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Ja, dachte Rand zum hundertsten Mal. Aber ist das möglich?

Sie kamen zu dem Zelt, in dem Rands Sekretäre arbeiteten; die Töchter schwärmten hinter ihnen aus. Rand und Perrin traten ein. Die Sekretäre arbeiteten natürlich zu dieser späten Stunde, und es überraschte sie nicht, als Rand eintrat.

»Mein Lord Drache«, sagte Balwer und verneigte sich steif an der Stelle, wo er neben einem Tisch voller Karten und Papierstapel stand. Der vertrocknete kleine Mann sortierte nervös seine Papiere; aus einem Loch im Ärmel seines zu großen braunen Mantels ragte ein knöcherner Ellbogen.

»Berichtet«, sagte Rand.

»Roedran kommt«, sagte Balwer mit dünner und präziser Stimme. »Die Königin von Andor hat nach ihm geschickt, hat ihm Wegetore versprochen, die diese Frauen erschaffen sollen, die sie hat, diese Kusinen. Unser Auge an seinem Hof sagt, dass er wütend darüber ist, dass er ihre Hilfe braucht, um herzukommen, aber er besteht darauf, dass er bei dieser Zusammenkunft dabei sein muss – und wenn es auch nur darum geht, dass es nicht so aussieht, als würde man ihn übergehen.«

»Ausgezeichnet«, sagte Rand. »Elayne weiß nichts von Euren Spionen?«

»Mein Lord!«, sagte Balwer indigniert.

»Habt Ihr herausgefunden, welcher von meinen Sekretären für sie spioniert?«, fragte Rand.

Balwer plusterte sich auf. »Niemand …«

»Sie wird jemanden haben, Balwer«, sagte Rand mit einem Lächeln. »Schließlich hat sie mir mehr oder weniger beigebracht, wie man das macht. Egal. Nach dem morgigen Tag werden meine Absichten jedermann klar sein. Geheimnisse sind dann nicht mehr nötig.«

Abgesehen von denen, die ich im Herzen trage.

»Das bedeutet, dass morgen jeder bei der Zusammenkunft dabei sein wird, richtig?«, fragte Perrin. »Jeder große Herrscher? Tear und Illian?«

»Die Amyrlin hat sie überredet zu kommen«, sagte Balwer. »Ich habe hier Abschriften ihrer Korrespondenz, wenn Ihr sie zu sehen wünscht, meine Lords.«

»Ich ja«, sagte Rand. »Schickt sie in mein Zelt. Heute Abend sehe ich sie mir an.«

Plötzlich erbebte der Boden. Schreiber packten Papierstapel, hielten sie fest und schrien auf. Draußen riefen Männer, kaum hörbar bei dem Lärm umstürzender Bäume und klirrenden Metalls. Das Land stöhnte, ein fernes Grollen.

Für Rand war es wie ein schmerzhafter Muskelkrampf.

Ferner Donner erschütterte den Himmel wie das Versprechen kommender Dinge. Das Beben ließ nach. Die Schreiber hielten ihr Papier weiter fest, als hätten sie Angst, es loszulassen und zu riskieren, dass es zu Boden flatterte.

Es ist wirklich so weit, dachte Rand. Ich bin noch nicht bereit – wir sind noch nicht bereit. Aber es ist trotzdem so weit.

Diesen Tag hatte er monatelang gefürchtet. Seit jener Nacht, in der die Trollocs gekommen waren, seit Lan und Moiraine ihn von den Zwei Flüssen fortgezerrt hatten, hatte er sich vor dem gefürchtet, was nun kommen würde.

Die Letzte Schlacht. Das Ende. Aber jetzt, da der Augenblick gekommen war, verspürte er keine Angst mehr. Er war besorgt, ja, aber nicht länger furchterfüllt.

Ich komme und hole dich!, dachte er.

»Sagt es allen«, befahl er seinen Sekretären. »Verteilt Warnungen. Es wird weiterhin Erdbeben geben. Stürme. Richtige Stürme, ganz schreckliche Stürme. Die Welt wird zerstört werden, und das können wir nicht verhindern. Der Dunkle König wird versuchen, diese Welt zu Staub zu zermahlen.«

Die Sekretäre nickten und warfen sich besorgte Blicke zu. Perrin sah nachdenklich aus, nickte aber andeutungsweise, als würde er sich etwas bestätigen.

»Noch weitere Neuigkeiten?«, fragte Rand.

»Die Königin von Andor könnte in dieser Nacht möglicherweise noch etwas vorhaben, mein Lord«, sagte Balwer.

»›Etwas‹ ist kein sehr anschauliches Wort, Balwer«, erwiderte Rand.

