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Sie wandte sich ab, wählte einen Weg zwischen den Zelten und lief direkt in einen Hinterhalt.

»Saerin«, sagte sie, als sich die Frauen um sie scharten und sie begleiteten. »Yukiri, Lyrelle, Rubinde. Was hat das zu bedeuten?«

»Wir benötigen der Führung«, sagte Rubinde.

»Führung?« Cadsuane schnaubte. »Fragt die neue Amyrlin, sobald ihr eine arme Frau gefunden habt, der ihr diese Stellung aufbürden könnt.«

Die Frauen wichen keinen Schritt von ihrer Seite.

Als Cadsuane endlich begriff, blieb sie wie angewurzelt stehen.

»Ach, Blut und Asche, nein!«, rief sie aus und fuhr zu ihnen herum. »Nein, nein und nochmals nein

Die Frauen lächelten auf beinahe raubtierhafte Weise.

»Ihr habt dem Wiedergeborenen Drachen stets auf so vortreffliche Weise erklärt, was Verantwortung ist«, sagte Yukiri.

»Ihr habt immer davon gesprochen, dass die Frauen dieses Zeitalters einer besseren Ausbildung bedürfen«, fügte Saerin hinzu.

»Das ist ein neues Zeitalter«, sagte Lyrelle. »Vor uns liegen so viele Herausforderungen … und wir brauchen dringend eine starke Amyrlin, die uns anführt.«

Cadsuane schloss die Augen und stöhnte.

Rand atmete erleichtert auf, als er Cadsuane zurückließ. Sie schlug keinen Alarm, obwohl sie ihn nicht aus den Augen gelassen hatte, während er das Pferd antrieb. Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass sie mit ein paar anderen Aes Sedai fortging.

Sie bereitete ihm große Sorgen; vermutlich ahnte sie etwas, von dem er wünschte, dass sie es nicht tat. Allerdings war das noch immer besser, als Alarm zu schlagen.

Seufzend klopfte er seine Taschen ab und entdeckte eine Pfeife. Dafür danke ich dir, Alivia, dachte er und stopfte sie mit dem Tabak aus einem Beutel, den er in der anderen Tasche fand. Instinktiv griff er nach der Einen Macht, um sie zu entzünden.

Aber da war nichts. Kein Saidin in der Leere, nichts. Er stutzte, dann lächelte er und verspürte grenzenlose Erleichterung. Er konnte die Macht nicht lenken. Nur um sicher zu sein, griff er zögernd nach der Wahren Macht. Auch da war nichts.

Er betrachtete seine Pfeife und ritt eine kleine Steigung zur Seite von Thakan’dar hinauf, auf der nun Pflanzen wucherten. Es gab keine Möglichkeit, die Pfeife anzuzünden. Einen Augenblick lang betrachtete er den Tabak in der Dunkelheit, dann stellte er sich einfach vor, wie man die Pfeife anzündete. Und sie brannte.

Rand lächelte und wandte sich nach Süden. Er warf noch einen Blick über die Schulter. Die drei Frauen vor dem Scheiterhaufen hatten sich umgedreht und blickten genau in seine Richtung. Im Licht des brennenden Leichnams konnte er sie deutlich erkennen.

Ich frage mich, welche von ihnen mir folgt, dachte er, und sein Lächeln wurde breiter. Rand al’Thor, du bist mittlerweile ganz schön von dir eingenommen, nicht wahr? Einfach davon auszugehen, dass dir eine oder sogar mehrere folgen.

Vielleicht würde ja auch gar keine kommen. Vielleicht auch sie alle, wenn jede von ihnen so weit war. Er musste kichern.

Welche würde er wählen? Min… aber nein, Aviendha verlassen? Elayne. Nein. Er lachte. Eine Wahl zu treffen war unmöglich. Drei Frauen liebten ihn, und er vermochte nicht zu sagen, wer ihm am liebsten folgen sollte. Jede von ihnen. Sie alle. Beim Licht, Mann. Du bist hoffnungslos. Hoffnungslos in alle drei verliebt, und einen Ausweg aus diesem Schlamassel gibt es nicht.

Er stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken und ließ es schneller traben, weiter in Richtung Süden. Er hatte eine gefüllte Geldbörse, ein gutes Pferd und ein solides Schwert. Lamans Schwert, was ein besseres Schwert war, als er je gewollt hätte. Möglicherweise würde es Aufmerksamkeit erregen. Es war ein echtes Reiherschwert mit einer ausgezeichneten Klinge.

Ob Alivia überhaupt klar gewesen war, wie viel Geld sie ihm besorgt hatte? Sie hatte keine Ahnung von Münzen. Vermutlich hatte sie sie irgendwo gestohlen, also war er nicht nur ein Pferdedieb. Nun, er hatte ihr befohlen, ihm etwas Gold zu besorgen, und das hatte sie getan. Mit dem, was er da bei sich trug, konnte er in den Zwei Flüssen einen ganzen Bauernhof kaufen.

