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An der Westseite ihres Lagers fand Egwene eine Gruppe Aes Sedai, die sich stritten. Sie bahnte sich ihren Weg durch sie hindurch und ließ Schweigen zurück. Ein Stallbursche brachte ihr Pferd Sieber, einen reizbaren Wallach mit fleckiger Haut, und als sie aufstieg, betrachtete sie die Aes Sedai. »Nur Sitzende.«

Das rief eine Flut gesitteter Beschwerden hervor, von denen jede mit der Autorität einer Aes Sedai vorgetragen wurde. Jede Frau glaubte, ein Recht zu haben, an der Zusammenkunft teilzunehmen. Egwene starrte sie finster an, und langsam gehorchten die Frauen. Sie waren Aes Sedai; kleinlicher Zank lag unter ihrer Würde.

Die Sitzenden versammelten sich, und Egwene betrachtete das Feld von Merrilor, während sie wartete. Es handelte sich um ein großes Gebiet aus shienarischem Grasland, das die Form eines Dreiecks aufwies. An zwei Seiten von den sich hier vereinigenden Flüssen Mora und Erinin begrenzt, bestand die dritte Seite aus Wald. An einer Stelle des ebenen Geländes ragte der Dasharfels empor, eine ungefähr hundert Fuß hohe runde Felserhebung mit steilen Wänden; gegenüber auf der arafelischen Seite des Mora erhob sich die Polov-Anhöhe, ein etwa vierzig Fuß hoher, weitläufiger Hügel mit flacher Oberseite, der auf drei Seiten sanfte Hänge und auf der Flussseite einen steilen Abhang aufwies. Südwestlich der Polov-Anhöhe gab es Moorland, in dessen Nähe Untiefen im Mora lauerten, die auch unter dem Namen Hawalfurt bekannt waren und als bequemer Grenzübertritt zwischen Arafel und Shienar benutzt wurden.

Weit im Nordosten des Feldes befand sich ein Stedding der Ogier, das ein paar alten Steinruinen gegenüberstand. Egwene hatte dort kurz nach ihrer Ankunft einen Höflichkeitsbesuch gemacht, aber Rand hatte die Ogier nicht zu seiner Zusammenkunft eingeladen.

Armeen versammelten sich. Aus dem Westen, wo auch Rand sein Lager aufgeschlagen hatte, rückten die Flaggen der Grenzländer an. Darunter flatterte auch Perrins eigenes Banner. Schon seltsam, dass Perrin ein Banner haben sollte.

Aus dem Süden schlängelte sich Elaynes Prozession dem Treffpunkt entgegen, der sich genau in der Feldmitte befand. Die Königin ritt an der Spitze. Ihr Palast war niedergebrannt worden, aber sie hielt den Blick nach vorn gerichtet. Zwischen Perrin und Elayne marschierten die Tairener und Illianer – Licht, wer hatte diese Heere so nahe nebeneinander lagern lassen? – in voneinander getrennten Marschkolonnen; sie brachten beinahe ihre vollständigen Streitkräfte mit.

Am besten beeilte sie sich. Ihre Anwesenheit würde die Herrscher beruhigen und vielleicht Streit verhindern. Es würde ihnen nicht gefallen, in der Nähe so vieler Aiel zu sein. Abgesehen von den Shaido war hier jeder Clan mit einer Abordnung vertreten. Sie wusste noch immer nicht, ob sie Rand unterstützen würden oder sie. Einige der Weisen Frauen schienen auf ihre Bitten gehört zu haben, aber sie hatte keinerlei Versprechen erhalten.

Saerin zügelte neben ihr das Pferd. »Seht doch«, sagte die Braune Sitzende. »Habt Ihr das Meervolk eingeladen?«

Egwene schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hielt die Wahrscheinlichkeit für zu gering, dass sie gegen Rand sind.« In Wahrheit hatte sie nach ihrem Treffen mit den Windsucherinnen in Tel’aran’rhiod nicht wieder mit ihnen verhandeln wollen. Sie hatte befürchtet, aufzuwachen und herausfinden zu müssen, dass sie nicht nur ihr Erstgeborenes, sondern auch die Weiße Burg selbst weggegeben hatte.

Sie veranstalteten ein ziemliches Spektakel, kamen in ihrer farbenprächtigen Kleidung durch Wegetore in der Nähe von Rands Lager, die Herrinnen der Wogen und ihre Meister der Klingen so stolz wie Monarchen.

Beim Licht. Ich frage mich, wann es das letzte Mal eine Zusammenkunft dieser Größenordnung gegeben hat. Hier war fast jede Nation vertreten, dazu kamen noch andere Gruppen, wenn man das Meervolk und die Aiel mit hinzurechnete. Es fehlten nur Murandy, Arad Doman und die von den Seanchanern besetzten Länder.

