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Die Gruppe schlich weiter durch den Tunnel. Wie lange hatte Taim an diesem Komplex gearbeitet? Er schien nicht gerade schrecklich groß zu sein – bis jetzt hatte es keine weiteren Abzweigungen gegeben –, trotzdem war er beeindruckend.

Plötzlich blieb Androl stehen, und die anderen folgten seinem Beispiel. Eine grollende Stimme hallte durch den Gang, zu leise, um die Worte verstehen zu können. Aber sie wurden von einem Lichtschein begleitet, der über die Wände flackerte. Pevara umarmte die Quelle und bereitete Gewebe vor. Falls sie die Macht lenkte, würde das jemandem im Fundament auffallen? Androl zögerte ebenfalls; an der Oberfläche die Macht zu lenken, um die Wächter zu töten, war schon verräterisch genug gewesen. Falls Taims Männer hier unten die Benutzung der Einen Macht spürten …

Eine Gestalt kam näher, das Licht beleuchtete einen Mann.

Neben Pevara ächzte etwas, als Jonneth seinen mittlerweile mit eingehakter Sehne versehenen Bogen von den Zwei Flüssen spannte. Der Tunnel war kaum hoch genug dafür. Jonneth ließ die Sehne los, etwas pfiff durch die Luft. Das Grummeln verstummte wie abgeschnitten, das Licht fiel zu Boden.

Die Gruppe eilte los und stieß auf Coteren. Mit gläsernem Blick starrte er zur Decke, aus seiner Brust ragte ein Pfeil. Seine Laterne brannte weiter auf dem Boden neben ihm. Jonneth holte seinen Pfeil zurück, dann wischte er ihn am Gewand des Toten sauber. »Darum trage ich noch immer einen Bogen, du verfluchter Sohn einer Ziege.«

»Da«, sagte Emarin und zeigte ein Stück voraus auf eine schwere Tür. »Coteren bewachte sie.«

»Haltet euch bereit«, flüsterte Androl, dann holte er tief Luft, eilte los und stieß die Holztür auf. Dahinter lag eine Reihe primitiver Zellen, die man in die Erde gegraben hatte – sie stellten kaum mehr als ein mit einer Türe verschlossenes Kämmerchen dar. Pevara spähte in eines hinein, aber es war leer. Es war nicht einmal groß genug, dass ein Mann dort aufrecht stehen konnte, und es war stockfinster. In diesen Zellen eingesperrt zu sein bedeutete, dass man in die Finsternis gesperrt war, in einen Raum gequetscht, der nicht größer als ein Grab war.

»Beim Licht!«, sagte Nalaam. »Androl! Er ist hier. Es ist Logain!«

Die anderen eilten zu ihm, und Androl knackte das Türschloss mit überraschend flinken Fingern. Sie zogen die Zellentür auf, und Logain rollte ihnen mit einem Aufstöhnen entgegen. Er sah schrecklich aus, war völlig verdreckt. Einst hatten ihn diese dunklen Locken und die stark ausgeprägten Züge durchaus attraktiv aussehen lassen. Er erschien so schwach wie ein Bettler.

Er hustete, dann richtete er sich mit Nalaams Hilfe auf die Knie auf. Androl kniete sich sofort hin, aber er tat es nicht aus Ehrerbietung. Er starrte Logain in die Augen, während Emarin dem Anführer der Asha’man seine Feldflasche reichte.

Er ist es, dachte Androl, und eine Welle der Erleichterung strömte durch den Bund. Er ist noch er selbst.

Hätten sie ihn Umgedreht, hätten sie ihn gehen lassen, erwiderte Pevara, die sich immer mehr an diese Gedankenübertragung gewöhnte.

Vielleicht. Es sei denn, das hier ist eine Falle. »Mein Lord Logain.«

»Androl.« Logains Stimme war heiser. »Jonneth. Nalaam. Und eine Aes Sedai?« Er musterte Pevara. Für einen Mann, der anscheinend Tage, wenn nicht sogar Wochen eingekerkert gewesen war, erschien er erstaunlich aufgeweckt. »Ich erinnere mich an Euch. Welcher Ajah gehört Ihr an, Frau?«

»Spielt das eine Rolle?«, erwiderte sie.

»Sogar eine große«, sagte Logain und versuchte zu stehen. Dazu war er aber zu schwach, und Nalaam musste ihn stützen. »Wie habt ihr mich gefunden?«

»Diese Geschichte kann warten, bis wir in Sicherheit sind, mein Lord«, sagte Androl. Er spähte durch den Türspalt. »Lasst uns gehen. Wir haben noch immer eine schwierige Nacht vor uns. Ich …«

Er erstarrte und schlug die Tür zu.

»Was ist?«, fragte Pevara.

»Die Macht wird gelenkt«, antwortete Jonneth. »Sehr stark.«

Im Gang draußen ertönten Rufe, gedämpft durch die Erdwände und die Tür.

