»Also Augenblick mal«, sagte Meister Luhhan und betrat den Raum. »Ich glaube nicht, dass ich Euch abgesehen von einer Gelegenheit je so nannte.«
»Als ich die neue Klinge für Meister al’Moors Sense zerbrach.« Perrin musste lächeln. »Ich war so sehr davon überzeugt, es richtig hinzubekommen.«
Meister Luhhan kicherte. Er blieb vor Perrins Hammer stehen, der sich noch immer auf dem Tisch am Fuß des Bettes befand, und legte die Finger darauf. »Ihr seid ein wahrer Meister des Handwerks geworden.« Luhhan setzte sich auf einen Hocker neben dem Bett. »Unter uns Handwerkern, ich bin beeindruckt. Ich glaube nicht, dass mir jemals etwas so Großartiges wie dieser Hammer gelungen wäre.«
»Ihr habt die Axt geschmiedet.«
»Das tat ich wohl. Es war kein Werkzeug der Schönheit. Es war ein Werkzeug zum Töten.«
»Manchmal muss man töten.«
»Ja, aber das ist niemals schön. Niemals.«
Perrin nickte. »Danke. Dafür, dass Ihr mich gefunden habt, mich hergebracht habt. Mich gerettet habt.«
»Das war reiner Eigennutz, mein Sohn«, sagte Meister Luhhan. »Falls wir das alles hier überstehen, dann nur wegen euch Jungs, hört Ihr.« Er schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben. Wenigstens ein Mann erinnerte sich noch daran, wie sie Jugendliche gewesen waren – drei Jugendliche, die zumindest in Mats Fall mehr als nur einmal Dummheiten gemacht hatten.
Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass Mat immer noch Dummheiten macht, dachte Perrin. Wenigstens kämpfte er im Augenblick nicht, sondern unterhielt sich mit Seanchanern, wenn man den wirbelnden Farben glauben konnte, die sich zu einem Bild zusammensetzten.
»Chiad sagt, dass der Kampf in Merrilor vorbei ist?«
»Das ist er«, erwiderte Meister Luhhan. »Ein paar unserer Verwundeten habe ich mitgebracht. Ich sollte gleich nach Tam und Abell sehen, aber ich wollte Euch besuchen.«
Perrin nickte. Dieser Lockruf in ihm, dieses beständige Ziehen … jetzt war es stärker als je zuvor. Rand brauchte ihn. Der Krieg war noch nicht vorbei. Noch lange nicht.
»Meister Luhhan«, sagte er seufzend. »Ich habe einen Fehler gemacht.«
»Einen Fehler?«
»Ich habe mich verausgabt«, sagte Perrin, »mich zu sehr angetrieben.« Er machte eine Faust und schlug damit auf das Bett ein. »Ich hätte es besser wissen müssen, Meister Luhhan. Ich tue das immer wieder. Ich arbeite so schwer, dass ich am nächsten Tag zu nichts zu gebrauchen bin.«
»Perrin, mein Junge?« Meister Luhhan beugte sich vor. »Ehrlich gesagt mache ich mir heute mehr Sorgen, dass es kein Morgen mehr gibt.«
Perrin blickte ihn stirnrunzelnd an.
»Falls es je einen Augenblick gab, sich selbst zu verausgaben, dann ist das jetzt. Wir haben einen Kampf gewonnen, aber falls der Wiedergeborene Drache nicht siegt … Licht, ich glaube nicht, dass Ihr da einen Fehler begangen habt. Das ist unsere letzte Chance am Schmiedeofen. Das ist der Morgen, an dem das große Werkzeug fertig sein muss. Heute arbeitet man einfach weiter, bis man fertig ist.«
»Aber wenn ich zusammenbreche …«
»Dann habt Ihr alles gegeben.«
»Ich könnte scheitern, weil ich meine Kraft vorzeitig verschwendet habe.«
»Dann scheitert Ihr wenigstens nicht, weil Ihr Euch zurückgehalten habt. Ich weiß, das klingt schlimm, und vielleicht irre ich mich ja. Aber … nun, Ihr sprecht von einem guten Rat für einen gewöhnlichen Tag. Aber das ist kein gewöhnlicher Tag. Nein, beim Licht, das ist keiner.«
Meister Luhhan nahm Perrin beim Arm. »Ihr mögt Euch ja als jemanden betrachten, der zulässt, dass er immer zu weit geht, aber das ist nicht der Mann, den ich sehe. Perrin, wenn überhaupt, dann betrachtete ich Euch als jemanden, der gelernt hat, sich zurückzuhalten. Ich habe gesehen, wie Ihr mit allergrößter Vorsicht eine Teetasse hieltet, weil Ihr Angst hattet, sie mit Eurer Kraft zu zerbrechen. Ich habe gesehen, wie Ihr die Hand eines anderen Mannes ergriffen habt und sie so vorsichtig hieltet, nie zu fest zugedrückt habt. Ich habe gesehen, wie Ihr Euch mit wohlüberlegter Zurückhaltung bewegt habt, damit Ihr niemanden zur Seite stoßt oder etwas umwerft.
