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Sie verstummte, als sie ihn kommen sah. Rand schritt in Rot und Gold über das verwelkende Gras. Neben ihm schwebte ein gewaltiges Bündel in der Luft, das von für sie unsichtbaren Geweben gehalten wurde.

Wo er hintrat, wurde das Gras wieder grün.

Die Veränderung griff um sich. Wo immer er den Fuß hinsetzte, erholte sich der Boden. Es breitete sich von ihm aus wie ein weiches Licht, das durch aufgestoßene Fensterläden fiel. Männer traten zurück, Pferde scharrten mit den Hufen. Innerhalb weniger Minuten stand der ganze Kreis aus Soldaten auf Gras, das wieder lebte.

Wann hatte sie zuletzt ein schlichtes grünes Feld gesehen? Egwene atmete aus. Ein Teil des Zwielichts dieses Tages war wie weggeblasen. »Ich würde viel Geld dafür bezahlen, um zu wissen, wie er das angestellt hat«, murmelte sie kaum hörbar.

»Ein Gewebe?«, fragte Gawyn. »Ich habe gesehen, wie Aes Sedai im Winter Blumen blühen lassen.«

»Ich kenne kein Gewebe, das so groß wäre«, sagte Egwene. »Es fühlt sich so natürlich an. Sieh zu, ob du herausfinden kannst, wie er das macht. Vielleicht lässt es sich eine der Aes Sedai, die Asha’man-Behüter haben, entlocken.«

Gawyn nickte und ritt los.

Rand ging weiter, gefolgt von dem riesigen schwebenden Bündel, Asha’man in Schwarz und einer Ehrenwache Aiel. Die Aiel hielten nichts von geschlossenen Reihen und schwärmten aus. Selbst Soldaten, die Rand folgten, wichen vor den Aiel zurück. Für viele der älteren Soldaten bedeutete eine braune Welle wie die hier nur den Tod.

Rand ging ganz ruhig und zielstrebig. Das Bündel, das er mit einem Gewebe Luft getragen hatte, überholte ihn und entfaltete sich. Große Bahnen von Zeltplanen flatterten im Wind, wickelten sich umeinander und zogen lange Stöcke hinter sich her. Holzpfosten und Metallpflöcke fielen heraus, und Rand fing sie mit unsichtbaren Strömen Luft und ließ sie herumwirbeln.

Nicht ein Mal kam er dabei aus dem Tritt. Er sah nicht ein Mal zu dem Mahlstrom aus Stoff, Holz und Eisen hoch, während die Zeltplane vor ihm zappelte wie ein aus dem Meer gezogener Fisch. Kleine Erdklumpen brachen aus dem Boden. Einige Soldaten sprangen zur Seite.

Er ist wirklich zu einem Gaukler geworden, dachte Egwene, als sich die Pfosten drehten und in die frischen Löcher senkten. Zeltplanen wickelten sich darum und banden sich selbst fest. In wenigen Sekunden stand dort ein gewaltiger Pavillon, an dessen Ende das Drachenbanner flatterte, während auf der anderen Seite das Banner mit dem uralten Symbol der Aes Sedai wehte.

Rand wurde nicht langsamer, als er den Pavillon erreichte und sich der Eingang für ihn öffnete. »Jeder von Euch darf fünf mitbringen«, verkündete er, während er eintrat.

»Silviana«, sagte Egwene, »Saerin, Romanda, Lelaine. Gawyn wird der fünfte sein, wenn er zurückkehrt.«

Der Rest der Sitzenden ertrug die Entscheidung stumm. Sie konnten sich nicht darüber beschweren, dass sie ihren Behüter zum Schutz mitnahm oder ihre Bewahrerin der Chroniken zur Unterstützung. Die anderen drei, die sie ausgewählt hatte, wurden allgemein für die einflussreichsten Frauen in der Burg gehalten, und von den vier Schwestern gehörten je zwei Aes Sedai zu der ehemaligen Rebellenfraktion aus Salidar und zwei zu den Loyalisten aus der Weißen Burg.

Die anderen Herrscher ließen Egwene den Vortritt. Sie hatten alle begriffen, dass es bei dieser Konfrontation im Grunde um Rand und Egwene ging. Beziehungsweise um den Drachen und den Amyrlin-Sitz.

In dem Pavillon gab es keine Stühle, allerdings hatte Rand Saidin-Lichtkugeln in den Ecken aufgehängt, und ein Asha’man stellte in der Mitte einen kleinen Tisch auf. Egwene zählte schnell. Dreizehn Lichtkugeln.

Rand stand ihr gegenüber, die Arme auf dem Rücken verschränkt, die eine Hand hielt den Unterarm, wie es seine Gewohnheit geworden war. Min stand an seiner Seite, eine Hand auf seinen Arm gelegt.

