Talmanes musste lachen. Warum nicht? Und die Männer behaupteten, er hätte keinen Sinn für Humor. Er wählte ›Apfelblüten im Wind‹ und schlug mit Kraft und Mut zu, die dem Feuer entsprachen, das ihn umbrachte.
Offensichtlich war der Myrddraal im Vorteil. Im besten Fall hätte Talmanes Hilfe gebraucht, um gegen einen von ihnen zu kämpfen. Das Ding bewegte sich wie ein Schatten, floss von einer Schwertfigur zur nächsten, und seine schreckliche Klinge zuckte Talmanes entgegen. Offensichtlich war das Ungeheuer der Ansicht, ihm bloß einen Kratzer zufügen zu müssen.
Es traf seine Wange, die Schwertspitze schnitt einen sauberen Strich in die Haut. Talmanes lachte nur und schlug die Waffe mit seiner Klinge zur Seite, was den Blassen überrascht den Mund aufreißen ließ. So hatten Männer nicht zu reagieren. Sie sollten durch den brennenden Schmerz aufschreien, weil sie wussten, dass ihr Leben am Ende war.
»Ich hatte bereits eines eurer verdammten Schwerter in mir stecken, du verfluchte Missgeburt«, schrie Talmanes und griff ununterbrochen an. ›Schmied hämmert auf die Klinge‹. Eine so primitive Schwertfigur. Es passte perfekt zu seiner Stimmung.
Der Myrddraal stolperte. Talmanes nahm mit einer anmutigen Bewegung den Fuß zurück, zog das Schwert an die Seite und schlug dem Ding den bleichen weißen Arm am Ellbogen ab. Der Unterarm wirbelte durch die Luft, die Klinge des Blassen löste sich aus den verkrampften Fingern. Talmanes holte aus, führte die Klinge mit beiden Händen und trennte dem Blassen den Kopf von den Schultern.
Dunkles Blut schoss in die Höhe, und das Ungeheuer strauchelte, krallte mit der verbliebenen Hand nach dem blutigen Stumpf, während es zusammenbrach. Talmanes stand über ihn gebeugt, plötzlich war sein Schwert viel zu schwer, um es noch länger festhalten zu können. Es rutschte aus seinen Fingern und landete klirrend auf dem Straßenpflaster. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte vornüber, aber eine Hand fing ihn auf.
»Beim Licht!«, rief Melten aus und starrte den Kadaver an. »Noch einen?«
»Ich habe das Geheimnis entdeckt, wie man sie besiegt«, flüsterte Talmanes. »Man muss einfach vorher schon tot sein.« Er kicherte selbstzufrieden, obwohl ihn Melten einfach nur verblüfft anzuschauen schien.
Um sie herum brachen Dutzende Trollocs mit zuckenden Gliedern zusammen. Sie waren mit dem Blassen verbunden gewesen. Die Bande scharte sich um Talmanes, einige trugen Wunden, ein paar waren tot. Sie waren erschöpft und ausgelaugt; diese Gruppe Trollocs hätte sie auslöschen können.
Melten hob Talmanes’ Schwert auf und säuberte es, aber sein Anführer hatte Probleme, aufrecht zu stehen, also schob er es ihm in die Scheide und ließ einen Mann einen Trolloc-Speer holen, auf den er sich stützen konnte.
»He, dahinten auf der Straße!«, rief eine Stimme aus der Ferne. »Wer auch immer Ihr seid, danke!«
Talmanes humpelte vorwärts. Filger und Mar eilten los, ohne einen Befehl zu brauchen. Die Straße war dunkel und mit Tiermenschen übersät, die Augenblicke zuvor verendet waren, also dauerte es einen Moment, bis Talmanes über die Kadaver steigen und sehen konnte, wer da gerufen hatte.
Jemand hatte am Ende der Straße eine Barrikade errichtet. Gestalten standen dort oben, eine davon hielt eine Fackel. Das lange Haar hatte sie zu Zöpfen geflochten, und sie trug ein schlichtes braunes Kleid mit einer weißen Schürze. Es war Aludra.
»Cauthons Soldaten«, sagte Aludra wenig beeindruckt. »Ihr habt euch wirklich Zeit gelassen, um mich zu holen.« In der Hand hielt sie einen Lederzylinder, der größer als eine Männerfaust war; eine kurze dunkle Zündschnur ragte daraus hervor. Talmanes wusste, dass sie explodierten, nachdem man sie anzündete und warf. Die Bande hatte sie bereits eingesetzt und mit Schlingen geschleudert. Sie waren nicht so verheerend wie die Drachen, aber trotzdem wirksam.