Das waren gute Lektionen, die Ihr da gelernt habt, mein Sohn. Ihr brauchtet die Kontrolle. Aber ich habe in Euch einen Jungen gesehen, der zu einem Mann heranwuchs, der nicht weiß, wie er diese Beschränkungen fallen lassen muss. Ich sehe einen Mann, der sich vor dem fürchtet, was geschieht, wenn er sich nicht im Griff hat. Mir ist schon klar, dass Ihr Euch so verhaltet, weil Ihr Angst habt, Menschen zu verletzen. Aber, Perrin … es ist Zeit, mit der Zurückhaltung aufzuhören.«
»Ich halte mich nicht zurück, Meister Luhhan«, protestierte Perrin. »Wirklich, das verspreche ich.«
»Ist das so? Nun, vielleicht habt Ihr ja recht.« Plötzlich roch Meister Luhhan nach Verlegenheit. »Seht mich an. Hier sitze ich und rede, als ginge mich das etwas an. Ich bin nicht Euer Vater, Perrin. Es tut mir leid.«
»Nein«, sagte Perrin, als Meister Luhhan aufstand, um zu gehen. »Ich habe keinen Vater mehr.«
Meister Luhhan warf ihm einen gequälten Blick zu. »Was diese Trollocs taten …«
»Meine Familie wurde nicht von den Trollocs ermordet«, sagte Perrin leise. »Es war Padan Fain.«
»Was? Seid Ihr sicher?«
»Einer der Weißmäntel sagte es mir«, erwiderte Perrin. »Er hat nicht gelogen.«
»Nun dann«, sagte Luhhan. »Fain … Er treibt sich noch immer irgendwo dort draußen herum, oder?«
»Ja. Er hasst Rand. Und da gibt es noch einen anderen Mann. Lord Luc. Erinnert Ihr Euch an ihn? Er hat den Befehl, Rand zu töten. Ich glaube … ich glaube, sie werden es beide noch versuchen, bevor das hier vorbei ist.«
»Dann werdet Ihr dafür sorgen müssen, dass sie es nicht schaffen, nicht wahr?«
Perrin lächelte, dann wandte er den Kopf, als draußen Schritte ertönten. Einen Augenblick später trat Chiad ein, und er konnte ihre Verärgerung riechen, dass er sie hatte kommen spüren. Bain folgte, noch eine Gestalt in Weiß. Und dann …
Masuri. Nicht die Aes Sedai, die er gewählt hätte. Unwillkürlich wurden seine Lippen schmal.
»Ihr mögt mich nicht«, sagte Masuri. »Das weiß ich.«
»Das habe ich nie gesagt«, erwiderte Perrin. »Ihr wart mir während unserer Reisen eine große Hilfe.«
»Und doch vertraut Ihr mir nicht, aber darum geht es nicht. Ihr wollt Eure Kraft wiederhergestellt bekommen, und ich bin vermutlich die Einzige, die bereit ist, das für Euch zu tun. Die Weisen Frauen und die Gelben würden Euch für Euren Wunsch, hier zu verschwinden, den Hintern versohlen.«
»Ich weiß«, sagte Perrin. Er zögerte. »Ich muss wissen, warum Ihr Euch hinter meinem Rücken mit Masema getroffen habt.«
»Ich bin gekommen, um eine Bitte zu erfüllen.« Masuri roch amüsiert. »Und Ihr sagt mir, dass Ihr mich Euch keinen Gefallen tun lasst, bevor ich mich Eurem Verhör unterwerfe?«
»Warum habt Ihr das getan, Masuri«, sagte Perrin. »Heraus damit.«
»Ich wollte ihn benutzen«, sagte die schlanke Aes Sedai.
»Ihn benutzen.«
»Einfluss auf jemanden zu haben, der sich selbst Prophet des Drachen nannte, hätte nützlich sein können.« Sie roch verlegen. »Es waren andere Zeiten, Lord Aybara. Bevor ich Euch kannte. Bevor überhaupt eine von uns Euch kannte.«
Perrin grunzte.
»Ich war dumm«, sagte Masuri. »Wolltet Ihr das hören? Ich war dumm, und ich habe seitdem dazugelernt.«
Perrin musterte sie, dann seufzte er und streckte ihr den Arm entgegen. Trotz allem war es eine typische Aes-Sedai-Antwort, aber immerhin geradliniger als andere, die er gehört hatte. »Tut es«, sagte er. »Und ich danke Euch.«
Sie nahm seinen Arm. Er fühlte, wie sie seine Erschöpfung auflöste – fühlte, wie sie zurückgedrängt wurde, als würde man eine alte Decke in einen kleinen Kasten stopfen. Er fühlte sich belebt, voller neuer Kraft. Er sprang förmlich auf die Beine.