Выбрать главу

Als er in die nächste Figur glitt, führte Lan die Klinge quer an seiner Brust vorbei nach oben und trat zurück. Ein Stein von der Größe eines Männerkopfs flog direkt vor ihm vorbei. Lan glitt vorwärts, der Arm bewegte sich in eine neue Position, während der nächste Stein so schnell unter ihm vorbeiflog, dass er einen Luftzug hinter sich herzog. Lan hob das Schwert und floss förmlich um den Weg des dritten Steins herum, der ihn nur um Daumenbreite verfehlte.

Demandred blockierte Lans Angriff, aber er atmete schwer. »Wer bist du?«, flüsterte der Verlorene erneut. »In diesem Zeitalter verfügt niemand über ein solches Geschick. Asmodean? Nein, nein. Er hätte nicht so gegen mich kämpfen können. Lews Therin? Das bist du hinter diesem Gesicht, richtig?«

»Ich bin bloß ein Mann«, flüsterte Lan. »Das ist alles, mehr bin ich nie gewesen.«

Demandred knurrte, griff an. Lan reagierte mit ›Steine poltern vom Berg‹, aber die Wucht seines Gegners zwang ihn ein paar Schritte zurück.

Obwohl Lan ursprünglich die Offensive gehabt hatte, war Demandred der bessere Schwertkämpfer. Das verriet ihm das gleiche Gespür, das ihm sagte, wann er zuschlagen musste, wann parieren oder einen Ausfallschritt machen oder sich zurückziehen. Vielleicht wäre es anders gewesen, hätten beide die gleichen Voraussetzungen gehabt. Aber das war nicht der Fall. Lan hatte den ganzen Tag gekämpft, und obwohl er von den schlimmsten Verletzungen Geheilt worden war, schmerzten die kleineren dennoch. Darüber hinaus zehrte jede Heilung an den Kräften.

Demandred war noch immer ausgeruht. Der Verlorene redete nicht länger und vertiefte sich in das Duell. Er hörte auch auf, die Eine Macht zu benutzen, und konzentrierte sich allein auf seine Klinge. Er grinste nicht, wenn er im Vorteil war. Ohnehin erschien er nicht wie ein Mann, der oft grinste.

Lan löste sich von ihm, aber der Verlorene setzte mit ›Der Keiler stürmt bergab‹ nach, stieß Lan erneut an den Rand des Kreises, schlug auf seine Abwehr ein, landete einen Treffer an seinem Arm, dann an der Schulter, schließlich am Oberschenkel.

Ich habe nur Zeit für eine letzte Lektion …

»Ich habe dich«, knurrte Demandred schließlich schwer atmend. »Wer auch immer du bist, ich habe dich. Du kannst nicht gewinnen.«

»Du hast mir nicht zugehört«, flüsterte Lan.

Eine letzte Lektion. Die schwerste …

Demandred schlug zu, und Lan erkannte seine Öffnung. Er lenkte Demandreds Schwertspitze auf seine Seite und stürzte sich in die Klinge.

»Ich bin nicht hergekommen, um zu gewinnen«, flüsterte Lan lächelnd. »Ich kam, um dich zu töten. Der Tod ist leichter als eine Feder.«

Demandred riss die Augen auf und versuchte sich vom Gegner zu lösen. Zu spät. Lans Schwert traf ihn am Hals, durchbohrte ihn.

Die Welt wurde dunkel, als Lan von der gegnerischen Klinge rutschte. Dabei fühlte er Nynaeves Furcht und Schmerz, und er schickte ihr seine Liebe.

38

Der Ort, den es nicht gab

Rand sah Lan fallen, und neue Qual durchzuckte ihn. Der Dunkle König umklammerte ihn. Verschlang ihn, zerfetzte ihn. Sich dieses Angriffs zu erwehren war zu schwer. Er war erschöpft.

Lass los. Die Stimme seines Vaters.

»Ich muss sie retten …«, flüsterte Rand.

Lass sie sich opfern. Du kannst das nicht allein schaffen.

»Ich muss … Das bedeutet es …« Die zerstörerische Macht des Dunklen Königs kroch über ihn wie tausend Krähen, die sich über sein Fleisch hermachten, es von seinen Knochen rissen. Dieser Angriff und das Gefühl von Verlust machten seine Gedanken schwerfälliger. Egwenes Tod und der so vieler anderer.

Lass los.

Es ist ihre Entscheidung.

