»Das habe ich noch nicht versucht, Señor. Jedenfalls wäre es um die Butter schade. Aber haben wir denn etwa welche?«
»Nein. Wir müssen den Vogel also in seinem eigenen Fette braten.«
»Fett? Straußenfett? Meinen Sie wirklich, daß ein Strauß auch nur eine Spur von Fett hat?«
»Ja, das meine ich. Die Wissenschaft beweist, daß in jedem tierischen Körper Fett, Adeps genannt, vorhanden ist. Da nun der Strauß einen solchen Körper besitzt, so bezweifle ich es nicht, daß wir bei einiger Aufmerksamkeit wenigstens eine bemerkbare Spur dessen finden, was ich soeben mit Adeps bezeichnet habe.«
»Und wenn Sie den schweren Vogel in dieser »Spur« von Fett braten, wird er dennoch trocken bleiben wie die Rückenlehne eines Strohsessels. Lassen wir das! Wir haben andres zu bedenken. Was thun wir jetzt? Wir sind von unsrer Fährte abgekommen. Suchen wir sie wieder auf?«
»Dazu ist's zu spät,« antwortete Fritze. »Es wird gleich Abend sein. Hier haben wir Gras für die Pferde und dort am Waldesrande Wasser für Mensch und Tier. Es wird wohl geraten sein, hier zu bleiben und die Fährte morgen früh wieder aufzusuchen.«
Der gute, kleine Mann bedachte nicht, daß das niedergetretene Gras sich während der Nacht aufrichten und die Spur dann am Morgen nicht mehr zu sehen sein werde.
Sie ritten vollends bis zum Walde hin, wo sie von den Pferden stiegen und diese von dem Sattel- und Zaumzeuge befreiten. Der Wald war sehr dicht. Er bestand hier an dieser Stelle aus Quebrachos, hohem Kaktus, Mistol, Chañars, Vinals und andern Leguminosen. Zwischen den ersten Bäumen drang ein Quell aus dem Boden und floß vielleicht zehn Ellen weit in eine Vertiefung, wo er einen kleinen, hellen Weiher bildete. An diesem lagerten sich die Reisenden. Holz zu einem Feuer war genug vorhanden. Bald loderte es hoch auf und nun machten sich die drei an die Zubereitung des heutigen Bratens. Es wäre unmöglich gewesen, den Strauß zu rupfen wie einen kleinern Vogel. Man zog ihm das Fell mitsamt den Federn ab wie einem behaarten Tiere. Dann wurde er aufgebrochen. Der Magen enthielt Pflanzenüberreste, Sand, Steine, einen hörnenen Messergriff und einen eisernen Reitsporen mit thalergroßem Rade. Der Strauß verschlingt eben alles, was ihm in die Augen sticht. Das Fleisch sah gar nicht übel aus und ließ sich auch ganz leidlich schneiden. Bei der weitern Zerlegung stellte es sich heraus, daß der Vogel allerdings nötig gehabt hatte, ein Nest zu formen; es waren Eier vorhanden, eins immer kleiner als das andre, von der Größe einer Erbse bis zu derjenigen einer Männerfaust. Die größeren wurden in heiße Asche gelegt, um zu rösten und schmeckten dann gar nicht übel. Dann versuchte man, das Brustfleisch, als das zarteste, wie Asado vom Rind zu behandeln. Als Fritze das erste Stück in den Mund nahm und es zwischen den Zähnen probiert hatte, spuckte er es wieder heraus und sagte zu seinem Herrn:
»Pfui! Dat ist wirklich die reine Stiebelsohle, ohne Kraft und Jeschmack und nicht zu kauen. Versuchen Sie's doch mal!«
Dem Gelehrten ging es nicht anders. Das Fleisch war so zähe, daß man es trotz allen Hungers nicht genießen konnte.
»Klopfen wir es!« meinte Fritze.
Er legte ein Stück auf den Boden und bearbeitete es mit dem Gewehrkolben, um es mürbe zu machen. Es fühlte sich jetzt weicher an, wurde aber im Feuer härter als das vorige Stück.
»Dat ist auch sonne falsche Berechnung in die Natur!« räsonnierte er. »Rebhühner und Krammetsvögel, welche so delikat sind, wachsen klein, und diejenigen Vögel, welche die jewünschte Jröße besitzen, sind nicht zu jenießen. Mir dauert mein Pulver, welches ick verschossen habe. Hätte ick die harte Natur dieses Straußes jekannt, so hätte ick mich seinen Tod nicht auf mein Jewissen jeladen. Wat essen wir nun?«
Die Antwort folgte ganz unvermutet und auf der Stelle. Es raschelte hinter dem Sprecher. Er drehte sich um und sah ein langes, eidechsenartiges Tier am Stamme des nächsten Baumes.
