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Thom warf einen besonders langen Blick auf den Wagen – er würde ihn auf eine Weise verwenden müssen, die das Wunder seiner Existenz bewahrte, die beschrieb, wie seine kalten Eisenseiten vor seinem Ende Pfeile abgewehrt hatten.

Da war Heldentum in jeder Linie, in jedem Spannen einer Bogensehne und jeder Hand, die eine Waffe hielt. Wie sollte man das vermitteln? Andererseits aber die Furcht, die Zerstörung, die ganze Surrealität von allem schildern? Am Vortag hatten beide Seiten in einer seltsamen Art von blutigem Waffenstillstand innegehalten, um die Toten aus dem Weg zu schaffen.

Er brauchte ein Wort, das das Chaos, den Tod, den schrecklichen Missklang, den schieren Mut beschrieb.

Unten machte sich eine erschöpfte Gruppe Aes Sedai auf den Weg zu der Stelle, an der Thom saß. Sie passierten Bogenschützen, die das Schlachtfeld mit scharfen Blicken nach Blassen absuchten.

Erlesen, dachte Thom. Das ist das Wort. Unerwartet, aber wahr. Unsagbar erlesen. Nein. Nicht unsagbar. Soll das Wort für sich selbst stehen. Wenn es das richtige Wort ist, funktioniert es auch ohne Hilfe. Ist es das falsche Wort, wird es ein zusätzliches Wort bloß verzweifelt aussehen lassen.

Genauso sollte das Ende eigentlich sein. Der Himmel zerriss, als Parteien um die Vorherrschaft über die Elemente selbst kämpften, Menschen verschiedener Nationen mit ihrer letzten Kraft standhielten. Siegte das Licht, würde es das nur mit einem hauchdünnen Vorsprung tun.

Das entsetzte ihn natürlich. Ein gutes Gefühl. Es würde in die Ballade einfließen müssen. Er zog an der Pfeife und wusste, dass er es tat, damit er nicht zitterte. In der Nähe explodierte die ganze Talseite und schleuderte Felsen auf alle, die darunter kämpften. Er wusste nicht, welcher Machtlenker dafür verantwortlich war. Auf dem Schlachtfeld streiften Verlorene umher. Thom versuchte, ihre Aufmerksamkeit nicht zu erregen.

Genau das hast du dir eingebrockt, alter Mann, dachte Thom, weil du nicht gewusst hast, wann du besser die Finger davongelassen hättest. Er war froh, dass er nicht hatte entkommen können, dass seine Versuche, Rand, Mat und die anderen zurückzulassen, gescheitert waren. Hätte er wirklich irgendwo in einer ruhigen Schenke sitzen wollen, während die Letzte Schlacht geschlagen wurde? Während sie sich allein dort hineinwagte?

Er schüttelte den Kopf. Er war genauso ein Narr wie jeder andere Mann und jede Frau auch. Aber wenigstens verfügte er über genug Erfahrung, um das zu erkennen. Es dauerte ein paar Jahre, bis ein Mann so weit war.

Die näher kommende Gruppe Aes Sedai trennte sich; die Schwestern blieben ein Stück weiter unten stehen, eine Frau hinkte erschöpft auf die Höhle zu. Cadsuane. Es waren weniger Schwestern hier als zuvor; die meisten waren in dem Wissen hergekommen, dass sie der Tod erwartete. Dieser Kampf war der verzweifeltste von allen, und die Kämpfer hier hatten die geringste Chance zu überleben. Von zehn, die zum Shayol Ghul gekommen waren, stand nur noch einer. Thom wusste genau, dass der alte Rodel Ituralde einen Abschiedsbrief an seine Frau geschickt hatte, bevor er dieses Kommando angenommen hatte. Und das war auch gut so gewesen.

Cadsuane nickte Thom zu, dann ging sie weiter auf die Höhle zu, in der Rand um das Schicksal der Welt kämpfte. Sobald sie Thom den Rücken zukehrte, schleuderte er ein Messer – in der anderen Hand hielt er noch immer die Pfeife. Die Klinge traf die Aes Sedai genau im Rückgrat und durchtrennte es.

Wie ein Sack Kartoffeln stürzte sie zu Boden.

Ein wirklich ausgelutschter Begriff, dachte Thom und paffte seine Pfeife. Ein Sack Kartoffeln? Hier brauche ich ein anderes Bild. Davon abgesehen, wie oft stürzt ein Sack Kartoffeln zu Boden? Nicht oft. Sie stürzte wie … wie was? Gerste rieselte aus dem zerfetzten Ende eines Sacks und bildete auf dem Boden einen kleinen Berg. Ja, das klang besser.