»Aludra«, rief Talmanes, »habt Ihr die Drachen? Bitte, sagt mir, dass Ihr sie gerettet habt.«
Sie schnaubte und gab ein paar Leuten ein Zeichen, einen Teil der Barrikade wegzuräumen, damit seine Männer sie passieren konnten. Anscheinend hatte sie dort mehrere Hundert – vielleicht sogar mehrere Tausend – Caemlyner versammelt, die die Straße füllten. Als sie den Weg frei machte, erwartete Talmanes ein wunderbarer Anblick. Umgeben von den Städtern standen dort einhundert Drachen.
Das Bronzerohr war auf einem hölzernen Drachenkarren befestigt, um eine Einheit zu bilden, die von zwei Pferden gezogen wurde. Eigentlich waren sie ganz beweglich, wenn man es mal genau betrachtete. Man konnte diese Karren am Boden verankern und die Drachen abfeuern, sobald die Pferde abgeschirrt waren. Hier befanden sich mehr Menschen als nötig, um die Arbeit der Zugpferde zu erledigen.
»Glaubt Ihr, ich hätte sie zurückgelassen?«, fragte Aludra. »Diesem Haufen da fehlt die nötige Ausbildung, um sie zu bedienen. Aber sie können einen Karren genauso gut ziehen wie jeder andere auch.«
»Wir müssen sie von hier wegschaffen«, sagte Talmanes.
»Ist Euch das gerade eben eingefallen?«, fragte Aludra. »Als hätte ich das nicht schon längst versucht. Euer Gesicht, was ist damit?«
»Ich habe mal zu scharfen Käse gegessen, danach war ich nie wieder derselbe.«
Aludra betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf. Wenn ich vielleicht mehr lächeln würde, wenn ich einen Witz mache, dachte er träge und lehnte sich gegen die Barrikade. Vielleicht würde man mich dann besser verstehen. Natürlich warf das die Frage auf, ob er wirklich wollte, dass man ihn verstand. Oft war es so doch viel amüsanter. Außerdem war ein Lächeln so aufdringlich. Wo blieb da die Subtilität? Und …
Und er hatte wirklich Probleme, sich zu konzentrieren. Er sah Aludra blinzelnd an, deren Miene im Fackellicht echte Besorgnis verriet.
»Was mit meinem Gesicht ist?« Talmanes berührte seine Wange. Blut. Der Myrddraal. Genau. »Bloß ein Schnitt.«
»Und die Adern?«
»Adern?«, fragte er, dann fiel sein Blick auf seine Hand. Schwarze Ranken hatten sich um sein Handgelenk gewunden, waren über den Handrücken gewandert und näherten sich nun den Fingern, als würde Efeu unter seiner Haut wuchern. Sie wurden dunkler, noch während er hinschaute. »Ach, das! Unglücklicherweise sterbe ich. Schrecklich tragisch. Ihr habt nicht zufällig Branntwein?«
»Ich …«
»Mein Lord!«, rief eine Stimme.
Talmanes blinzelte, dann zwang er sich dazu, sich umzudrehen, während er sich schwer auf den Speer stützte. »Ja, Filger?«
»Noch mehr Trollocs, mein Lord. Eine ganze Menge! Sie strömen hinter uns zusammen.«
»Ganz reizend. Deckt die Tafel. Ich hoffe, wir haben genug Geschirr. Ich habe es doch gewusst, wir hätten die Magd diese 5731 Gedecke holen lassen sollen.«
»Geht es Euch … gut?«, fragte Aludra.
»Blut und verfluchte Asche, Frau, sehe ich so aus, als ginge es mir gut? Guybon! Der Rückzug ist abgeschnitten. Wie weit sind wir vom Osttor entfernt?«
»Das Osttor?«, rief der Gardehauptmann. »Vielleicht ein Marsch von einer halben Stunde. Wir müssen den Hügel weiter hinunter.«
»Dann geht es los«, sagte Talmanes. »Nehmt die Späher und geht an der Spitze. Dennel, kümmert Euch darum, dass sich die Städter vernünftig organisieren, um die Drachen zu ziehen! Haltet Euch bereit, die Waffen aufzubauen.«
»Talmanes«, sagte Aludra. »Die Dracheneier und das Pulver, das meiste mussten wir zurücklassen. Wir brauchen die Vorräte aus Baerlon. Wenn Ihr die Drachen heute aufstellt … Ein paar Schüsse, mehr habe ich nicht für Euch.«
Dennel nickte. »Drachen sind nicht dafür gedacht, für sich allein Frontreihen zu bilden, mein Lord. Sie brauchen Unterstützung, um den Feind daran zu hindern, zu nahe zu kommen und die Waffen zu zerstören. Wir können diese Drachen bemannen, aber ohne Infanterie werden wir nicht lange durchhalten.«
»Darum fliehen wir ja«, erwiderte Talmanes. Er machte einen Schritt, und ihm war so schwindelig, dass er beinahe stürzte. »Und ich glaube … ich glaube, ich brauche ein Pferd …«