle zu finden. Ich werde es versuchen und jetzt hinabsteigen. Bleibt indessen hier! Es steht zwar nicht zu erwarten, daß jemand kommen wird, aber ihr dürft doch immerhin die Augen offen halten. Ihr könnt von hier aus die Gegend übersehen. Solltet ihr die Annäherung eines Menschen bemerken, so ruft ihr mich; ich werde eure Stimme hören.«
Er stieg mit gewandten Schritten die steile Felsenböschung hinab. Sie folgten ihm mit ihren Blicken, bis er unten angekommen war, und dann meinte Hauka, indem er verneinend den Kopf schüttelte:
»Er findet den Ort nicht. Er ist ein berühmter Mann, berühmter als alle, die ich kenne, aber die Stelle wird selbst für ihn unkenntlich sein.«
»Hast du nicht sein Lächeln gesehen, als du dies behauptetest?« fragte Anton. »Er scheint überzeugt zu sein, daß er die Höhle entdeckt, und ich glaube, daß dies wirklich geschieht. Heute wirst du reich werden, sehr reich, jedenfalls noch viel reicher, wie ich bin oder vielmehr wie mein Vater ist. Haben deine Vorfahren denn wirklich so viel Gold und Silber gehabt, wie erzählt wird und wie man in den Büchern liest?«
»Nicht nur so viel, sondern noch viel, viel mehr. Damals, als die Inkas von den Spaniern überfallen und ausgeraubt wurden, haben viele, viele Reiche des Landes ihre Kostbarkeiten vergraben oder in andrer Weise versteckt, und nach ihrem Tode hat niemand gewußt, wo es verborgen ist. So liegen nun Millionen und aber Millionen in der Erde versteckt, welche keinem Menschen - - Schaden bringen können.«