Der Mann verzog das Gesicht. »Es tut mir leid, mein Lord. Mehr habe ich noch nicht für Euch; diese Nachricht habe ich eben erst erhalten. Königin Elayne ist vor Kurzem von einem ihrer Ratgeber geweckt worden. Ich habe niemanden in ihrer unmittelbaren Nähe, der den Grund erfahren könnte.«

Rand runzelte die Stirn, legte die Hand auf Lamans Schwert, das an seiner Seite hing.

»Es könnten bloß Pläne für morgen sein«, meinte Perrin.

»Das ist wahr«, sagte Rand. »Balwer, lasst mich wissen, falls Ihr etwas entdeckt. Vielen Dank. Ihr leistet gute Arbeit.«

Der Mann schien plötzlich zu wachsen. In diesen letzten Tagen, diesen Tagen voller Dunkelheit, suchte jeder Mann nach einer nützlichen Aufgabe. Balwer war auf seinem Gebiet der Beste und vertraute auf seine Fähigkeiten. Trotzdem schadete es nicht, wenn man von seinem Dienstherrn daran erinnert wurde, erst recht, wenn der Dienstherr niemand anders als der Wiedergeborene Drache war.

Rand verließ das Zelt, Perrin folgte ihm.

»Du machst dir deshalb Sorgen«, sagte Perrin. »Wegen dem, was Elayne geweckt hat.«

»Sie hätten sie nicht ohne guten Grund geweckt«, erwiderte Rand leise. »Wenn man ihren Zustand bedenkt.«

Schwanger. Schwanger mit seinen Kindern. Beim Licht! Warum hatte ihm das niemand gesagt? Warum hatte sie es ihm nicht gesagt?

Die Antwort war ganz einfach. Elayne konnte Rands Gefühle spüren, so wie er die ihren. Sie würde mitbekommen haben, wie er in der letzten Zeit gewesen war. Vor dem Drachenberg. Als er noch …

Nun, in dem Zustand, in dem er sich befunden hatte, hätte sie ihn bestimmt nicht mit einer Schwangerschaft konfrontieren wollen. Davon abgesehen hatte er es anderen Leuten nicht gerade leicht gemacht, ihn zu finden.

Trotzdem war es ein Schock.

Ich werde Vater, dachte er, und das nicht zum ersten Mal. Ja, Lews Therin hatte Kinder gehabt, und Rand konnte sich an sie erinnern, genau wie an die Liebe, die er für sie empfunden hatte. Aber es war nicht das Gleiche.

Er, Rand al’Thor, würde Vater sein. Vorausgesetzt, er siegte in der Letzten Schlacht.

»Sie hätten Elayne nicht ohne guten Grund geweckt«, fuhr er fort und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche. »Ich mache mir Sorgen, aber nicht wegen dem, was geschehen sein könnte, sondern weil es möglicherweise eine Ablenkung ist. Morgen ist ein wichtiger Tag. Falls der Schatten auch nur eine Ahnung hat, wie wichtig der morgige Tag werden wird, dann wird er alles in seiner Macht Stehende tun, um uns von dieser Zusammenkunft abzuhalten, von dem Versuch, uns zu vereinen.«

Perrin kratzte sich am Bart. »Ich habe Leute in Elaynes Nähe. Vielleicht wissen sie ja etwas. Wir könnten meine Augen-und-Ohren fragen.«

»Du … du hast Spione?«, fragte Rand überrascht.

Perrin errötete. »Keine Spione. Leute, die für mich die Dinge im Auge behalten.«

»Das ist eigentlich die Definition dieses Wortes, Perrin.« Er hob die Hand, als Perrin Einwände erheben wollte. »Sprechen wir mit ihnen. Heute Nacht habe ich noch viel zu tun, aber … Ja, das darf ich nicht ignorieren.«

Sie schlugen die Richtung zu Perrins Lager ein und beschleunigten ihre Schritte, und Rands Leibwächter folgten ihnen wie Schatten mit Schleiern und Speeren.

Die Nacht fühlte sich viel zu ruhig an. In ihrem Zelt brütete Egwene über einem Brief an Rand. Sie vermochte nicht zu sagen, ob sie ihn überbringen lassen würde. Aber das war auch nicht wichtig. Ihm zu schreiben ordnete ihre Gedanken, sich zu entscheiden, was sie ihm sagen wollte.

Gawyn schob sich wieder in das Zelt, die Hand auf dem Schwert. Sein Behüterumhang raschelte.

»Bleibst du dieses Mal?«, wollte Egwene wissen und tauchte ihre Feder in die Tinte, »oder gehst du gleich wieder?«

»Mir gefällt diese Nacht nicht.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Etwas an ihr fühlte sich falsch an.«

»Die Welt hält den Atem an, Gawyn, und wartet auf die morgigen Geschehnisse. Hast du jemanden zu Elayne geschickt, wie ich wollte?«