»Mutter«, sagte er und nickte.

Also wollte er betont förmlich sein und Respekt vortäuschen? Egwene nickte zurück. »Lord Drache.«

Die anderen Herrscher traten mit ihrem kleinen Gefolge ein. Viele erschienen zaghaft, bis Elayne hineingerauscht kam. Die Trauer in ihrer Miene hellte sich auf, als Rand ihr voller Wärme zulächelte. Die wollköpfige Frau war noch immer von ihm beeindruckt, war erfreut, wie es ihm gelungen war, jeden so lange unter Druck zu setzen, bis er kam. Elayne war stolz auf ihn, wenn ihm etwas gut gelang.

Und du fühlst keinen Stolz?, fragte sich Egwene. Rand al’Thor, einst ein einfacher Bauernjunge und beinahe dein Verlobter, und nun ist er der mächtigste Mann auf der Welt. Bist du nicht stolz auf das, was er erreicht hat?

Vielleicht ein bisschen.

Die Grenzländer traten geführt von König Easar von Shienar ein, und an ihnen war gar nichts zaghaft. Die Domani wurden von einem älteren Mann geführt, der Egwene unbekannt war.

»Alsalam«, flüsterte Silviana und klang überrascht. »Er ist zurückgekehrt.«

Egwene runzelte die Stirn. Warum hatte ihr keiner ihrer Informanten mitgeteilt, dass er aufgetaucht war? Licht. Wusste Rand, dass die Weiße Burg versucht hatte, ihn gefangen zu nehmen? Sie hatte das selbst erst vor wenigen Tagen entdeckt; es war in Elaidas Papieren begraben gewesen.

Cadsuane trat ein, und Rand nickte ihr zu, als würde er ihr die Erlaubnis geben. Sie brachte keine fünf Leute mit, aber er schien auch nicht zu wollen, dass man sie zu dem Gefolge der Amyrlin zählte. Das empfand Egwene als beunruhigenden Präzedenzfall. Perrin trat mit seiner Ehefrau ein, und sie blieben an der Seite. Perrin verschränkte die baumstammähnlichen Arme vor der Brust; seinen neuen Hammer trug er am Gürtel. Er war viel leichter zu durchschauen als Rand. Er war besorgt, aber er vertraute Rand. Nynaeve tat das ebenfalls, sollte sie doch zu Asche verbrennen. Sie nahm ihre Position neben Perrin und Faile ein.

Die Clanhäuptlinge der Aiel und die Weisen Frauen kamen als große Gruppe; offensichtlich bedeutete Rands »bringt nur fünf«, dass jeder Clanhäuptling fünf Leute mitbrachte. Ein paar der Weisen Frauen, darunter Sorilea und Amys, begaben sich auf Egwenes Seite des Zeltes.

Das Licht segne sie, dachte Egwene und stieß die angehaltene Luft aus. Rands Blick huschte zu den Frauen, und Egwene entging nicht, wie sich seine Lippen kurz anspannten. Er war überrascht, dass ihn nicht jeder Aiel vorbehaltlos unterstützte.

König Roedran von Murandy war einer der Letzten, der den Pavillon betrat, und Egwene fiel dabei etwas Seltsames auf. Hinter Roedran kamen einige von Rands Asha’man – Narishma, Flinn und Naeff. Ein paar andere in seiner Nähe sahen so aufmerksam wie Katzen aus, die in der Nähe einen Wolf gesehen hatten.

Rand trat zu dem kleineren, korpulenten Mann und schaute ihm in die Augen. Roedran stotterte etwas, dann fing er an, sich die Stirn mit einem Taschentuch abzuwischen. Rand starrte ihn weiterhin an.

»Was soll das?«, verlangte Roedran zu wissen. »Ihr seid angeblich der Wiedergeborene Drache. Ich wüsste nicht, dass ich Euch erlaubt habe …«

»Ruhe«, sagte Rand und hob einen Finger.

Roedran verstummte wie abgeschnitten.

»Das Licht soll mich verbrennen«, sagte Rand. »Ihr seid gar nicht er, oder?«

»Wer?«, fragte Roedran.

Rand wandte sich von ihm ab und gab Narishma und den anderen mit der Hand ein Zeichen, dass sie sich entspannen sollten. Zögernd gehorchten sie. »Ich war mir so sicher …«, sagte Rand kopfschüttelnd. »Wo seid Ihr?«

»Wer?«, fragte Roedran laut. Es war fast ein Kreischen.

Rand ignorierte ihn. Der Pavilloneingang kam zur Ruhe, da alle eingetreten waren. »Also«, sagte Rand. »Wir sind alle da. Danke, dass Ihr gekommen seid.«