Nach Süden. Osten oder Westen würden es auch tun, aber er wollte fort von allem, und zwar richtig. Zuerst nach Süden, dann vielleicht nach Westen, die Küste entlang. Vielleicht fand er ja ein Schiff? So viel von der Welt hatte er noch nicht gesehen. Er hatte ein paar Schlachten erlebt, war in ein gewaltiges Spiel der Häuser verwickelt worden. Es hatte viele Dinge gegeben, mit denen er überhaupt nichts zu tun haben wollte. Er kannte den Bauernhof seines Vaters. Und Paläste. Er hatte so viele Paläste kennengelernt.

Aber er hatte nie die nötige Zeit gehabt, sich die Welt einmal richtig anzusehen. Das wird eine ganz neue Erfahrung. Einfach zu reisen, ohne verfolgt zu werden oder hier und dort herrschen zu müssen. Einfach zu reisen und in einer Scheune schlafen zu können, als Bezahlung für etwas Holzhacken. Er sann darüber nach, lachte wieder fröhlich, ritt weiter nach Süden und rauchte seine verrückte Pfeife. Dabei erhob sich ein Wind um ihn, um den Mann, den man alles Mögliche genannt hatte – Lord, Wiedergeborener Drache, König, Mörder, Geliebter und Freund.

Der Wind stieg ungehindert in die Höhe und weiter hinauf in den offenen, wolkenlosen Himmel. Er strich über eine verwüstete Landschaft, die mit noch nicht bestatteten Toten übersät war. Eine Landschaft, in der zugleich überall gefeiert wurde. Er kitzelte die Äste von Bäumen, die endlich Knospen ausbildeten.

Der Wind wandte sich nach Süden, wehte durch dichte Wälder und über schimmernde Ebenen, hielt auf unerforschte Länder zu. Der Wind war nicht das Ende. Es gibt bei der Drehung des Rades der Zeit kein Ende, und es wird auch niemals ein Ende geben.

Aber es war ein Ende.

Und es geschah in jenen Tagen, so wie es schon zuvor geschehen ist und wieder geschehen wird, dass die Finsternis schwer auf dem Land lastete und die Herzen der Menschen tief bedrückte. Und alles Grün welkte dahin, und die Hoffnung starb. Und alle Menschen riefen verzweifelt den Schöpfer an und sagten: O Licht des Himmels, Licht der Welt, lass den uns Versprochenen auf den Berghängen geboren werden, so wie es die Prophezeiungen verkünden, so wie er in längst vergangenen Zeitaltern geboren wurde und in zukünftigen Zeitaltern geboren werden wird. Lass den Prinz des Morgens zum Land singen, damit das Grün wieder wächst und in den Tälern Lämmer geboren werden. Lass den Arm des Herrn der Morgendämmerung uns vor der Finsternis beschützen und das große Schwert der Gerechtigkeit uns verteidigen. Lass den Drachen wieder auf dem Wind der Zeit reiten.

– Aus Charal Drianaan te Calamon,
Der Zyklus des Drachen.
Unbekannter Autor aus dem Vierten Zeitalter

Er kam wie der Wind, berührte alles wie der Wind und verschwand auch wieder wie der Wind.

– Aus Der Wiedergeborene Drache.
Von Loial, Sohn von Arent, Sohn von Halan,
aus dem Vierten Zeitalter

GLOSSAR

Vorbemerkung zur Datierung

Der Tomanische Kalender (von Toma dur Ahmid entworfen) wurde ungefähr zwei Jahrhunderte nach dem Tod des letzten männlichen Aes Sedai eingeführt. Er zählte die Jahre nach der Zerstörung der Welt (NZ). Da aber die Jahre der Zerstörung und die darauffolgenden Jahre über fast totales Chaos herrschte und dieser Kalender erst gut hundert Jahre nach dem Ende der Zerstörung eingeführt wurde, hat man seinen Beginn völlig willkürlich gewählt. Am Ende der Trolloc-Kriege waren so viele Aufzeichnungen vernichtet worden, dass man sich stritt, in welchem Jahr der alten Zeitrechnung man sich überhaupt befand. Tiam von Gazar schlug die Einführung eines neuen Kalenders vor, der am Ende dieser Kriege einsetzte und die (scheinbare) Erlösung der Welt von der Bedrohung durch Trollocs feierte. In diesem zweiten Kalender erschien jedes Jahr als sogenanntes Freies Jahr (FJ). Innerhalb der zwanzig auf das Kriegsende folgenden Jahre fand der Gazareische Kalender weitgehend Anerkennung. Artur Falkenflügel bemühte sich, einen neuen Kalender durchzusetzen, der auf seiner Reichsgründung basierte (VG = Von der Gründung an), aber dieser Versuch ist heute nur noch den Historikern bekannt. Nach weitreichender Zerstörung, Tod und Aufruhr während des Hundertjährigen Krieges entstand ein vierter Kalender durch Uren din Jubai Fliegende Möwe, einem Gelehrten der Meerleute, und wurde von dem Panarchen Farede von Tarabon weiterverbreitet. Dieser Farede-Kalender zählt die Jahre der Neuen Ära (NÄ) von dem willkürlich angenommenen Ende des Hundertjährigen Krieges an und ist während der geschilderten Ereignisse in Gebrauch.