Blut und verdammte Asche! Woher kam diese Leere in seinem Kopf? Mat enthauptete einen Trolloc, dann wischte er sich die Stirn ab, während Karede und die Totenwächter ihn für den Augenblick deckten.
Er konnte das Schlachtfeld fühlen! Da waren viele Trollocs und Sharaner, so schrecklich viele.
»Es sind zu viele!«, rief Arganda aus der Nähe. »Beim Licht, sie werden uns überwältigen! Wir müssen uns zurückziehen! Cauthon, hört Ihr mich?«
Ich schaffe das, dachte Mat. Ich kann diese Schlacht gewinnen. Ein Heer konnte einen zahlenmäßig überlegenen Feind besiegen, aber er brauchte frischen Schwung, eine Öffnung. Einen glücklichen Wurf der Würfel.
Rand stand über dem Muster und schaute herab auf den gefallenen Mann in einem Land, in dem die Hoffnung selbst gestorben zu sein schien. »Du hast nicht genau genug hingesehen. In einer Sache irrst du dich. Und wie du dich irrst …«
In die Enge getrieben und allein hockte ein Junge in einer Felsspalte. Ungeheuer mit Messern und Reißzähnen – der fleischgewordene Schatten – gruben nach seinem Unterschlupf, griffen mit Krallen wie Messerklingen nach ihm und rissen seine Haut auf.
Angsterfüllt, weinend und blutverschmiert hob der Junge ein goldenes Horn an die Lippen.
Mat kniff die Augen zusammen, die Schlacht schien um ihn herum zu verblassen.
Und wie du dich irrst, Shai’tan, dachte Rand.
Dann erklang die Stimme nicht länger nur in Mats Kopf. Jeder auf dem Schlachtfeld hörte sie deutlich.
Der Mann, den du so oft zu töten versucht hast, sagte Rand, der Mann, der sein Königreich verlor, der Mann, dem du alles nahmst …
Mühsam und von der Schwertwunde an seiner Seite blutgetränkt, kam der letzte König der Malkieri taumelnd auf die Füße. Lan hob die Hand, mit der er das Haupt von Demandred an den Haaren hielt, dem General der Schattenarme.
Dieser Mann, rief Rand. Dieser Mann kämpft noch immer!
Mat fühlte, wie sich Stille über das Schlachtfeld senkte. Alle waren wie erstarrt.
In diesem Augenblick ertönte ein leiser, aber mächtiger Laut, ein heller, klarer, goldener Ton; ein langer Ton, der alles einschloss. Der reine und wunderschöne Klang eines Horns.
Mat hatte diesen Klang schon einmal gehört.
Mellar kniete neben ihr und drückte das Medaillon gegen ihre Stirn, um sie am Machtlenken zu hindern. »Das hätte auch ganz anders ablaufen können, meine Königin«, sagte er. »Du hättest eben zugänglicher sein sollen.«
Licht! Dieses lüsterne Grinsen war abscheulich. Natürlich hatte er sie geknebelt, aber sie gab ihm nicht die Befriedigung zu weinen.
Sie würde entkommen. Sie musste sich von diesem Medaillon befreien. Zwar war da noch immer der Machtlenker. Aber wenn sie dem Medaillon entging und dann schnell zuschlug …
»Wirklich schade, dass deine kleine Freundin nicht mehr lebt, um sich das anzusehen«, fuhr Mellar fort. »Auch wenn sie eine Närrin war, bin ich doch davon überzeugt, dass sie tatsächlich glaubte, die Birgitte aus den Legenden zu sein.« In der Ferne hörte Elayne einen leisen Laut. Der Boden bebte. Ein Erdbeben.
Sie versuchte sich zu konzentrieren, konnte aber nur daran denken, dass Birgitte die ganze Zeit über recht gehabt hatte. Es war unbestreitbar möglich, dass die Babys sicher waren, so wie Min es vorhergesagt hatte, während sie selbst starb.
Weißer Nebel stieg aus dem Boden, wie die Seelen der Toten.
Plötzlich versteifte sich Mellar.
Elayne blinzelte, starrte ihn an. Etwas Silbernes ragte aus seiner Brust. Es sah aus wie eine … Pfeilspitze.
Mellar drehte sich, das Messer entglitt seinen Fingern. Hinter ihm stand Birgitte Silberbogen über ihrer Leiche, je einen Fuß an den Seiten des kopflosen Körpers. Sie hob einen Bogen, der so hell wie auf Hochglanz poliertes Silber funkelte, und schoss noch einen Pfeil ab, der eine Lichtspur hinter sich herzuziehen schien, als er Mellar in den Kopf traf und ihn zu Boden schleuderte. Ihr nächster Schuss traf Mellars Machtlenker, tötete den Schattenlord mit einem silbernen Pfeil, bevor der Mann reagieren konnte.
