» Valgame Dios - Gott stehe mir bei!« unterbrach ihn da der Bankier, indem er sich die beiden Hände an die Ohren legte. »Señores, ich bitte Sie, zu bedenken, daß Sie sich nicht in der vorsündflutlichen Kreide, sondern hier bei mir befinden, der ich von solchen Dingen leider nicht das mindeste verstehe. Haben Sie die Gnade, dieses Thema, welches ja ganz interessant sein mag, für später aufzusparen. Ich würde Ihnen das sehr, sehr hoch anrechnen.«
Der Vater Jaguar erklärte sich lachend einverstanden; dem Kleinen aber war es ganz und gar nicht heb, daß er abbrechen mußte. Man sprach wohl noch eine Viertelstunde lang von verschiedenem, und dann wollte Hammer aufbrechen. Er sagte erst jetzt, daß seine drei Kameraden auf der Straße auf ihn warteten, da er nicht geahnt habe, daß er sich hier so lange verweilen werde. Der Bankier ließ ihn aber nicht fort, sondern eilte hinaus, um die drei Männer selbst herbeizuholen.
Sie kamen; ein Diener brachte Wein, und die Unterhaltung wurde nun viel lebhafter, als sie vorher gewesen war.
Der Vater Jaguar behandelte seine Gefährten mit freundschaftlicher Vertraulichkeit; sie aber wagten nicht, eine solche Vertraulichkeit auch ihrerseits zu zeigen. Man sah und hörte aus allem, was sie sagten und wie sie es sagten, daß sie ihn als hoch über sich stehend anerkannten und einen großen Respekt vor ihm hatten.
Da nicht von Dank gesprochen werden sollte, hatte man es bisher vermieden, das heutige Stiergefecht zu erwähnen, doch war es nicht zu umgehen, daß das Gespräch später dennoch darauf kam. Doktor Morgenstern war es, welcher es zuerst in Erwähnung brachte, um einige kulturhistorische Bemerkungen daran zu knüpfen. Er sprach von den römischen Gladiatoren und nahm dabei Gelegenheit, dem Vater Jaguar das Kompliment zu machen:
»Sie wären jedenfalls ein ausgezeichneter Forumkämpfer gewesen, Señor, und hätten sowohl unter den Retiarii, Velites und Secutores, als auch unter den Galli, Thraces und Hoplomachi Großes geleistet. Es ist wirklich jammerschade, daß Sie nicht schon damals gelebt haben!«
»Warum jammerschade?« fragte Hammer still belustigt,
»Weil Sie dann jedenfalls in Friedländers ›Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms‹ und in Marquardts
›Römische Staatsverwaltung‹ auf das rühmlichste erwähnt worden wären.«
»Ich danke, Señor. Hätte ich damals gelebt, so wäre ich schon über tausend Jahre tot. Lieber ist mir's, daß ich lebe und in den Büchern dieser beiden Herren nicht erwähnt werde.«
Mag sein! Aber der Erwähnung werden Sie auf keinen Fall entgehen. Sie werden in den Werken über die Stiergefechte als einer der größten Toreadores angeführt werden. Wie ist es Ihnen nur möglich gewesen, diesen gräßliche Bison americanus mit einem einzigen Messerstiche zu erlegen?«
»Das ist nur eine Folge der Übung. Ich habe schon viele Büffel auf dieselbe Weise getötet.«
»Ich denke, es gibt hier in Argentinien keine Bisons. Oder hätte sich die Wissenschaft, die sonst untrüglich ist, einmal geirrt?«
»Sie irrt sich nicht. Ich habe die Büffel, von denen ich sprach, in den Vereinigten Staaten erlegt.«
An den Vereinigten Staaten? Ah, da muß ich Sie sogleich fragen, ob Sie die berühmte Mammutshöhle in Kentucky kennen, und vielleicht gar ein Ohiotier gesehen haben?«
»Davon vielleicht ein andres Mal, lieber Señor, da wir nicht von antediluvianischen Dingen sprechen sollen.«
»Also weder von dem Danke, den wir Ihnen schuldig sind, noch von petrefakten Tieren darf man sprechen.
Nun frage ich Sie bloß, wovon man da reden soll! Ich als Deutscher bin gewöhnt, zu reden «
»Ein Deutscher sind Sie?« fiel da der Vater Jaguar ein.