Es war sein fanatischer Wunsch, sie zu beschützen, die Menschen, die an ihn glaubten. Ihr Tod und die Gefahren, denen sie sich stellen mussten, lasteten gewaltig auf ihm. Wie sollte denn ein Mann so ganz einfach … loslassen? Entzog man sich damit nicht auch zugleich seiner Verantwortung?

Oder übergab man damit ihnen die Verantwortung?

Rand kniff die Augen zusammen, dachte an all jene, die für ihn gestorben waren. An Egwene, die er zu beschützen geschworen hatte.

Du Narr! Ihre Stimme ertönte in seinem Kopf. Ihm zugetan, aber scharf.

»Egwene?«

Darf ich denn nicht auch eine Heldin sein?

»Darum geht es nicht …«

Du marschierst in deinen Tod. Und doch verbietest du allen anderen, das Gleiche zu tun?

»Ich …«

Lass los, Rand. Lass uns für das sterben, woran wir glauben, versuche doch nicht, uns das zu nehmen. Du hast deinen Tod umarmt. Umarme auch meinen.

Tränen lösten sich aus seinen Augenwinkeln. »Es tut mir so leid«, flüsterte er.

Warum?

»Ich habe versagt.«

Nein. Noch hast du das nicht getan.

Der Dunkle König peitschte auf ihn ein. Er kauerte vor der grenzenlosen Leere, zu keiner Bewegung fähig. Er schrie gequält auf.

Und dann ließ er los.

Er löste sich von seiner Schuld. Er löste sich von dem Gefühl, sich schämen zu müssen, weil er Egwene und die vielen anderen nicht hatte retten können. Er löste sich von dem Bedürfnis, sie beschützen zu müssen. Sie alle zu beschützen.

Er ließ sie Helden sein.

Eine Flut von Namen brach aus ihm hervor. Egwene, Hurin, Bashere, Isan von den Chareen Aiel, Somara und Tausende mehr. Er ging die Liste, die er im Geiste geführt hatte, rückwärts durch, einen Namen nach dem anderen – zuerst langsam, dann mit wachsender Schnelligkeit. Die Liste, die einst nur aus Frauen bestanden hatte, aber länger geworden war, weil sie jeden einschloss, von dem er wusste, dass er für ihn gestorben war. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie umfangreich sie doch geworden war, wie viel er sich da aufgebürdet hatte.

Die Namen rissen sich förmlich von ihm los, waren wie in den Himmel aufsteigende Tauben, von denen jede eine Last davontrug. Eine Bürde verschwand von seinen Schultern. Sein Atem beruhigte sich. Es war, als wäre Perrin mit seinem Hammer gekommen und hätte tausend Ketten zerschmettert, die er hinter sich herschleppte.

Ilyena war die Letzte. Wir werden wiedergeboren, dachte Rand, damit wir es das nächste Mal besser machen können.

Also mach es besser.

Er schlug die Augen auf und legte seine Hand gegen eine Dunkelheit, die sich fest anfühlte. Sein Ich, das während der Angriffe des Dunklen Königs zusehends zerfasert und unscharf geworden war, zog sich zusammen. Er nahm den anderen Arm dazu, stemmte sich auf die Knie.

Und dann stand Rand al’Thor, der Wiedergeborene Drache, wieder auf, um dem Schatten entgegenzutreten.

»Nein, nein«, flüsterte die schöne Shendla und schaute auf den toten Demandred. Ihr Herz drohte stehen zu bleiben, und sie riss sich mit beiden Händen an den Haaren, schwankte. Während sie ihren Geliebten betrachtete, holte sie langsam tief Luft, und als sie sie ausstieß, kam sie als furchterfülltes Kreischen hervor: »Bao der Wyld ist tot!«

Das ganze Schlachtfeld schien zu verstummen.

Rand stellte sich dem Dunklen König an diesem Ort, den es nicht gab, umgeben von der Zeit und zugleich von nichts. Sein Körper stand noch immer in der Höhle im Shayol Ghul, erstarrt in diesem Augenblick des Kampfes gegen Moridin, aber seine Seele befand sich hier.

Er existierte an diesem Ort, den es nicht gab, diesem Ort außerhalb des Musters, diesem Ort, an dem das Böse geboren wurde. Er schaute hinein, und er erkannte ihn. Der Dunkle König war kein Wesen, sondern eine Kraft – eine Essenz so groß wie das Universum selbst, das Rand jetzt in jeder Einzelheit sehen konnte. Planeten, Sterne in all ihrer Vielfalt, wie Motten über einem Lagerfeuer.