Überall um sie herum standen Mellars Männer wie gelähmt da und starrten Birgitte an. Die Kleidung, die sie jetzt trug, schien zu glühen. Ein kurzer weißer Mantel, ein voluminöses Paar gelbe Hosen und ein dunkler Umhang. Ihr langes blondes Haar hing in einem aufwendig geflochtenen Zopf bis zu ihrer Taille.
»Ich bin Birgitte Silberbogen«, verkündete Birgitte, als wollte sie jeden Zweifel zerstreuen. »Das Horn von Valere ist ertönt und ruft alle zur Letzten Schlacht. Die Helden sind zurückgekehrt!«
Lan Mandragoran hielt den Kopf eines der Verlorenen in die Höhe – ihres angeblich unbesiegbaren Schlachtenführers.
Die Armee des Schattens konnte nicht ignorieren, was da geschehen war, keiner von ihnen, ganz egal, wo sie sich auf dem Schlachtfeld befanden. Die Stimme aus dem Nichts hatte es verkündet. Dass der Angreifer stand, während der Auserwählte tot am Boden lag … es lähmte sie. Ängstigte sie.
Und dann ertönte das Horn in der Ferne.
»Vorwärts!«, brüllte Mat. »Vorwärts!« Wild warf sich seine Armee auf Trollocs und Sharaner.
»Cauthon, was war das für ein Laut?«, wollte Arganda wissen und stolperte zu Pips. Der Mann trug noch immer einen Arm in der Schlinge und hielt einen blutigen Streitkolben in der anderen Hand. Um Mat herum kämpften die Totenwächter und mähten Ungeheuer nieder.
Mat warf sich wieder in den Kampf. »Das war das verdammte Horn von Valere! Wir können in dieser Nacht noch immer den Sieg davontragen!«
Das Horn. Wieso hatte das verdammte Horn bloß ertönen können? Nun, allem Anschein nach war er nicht länger an das Ding gebunden. Sein Tod in Rhuidean musste ihn davon getrennt haben.
Ein anderer armer Narr konnte jetzt diese Bürde tragen. Mat heulte einen Schlachtruf, trennte einem Tiermenschen den Arm ab, stach einen anderen in die Brust. Der Klang des Horns stürzte die ganze Armee des Schattens in Verwirrung. Die Trollocs in Lans Nähe wichen zurück und krochen in dem verzweifelten Versuch, ihm zu entkommen, fast übereinander hinweg. Dadurch lichteten sich die Reihen der Kreaturen, die am Osthang kämpften, und sie hatten keine Reserve mehr. Und niemand schien das Kommando zu haben.
In der Nähe hoben Myrddraal die Waffen gegen ihre eigenen Trollocs und versuchten die Flüchtlinge wieder in den Kampf zu jagen, aber Brandpfeile der Bogenschützen von den Zwei Flüssen schossen aus dem Himmel und bohrten sich in die Körper der Blassen.
Tam al’Thor, dachte Mat, ich werde dir mein bestes Paar Stiefel schicken, verflucht noch mal. Soll mich das Licht verbrennen, aber das werde ich. »Zu mir!«, rief er. »Alle Reiter, die verdammt noch mal eine Waffe halten können, zu mir!«
Mit den Fersen trieb er Pips zum Galopp und bahnte sich seinen Weg durch Trollocs, die noch immer kämpften. Sein Angriff ermöglichte es Furyk Karede und den wenigen ihm noch verbliebenen Männern, die Lücke in der Trolloc-Horde zu vergrößern. Durch sie ergoss sich die gesamte Streitmacht der letzten Grenzländer, die hinter Mat in Lans Richtung donnerten.
Die sharanische Armee zeigte Anzeichen von Schwäche, aber sie machte mit ihrer Offensive weiter; ihre Disziplin zwang die Männer dazu, das zu tun, was sie im Grunde ihres Herzens beenden wollten. Lans Sieg würde der Schlacht nicht sofort ein Ende bereiten – dafür gab es viel zu viele Feinde –, aber ohne Demandred hatte der Schatten seine Führung verloren. Selbst die Blassen zeigten, dass ihnen der Anführer fehlte. Die Trollocs machten Anstalten, zurückzufallen und sich neu zu gruppieren.
Mat und die Grenzländer galoppierten über die Anhöhe nach Südwesten und erreichten die Stelle, an der Lan stand. Mat sprang vom Pferd und packte ihn an der Schulter, als der König der Malkieri schwankte. Er blickte Mat mit einer grimmigen Dankbarkeit an, dann verdrehte er die Augen, und seine Knie gaben nach; er ließ Demandreds Kopf zu Boden fallen.