»Allerdings, wie Sie schon aus dem Namen Morgenstern ersehen, den Sie vorhin wohl nicht genau vernommen haben. Ich bin Privatgelehrter und studiere die Vorwelt.«
»Und ich bin Laie und studiere die Mitwelt. Mein Name Hammer mag Ihnen sagen, daß wir Landsleute sind.«
»Wie, auch Sie sind ein Deutscher? Ich stamme aus Jüterbogk. Und Sie, wenn ich fragen darf?«
»Ich wurde im goldenen Mainz geboren.«
»Ah, in Mainz, dem von Drusus erbauten Moguntiacum! Castel liegt auf der andern Seite, ulterior, jenseits, wie der Lateiner sagt. Was hat Sie von da nach Nordamerika getrieben?«
»Die Thatenlust.«
»Und von da nach Südamerika?«
»Eine Veranlassung, über welche ich lieber schweige, als spreche.«
Sein bisher so freundliches Gesicht wurde bei diesen Worten plötzlich tiefernst. Der zartfühlende Bankier ahnte, daß der berühmte Mann an einer wunden Stelle berührt worden sei, und gab dem Gespräch eine andre Richtung, indem er sich in höflichem Tone erkundigte:
»Man hat Sie allenthalben gesucht, Señor. Daraus schließe ich, daß Sie nicht in einem Hotel wohnen, denn Sie sind nicht gefunden worden.«
»Wir besitzen Freunde in Buenos Ayres, bei denen wir ungestört wohnen können,« lächelte der Deutsche.
»Und werden Sie längere Zeit hier verweilen?«
»Nein. Ich werde ich kurzer Zeit nach den Anden gehen.«
An welcher Richtung?«
»Über Tucuman wahrscheinlich nach Peru hinüber.«
Der Bankier horchte auf und fragte schnelclass="underline"
»Kommen Sie da vielleicht bis Lima?«
»Möglich.«
»Ich habe nämlich einen sehr triftigen Grund zu dieser Erkundigung, Señor. Es ist ein Neffe bei mir zu Besuch, welcher nur auf eine günstige Gelegenheit wartet, um über die Anden nach Lima zu gehen.«
»Wie alt?«
»Sechzehn Jahre.«
»Dann soll er lieber hier bleiben!«
»Er muß hinüber. Er wäre schon längst fort, wenn ich einen tüchtigen und zuverlässigen Sendador (Wegweiser, Pfadfinder) gefunden hätte, dem ich den Knaben anvertrauen kann. Übrigens ist er für seine Jahre körperlich und geistig sehr gut entwickelt.«
»Aber, Señor, bedenken Sie die Gefahren, welche des Reisenden auf diesem Wege lauern!«
»Ich habe es bedacht. Diese Gefahren werden desto geringer, je zuverlässiger und erfahrener die Reisenden sind. Sie wollen über die Anden. Fast möchte ich eine Frage aussprechen und eine Bitte an dieselbe knüpfen.«
Er sah den Vater Jaguar erwartungsvoll an und fügte, als dieser schweigend vor sich niederblickte, hinzu:
»Natürlich würde ich eine solche Gefälligkeit so reichlich honorieren, wie meine Mittel es mir erlauben.«
Hammer schüttelte leise den Kopf, indem er antwortete:
»So etwas läßt sich nicht honorieren. Ich bin als Yerbatero (Theesucher) im Gran Chaco, als Gambusino (Goldsucher) in Peru, als Chinchillero (Pelzjäger auf Chinchillas) in den Anden und als Cascarillero (Chinarindensammler) in Brasilien herumgestiegen. Meine Gefährten haben mich überall begleitet. Gefahren fürchten wir nicht, denn wir sind ihnen gewachsen, nämlich solange wir uns unter uns befinden. Die Gegenwart eines andern aber, zumal eines unerwachsenen, also unerfahrenen Begleiters würde uns nicht nur unsrer innern, sondern infolgedessen auch unsrer äußern Sicherheit berauben, so daß wir kaum im stande sein möchten, das Vertrauen, welches man in uns zu setzen hätte, zu rechtfertigen.«
»Sie sprechen, wie ein vorsichtiger und ehrenwerter Mann sprechen muß, Señor; aber so unerfahren, wie Sie meinen, ist mein Antonio nicht. Er reitet und schießt ausgezeichnet und ist schon zweimal über die Anden herüber in Bolivia gewesen, die Seereise von Peru hierher gar nicht gerechnet. Er ist kräftig, ausdauernd, unternehmend und anspruchslos, so daß er Entbehrungen und Anstrengungen nicht sehr achtet. Da ist er ja.