Als die Aes Sedai auf dem Felsen aufprallte, löste sich ihr Gewebe auf und enthüllte ein anderes Gesicht hinter der Cadsuane-Maske, die sie benutzt hatte. Er erkannte die Frau, auch wenn er nicht viel über sie wusste. Eine Domani. Wie lautete noch einmal ihr Name? Jeaine Caide. Das war es. Sie war hübsch.

Thom schüttelte den Kopf. Der Gang war völlig falsch gewesen. Begriff eigentlich keiner von ihnen, dass der Gang einer Person genauso unverkennbar war wie die Nase im Gesicht? Jede Frau, die versuchte, an ihm vorbeizuschlüpfen, nahm an, dass es ausreichte, Gesicht und Kleid zu verändern, vielleicht auch die Stimme.

Er erhob sich von seinem Sitz und nahm die Leiche unter den Armen, dann stopfte er sie in der Nähe in eine Felsspalte – dort steckten mittlerweile fünf Leichen, es wurde etwas eng. Er zog an der Pfeife und nahm den Umhang ab, legte ihn so hin, dass er die tote Hand der Schwarzen Schwester versteckte, die dort herausragte.

Er warf noch einen Blick in den Tunnel – auch wenn er Moiraine nicht sehen konnte, spendete ihm der Blick doch Trost. Dann kehrte er zu seinem Aussichtsplatz zurück und zog ein Blatt Papier und seinen Stift hervor. Und er fing an, inmitten von Donner, Schreien, Explosionen und dem Heulen des Windes zu komponieren.

45

Nebelschwaden

Die Würfel polterten noch immer in seinem Kopf, als Mat Grady an der Seite von Olver und Noal fand. Er trug Rands blutiges Banner zu einem kleinen Bündel zusammengefaltet unter dem Arm. Überall lagen Leichen, Waffen und Teile von Rüstungen auf dem Boden, die Steine waren blutbeschmiert. Aber der Kampf hier war vorbei, es gab keine Feinde mehr.

Noal lächelte Mat vom Sattel aus an; Olver saß vor ihm und hielt das Horn umklammert. Der Junge schien von Gradys Heilung erschöpft zu sein – der Asha’man stand neben dem Pferd –, aber er erschien zugleich auch sehr stolz.

Noal. Einer der Helden des Horns. Das machte Sinn, verdammt noch mal. Jain Fernstreicher höchstpersönlich. Nun, Mat würde auf keinen Fall den Platz mit ihm tauschen wollen. Noal mochte das ja gefallen, aber er würde nicht nach dem Befehl eines anderen Mannes tanzen. Nicht einmal für die Unsterblichkeit, nein, das würde er nicht.

»Grady!«, sagte Mat. »Ihr habt flussaufwärts gute Arbeit geleistet. Die Flut kam genau in dem Augenblick, in dem wir sie brauchten!«

Gradys Gesicht war ganz blass, als hätte er etwas gesehen, das er lieber vermieden hätte. Er nickte. »Was … was waren das für …«

»Ich erkläre es ein anderes Mal«, sagte Mat. »Im Augenblick brauche ich ein verdammtes Wegetor.«

»Wohin?«, fragte Grady.

Mat holte tief Luft. »Shayol Ghul.« Ich bin ein verfluchter Narr.

Grady schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, Cauthon.«

»Seid Ihr zu müde?«

»Ich bin müde«, erwiderte Grady. »Aber das ist es nicht. Etwas geschieht am Shayol Ghul. Wegetore dorthin werden abgelenkt. Das Muster ist … verzerrt, falls das irgendeinen Sinn ergibt. Das Tal ist nicht länger nur ein Ort, sondern viele, und ein Wegetor kann es nicht treffen.«

»Grady«, sagte Mat, »das ergibt für mich so viel Sinn, als würde man eine Laute ohne Finger spielen.«

»Reisen nach Shayol Ghul geht nicht, Cauthon«, sagte Grady ärgerlich. »Nehmt einen anderen Ort.«

»Wie nahe heran könnt Ihr mich bringen?«

Grady zuckte mit den Schultern. »Eines der Kundschafterlager, einen Tagesmarsch entfernt.«

Einen Tagesmarsch. Etwas zupfte an Mats Innerem.

»Mat?«, sagte Olver. »Ich glaube, ich muss dich begleiten, oder? In die Fäule? Werden die Helden nicht dort gebraucht, damit sie kämpfen?«

Das war ein Teil der Angelegenheit. Dieses Ziehen war unerträglich. Verfluchte Asche, Rand. Lass mich in Ruhe, du …