»Still!« flüsterte er. »Rührt euch nicht. Wenn es glückt, gibt es doch noch einen Braten.«
Er hatte sein Gewehr wieder geladen. Es enthielt einen Schrot- und einen Kugelschuß. Er nahm es, hinter sich greifend, in die Hand und zog es langsam nach vorn und an sich. Das Feuer war für das Tier eine ungewöhnliche Erscheinung. Es saß am Stamme des Baumes, langgestreckt wie eine Schlange, sich mit den Füßen festhaltend, und starrte mit hellen Augen in die Flamme. Da riß Fritz sein Gewehr mit einem plötzlichen Rucke in den Anschlag empor, zielte kurz und drückte ab. Der Schuß krachte; das Tier war weg.
»Was war's? Was gab's?« fragte Morgenstern, welcher ebenso wie der Chirurg mit dem Rücken gegen den Baum gesessen hatte.
»Einen Iguan,« antwortete Fritz.
»Iguan?« rief Don Parmesan, indem er aufsprang. »Einen Iguan! Das ist ja die größte Delikatesse, welche es auf Erden gibt! Haben Sie ihn getroffen, Señor? Ich hoffe, ja?«
»Weiß es nicht. Wollen sehen.«
Er stand auf, um nach dem Baume zu gehen.
»Nehmen Sie sich in acht!« warnte der Chirurg. »Die Iguans sind fürchterlich bissig. Wenn er noch nicht tot ist, dürfen Sie ihn ja nicht anfassen.«
Als Fritz zum Baume kam, ließ er einen Ruf der Freude hören. Das Tier war doch getroffen worden. Es lag unten auf dem Boden und bewegte sich nicht. Dennoch war der Deutsche so vorsichtig, es nicht eher anzugreifen, als bis er ihm einige kräftige Kolbenhiebe auf den Kopf gegeben hatte. Don Parmesan kam dann auch herbei, um den Iguan nach dem Feuer bringen zu helfen.
Der Iguan, auch Leguan genannt, ist eine große südamerikanische Baumeidechse mit einem breiten Kopfe, an den Rändern gezähnelten Zähnen, großem Stachelkamme auf dem Rücken und einem sehr langen Schwanze. Die Beine sind ungemein kräftig und haben sehr lange Zehen; unter der Kehle hängt ein häutiger Sack. Die Iguana schwimmen ausgezeichnet und klettern ungemein behend auf Bäumen und nähren sich von Vogeleiern, Insekten, jungen Baumsprossen und saftigen Blättern und Blüten. Sie sind bei Gegenwehr mutig und außerordentlich bissig. Der gemeine Leguan wird anderthalb Meter lang, wovon allerdings ein Meter allein auf den Schwanz zu rechnen ist. Man stellt ihm sehr eifrig nach, da er ein besonders wohlschmeckendes, zartes und leicht verdauliches Fleisch besitzt.
Das Tier hat ein höchst häßliches Aussehen, darum rief Morgenstern, als er es erblickte, aus:
»Ja, das ist ein Iguan; ich sehe es. Aber wollen Sie dieses Viehzeug wirklich essen?«
»Natürlich!« antwortete Don Parmesan. »Es gibt nichts Feineres als Iguanfleisch, gleich in der Haut, in den Schuppen gebraten. Wissen Sie das noch nicht?«
»Welch eine Frage? Sie an mich, einen Zoologen zu richten! Die Wissenschaft lehrt, daß der Iguan Fleisch besitzt, und die Erfahrung fügt hinzu, daß es gegessen wird. Mir aber kommen Sie ja nicht mit einem solchen Braten! Ich will doch lieber mit den Chinesen geschmorte Regenwürmer, Trepang und Holothurien verzehren als meine Zähne an einer solchen Echse versuchen.«
»Euer Gnaden lassen es sicher nicht liegen. Ich werde mir sofort ein Stück abschneiden.«
Er zog das Messer, um zu thun, was er gesagt hatte. Da aber hielt ihm Fritze die Hand abwehrend entgegen und sagte:
»Halt, Señor! Wer hat den Iguan geschossen?«
»Sie natürlich.«
»Ich; das ist sehr richtig, und also ist er mein Eigentum. Wer ein Stück haben will, muß es mir abkaufen.«
»Abkaufen? Wie kommen Euer Gnaden zu dieser lächerlichen Ansicht?«
»Ganz so, wie Euer Gnaden auf den Gedanken kamen, sich Ihr Rindfleisch von uns bezahlen zu lassen.«
»Aber das hatte ich doch auch bezahlen müssen!«
»Ob bezahlt oder geschossen, das ist gleich. Sie kamen durch das Bezahlen zu Ihrem Eigentum und ich durch das Schießen zu dem meinigen. Sie ließen sich Ihr Eigentum bezahlen; warum soll ich das meinige verschenken, zumal mein Iguan weit delikater ist als Ihr Rindfleisch. Bei mir kostet das Pfund Iguan heute Abend fünfzig Papierthaler.«