Endlich waren die letzten Sitzenden aufgesessen und kamen an ihre Seite. Egwene konnte es kaum erwarten, dass es losging, wagte aber nicht, sich das anmerken zu lassen. Also ritt sie ganz langsam auf den Treffpunkt zu. Brynes Soldaten kamen dazu und bildeten eine Eskorte aus stampfenden Stiefeln und in die Höhe gehaltenen Piken. Ihre weißen Wappenröcke zeigten die Flamme von Tar Valon, aber sie überstrahlten die Aes Sedai nicht. Sie marschierten so, dass sie alle Blicke auf die Frauen in ihrer Mitte lenkten. Andere Heere verließen sich auf die Stärke ihrer Waffen. Die Weiße Burg hatte etwas Besseres.

Jedes Heer kam an dem Treffpunkt in der Mitte des Feldes zusammen, wo laut Rands Befehl keine Zelte errichtet worden waren. So viele Heere an einem Ort, der perfekte Voraussetzungen für einen Sturmangriff bot. Das hier durfte auf gar keinen Fall schiefgehen.

Elayne setzte ein Beispiel, indem sie den größten Teil ihrer Streitmacht auf halbem Weg anhalten ließ und nur mit einer kleineren Leibwache aus etwa hundert Männern weiterritt. Egwene tat das Gleiche. Andere Anführer traten vor, während ihr Gefolge einen großen Kreis um die Feldmitte bildete.

Sonnenlicht fiel auf Egwene, als sie sich der Mitte näherte. Das perfekte Loch in der Wolkendecke über dem Feld war ihr nicht entgangen. Rand beeinflusste die Dinge auf seltsame Weise. Er musste nicht verkünden lassen, dass er da war, benötigte kein Banner. Wenn er in der Nähe war, zogen sich die Wolken zurück und Sonnenlicht fiel zu Boden.

Dennoch hatte es nicht den Anschein, dass er das Zentrum bereits betreten hatte. Sie gesellte sich zu Elayne. »Elayne, es tut mir so leid«, sagte sie nicht zum ersten Mal.

Die blonde Frau hielt den Blick nach vorn gerichtet. »Die Stadt ist verloren, aber die Stadt ist nicht die Nation. Wir brauchen diese Zusammenkunft, aber wir müssen das schnell hinter uns bringen, damit ich nach Andor zurückkehren kann. Wo ist Rand?«

»Er lässt sich Zeit«, erwiderte Egwene. »So war er schon immer.«

»Ich habe mit Aviendha gesprochen«, sagte Elayne. Ihr Pferd tänzelte und schnaubte. »Sie hat die letzte Nacht mit ihm verbracht, aber er wollte ihr nicht sagen, was er heute vorhat.«

»Er hat etwas von Forderungen gesagt«, meinte Egwene und sah zu, wie sich die Herrscher mit ihrem Gefolge versammelten. Darlin Sisnera, der König von Tear, war der Erste. Er würde sie unterstützen, obwohl er Rand seine Krone verdankte. Die seanchanische Bedrohung bereitete ihm noch immer große Sorgen. Der Mann mittleren Alters mit dem dunklen Spitzbart war nicht besonders attraktiv, aber er war selbstsicher und selbstbeherrscht. Er verbeugte sich im Sattel vor Egwene, und sie hielt ihm ihren Ring entgegen.

Zuerst zögerte er, dann stieg er ab und kam heran, neigte den Kopf und küsste den Ring. »Das Licht erleuchte Euch, Mutter.«

»Ich bin froh, Euch hier zu sehen, Darlin.«

»Solange Euer Versprechen gilt. Wegetore in meine Heimat, sollte es erforderlich werden.«

»Es wird geschehen.«

Er verneigte sich erneut und betrachtete dann einen Mann, der von der anderen Seite auf Egwene zuritt. Gregorin, der Verwalter von Illian, war in vielerlei Hinsicht Darlin gleichwertig – aber nicht in allem. Rand hatte Darlin zum Verwalter von Tear ernannt, aber die Hochlords hatten darum gebeten, dass man ihn zum König krönte. Gregorin war bloß Verwalter geblieben. Der hochgewachsene Mann hatte in letzter Zeit an Gewicht verloren, sein rundes Gesicht mit dem üblichen illianischen Bart erschien eingefallen. Er wartete nicht auf Egwenes Aufforderung; er schwang sich vom Sattel, nahm ihre Hand, machte eine elegante Verbeugung und küsste den Ring.

»Ich bin erfreut, dass Ihr beiden Eure Differenzen zur Seite legen konntet, um mich bei dieser Aufgabe zu unterstützen«, sagte Egwene und zog ihre Aufmerksamkeit von den gegenseitigen finsteren Blicken fort auf sie selbst.

»Die Absichten des Lord Drachen sind … besorgniserregend«, meinte Darlin. »Er erwählte mich zum Führer von Tear, weil ich ihm Widerstand leistete, als ich es für angebracht hielt. Ich glaube, er wird auf die Vernunft hören, wenn ich sie ihm darlege.«