»Man hat die Wächter gefunden«, sagte Emarin. »Mein Lord Logain, könnt Ihr kämpfen?«

Logain versuchte, aus eigener Kraft auf den Beinen zu stehen, sackte aber wieder zusammen. Seine Miene war entschlossen, aber Pevara fühlte Androls Enttäuschung. Man hatte Logain Spaltwurzel verabreicht; entweder das oder er war zu erschöpft, um die Macht lenken zu können. Das war nicht überraschend. Pevara hatte Frauen erlebt, die zu ausgelaugt waren, um die Quelle zu umarmen, und sie waren in einem viel besseren Zustand gewesen.

»Zurück!«, rief Androl und wich von der Tür fort – drückte sich gegen die Wand. Im nächsten Moment sprengte ein Gewebe aus Feuer und Zerstörung die Tür.

Pevara wartete nicht, bis die Trümmer zu Boden geregnet waren; sie webte Feuer und schleuderte eine Säule der Zerstörung in den Korridor. Sie wusste, dass sie Schattenfreunden oder Schlimmerem gegenüberstand. Die Drei Eide konnten sie hier nicht behindern.

Rufe ertönten, aber etwas wehrte das Feuer ab. Eine Abschirmung versuchte, sie von der Quelle zu trennen. Es gelang ihr gerade eben, den Angriff abzuwehren; schneller atmend duckte sie sich zur Seite.

»Wer auch immer das ist, sie sind stark«, sagte sie.

Eine Stimme hallte durch die Tunnel und gab offensichtlich Befehle, die in diesem Raum nicht deutlich zu verstehen waren.

Jonneth ging neben ihr auf die Knie, hielt den Bogen bereit. »Licht, das ist Taims Stimme!«

»Wir können uns hier nicht wehren«, sagte Logain. »Androl. Ein Wegetor.«

»Ich versuche es«, stieß Androl hervor. »Beim Licht, ich versuche es!«

»Bah.« Nalaam lehnte Logain gegen die Wand. »Ich habe schon schlimmer in der Klemme gesteckt!« Er gesellte sich zu den anderen an der Tür und schleuderte Gewebe in den Korridor. Explosionen erschütterten die Wände, Erde regnete von der Decke.

Pevara sprang zur Tür, warf ein Gewebe und ging neben Androl in die Knie. Er starrte ins Leere, das Gesicht eine Maske der Konzentration. Entschlossenheit und Frustration pulsierten durch den Bund. Sie nahm seine Hand.

»Ihr schafft das«, flüsterte sie.

Der Türrahmen explodierte, und Jonneth fiel mit verbranntem Arm zurück. Der Boden bebte; nun regnete auch immer mehr Erde von den Wänden.

Schweiß strömte über Androls Gesicht. Er biss die Zähne zusammen, wurde knallrot, riss die Augen auf. Rauch strömte in den Raum und ließ Emarin husten, während Nalaam Jonneth Heilte.

Androl schrie auf, und er näherte sich der Kante dieses Walls in seinem Verstand. Er war fast da! Er konnte …

Ein Gewebe traf den Raum, das ganze Erdreich wogte, und die in Mitleidenschaft gezogene Decke gab schließlich nach. Erdmassen stürzten auf sie herab, dann wurde alles um sie herum schwarz.

5

Die Bitte um eine Gunst

Rand al’Thor erwachte und nahm einen tiefen Atemzug. Er schlüpfte unter den Decken hervor, ließ Aviendha schlafen und warf sich einen Mantel über. Die Luft roch feucht.

Unwillkürlich musste er an die Morgen in seiner Jugend denken, als er vor Tagesanbruch aufgestanden war, um die Kuh zu melken, die zweimal am Tag gemolken werden musste. Mit geschlossenen Augen erinnerte er sich an den Lärm, den Tam, der schon viel früher aufgestanden war, in der Scheune gemacht hatte, wo er neue Zaunlatten zurechtschnitt. Erinnerte sich an die kühle Luft, mit den Füßen aufzustampfen, damit die Stiefel richtig saßen, sich das Gesicht mit Wasser zu waschen, das neben dem Herd stand und noch warm war.

Ein Bauer konnte jeden Morgen die Tür öffnen und auf eine Welt hinausschauen, die noch neu war. Scharfer Frost. Die ersten zögerlichen Vogelstimmen. Sonnenlicht am Horizont, als würde die Welt am Morgen gähnen.

Rand ging zum Zelteingang und zog die Plane zur Seite, nickte Katerin zu, einer kleinen blonden Tochter, die auf ihrem Posten stand. Er schaute auf eine Welt hinaus, die alles andere als neu war. Diese Welt war alt und müde, wie ein Kesselflicker, der zu Fuß zum Rückgrat der Welt und zurück gelaufen war. Das Feld von Merrilor war voller Zelte, der Rauch von Kochfeuern wehte säulenförmig dem noch dunklen Morgenhimmel entgegen.