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»Wie stattlich du bist!« ruft Artamonow entzückt aus und streichelt den heißen, üppigen Körper der Frau. »Und so kräftig! Du hast wohl wenig Kinder geboren?«

»Außer Natalia waren es zwei. Sie waren zu schwach und sind gestorben.«

»Das bedeutet, daß dein Mann nicht viel wert war ...«

»Du wirst es nicht glauben,« flüstert sie, »ich wußte ja vor dir garnicht, was Liebe ist. Meine Freundinnen und die Frauen erzählten manchmal davon, ich glaubte es aber nicht, ich dachte: sie lügen aus Scham, und legte mich wie auf die Folter ins Bett. Ich betete zu Gott: er sollte einschlafen und mich nicht anrühren! Er war ein guter Mensch, still und klug, Gott hatte ihm aber kein Talent für die Liebe gegeben.«

Ihre Worte erregen und überraschen Artamonow. Er brummt, ihre üppigen Brüste streichelnd:

»Ich wußte gar nicht, daß sowas vorkommt. Ich dachte: jeder Mann sei dem Weibe angenehm.«

Er fühlt sich stärker und klüger neben dieser Frau, die bei Tag stets die gleichmäßig ruhige und vernünftige Hausfrau ist und die in der Stadt wegen ihres Verstandes und weil sie lesen und schreiben kann, geachtet wird. Einmal sagte er, durch ihre mädchenhaften Liebkosungen entzückt:

»Ich verstehe, was für Unannehmlichkeiten du dich aussetzt. Wir haben einen Fehler begangen, indem wir unsere Kinder miteinander verheirateten: ich hätte lieber dich nehmen sollen ...«

»Du hast gute Kinder, und es wäre weiter kein Unglück, wenn sie etwas über uns erfahren sollten. Aber wenn die Stadt davon Wind bekäme ...« Sie zitterte am ganzen Leib.

»Was macht denn das?« flüsterte Ilja.

Einmal fragte sie neugierig:

»Sag einmaclass="underline" du hast ja einen Menschen umgebracht, träumst du nicht von ihm?«

Ilja antwortete, sich gleichzeitig den Bart kratzend:

»Nein, ich schlafe fest, ich träume nicht. Wovon sollte ich auch träumen? Ich habe nicht einmal gesehen, wer er war. Man schlug mich so, daß ich mich mit Mühe auf den Beinen hielt; da schleuderte ich irgendwem die Wurfkugel an den Schädel, dann einem andern, – der dritte lief davon.«

Er seufzte und brummte gekränkt:

»Man wird von irgendwelchen Dummköpfen überfallen und muß sich ihretwegen vor Gott verantworten.«

Er lag einige Minuten schweigend da.

»Schläfst du?«

»Nein.«

»Geh, es wird schon Tag! Willst du jetzt auf den Bauplatz? Ach, du kommst ja durch mich ganz von Kräften ...«

»Habe keine Angst, es hat für die Werktage genügt, da wird es auch für den Feiertag reichen«, prahlte Artamonow und kleidete sich an.

Artamonow geht durch die Kühle und durch das perlmutterfarbene Dunkel des Frühmorgens; er schreitet über seinen Grund, hält die Hände auf dem Rücken unter dem Kaftan, der wie ein Hahnenschwanz in die Höhe steht, zerstampft mit dem schweren Fuß Holzstücke und Hobelspäne und denkt:

»Man muß Aljoscha sich austoben lassen, er soll sich die Hörner ablaufen. Ein schwieriger, aber guter Kerl.«

Er legt sich auf den Sand oder auf einen Spänehaufen und schläft rasch ein. Auf dem grünlichen Himmel entbrennt freudig das Morgenrot; jetzt rollt die Sonne prahlend den Pfauenschwanz ihrer Strahlen über der Erde auseinander und folgt ihm dann selbst in goldenem Schimmer nach; die Arbeiter sind erwacht und warnen einander beim Anblick des ausgestreckten großen Körpers:

»Pst! Hier! ...«

Tichon Wialow mit den breiten Backenknochen hält einen Eisenspaten auf der Schulter und sieht Artamonow mit den blinzelnden Augen so an, als wollte er über ihn hinübersteigen, als traute er sich aber nicht recht.

Die ameisenartige Geschäftigkeit der Leute, das Schreien und Klopfen weckten den großen Mann nicht, der mit zum Himmel gewandtem Gesicht wie eine stumpfe Säge schnarchte. Der Erdarbeiter geht weg und sieht sich blinzelnd um, als hätte ihn jemand auf den Kopf geschlagen. Alexej tritt in weißem Leinenhemd und blauen Hosen aus dem Hause; leise, als schwebte er durch die Luft, geht er baden und weicht vorsichtig dem Onkel aus, da er ihn durch das leise Knistern der Holzspäne unter den Füßen zu wecken fürchtet. Nikita ist schon beim Morgengrauen in den Wald gefahren; er bringt von dort fast täglich etwa zwei Fuhren Humuserde mit, die er auf der für den Garten freigemachten Stelle ablädt; er hat schon Birken, Ebereschen, Ahorn- und Faulbäume gesetzt und gräbt jetzt in den Sand tiefe Gruben, die er mit Dünger, Schlamm und Lehm füllt; das ist für die Obstbäume. An den Feiertagen hilft ihm Tichon Wialow bei der Arbeit.

»Gärten anlegen ist eine harmlose Sache«, sagt er.

Pjotr Artamonow geht, sich am Ohr zupfend, herum und beaufsichtigt die Arbeit. Die Säge schnarcht, sich mit Behagen ins Holz hineinfressend, die Hobel pfeifen und kratzen, die Äxte hauen dröhnend, man hört das appetitliche Aufklatschen des Kalkes und das Schluchzen des Schleifsteins, der die Axtschneide beleckt. Die Schreiner singen beim Heben der Balken »Das Lied von der Eiche«, und eine junge Stimme läßt laut ertönen:

»Sachari kam zur Base,

Schlug Marja auf die Nase ...«

»Sie singen rohe Lieder«, sagt Pjotr zum Erdarbeiter Wialow. Der antwortet, bis zu den Knien im Sande stehend:

»Es bleibt sich gleich, was man singt ...«

»Wieso denn?«

»Worte haben keine Seele.«

»Ein seltsamer Mensch«, dachte Pjotr, sich wegwendend, und erinnerte sich, daß Wialow, als der Vater ihm die Stelle eines Arbeiteraufsehers anbot, auf seine Füße sah und antwortete:

»Nein, ich tauge nicht für so etwas; ich verstehe es nicht, den Leuten zu befehlen. Stell' mich lieber als Hausknecht an...«

Der Vater hatte über ihn tüchtig geschimpft.

... Es kam der kalte, nasse Herbst, die Gärten bedeckten sich mit Rost, auch die an schwarzes Eisen erinnernden Wälder wiesen fuchsrote Rostflecken auf, es pfiff ein feuchter Wind und jagte die blassen, zertretenen Holzspäne in den Fluß. Jeden Morgen fuhren mit Flachs beladene, von zottigen Pferden gezogene Wagen vor dem Schuppen vor. Pjotr übernahm die Ware und paßte besorgt auf, daß diese finsteren, bärtigen Bauern keinen »schwitzenden« – des Gewichtes wegen mit Wasser benetzten – Flachs unterschoben und die einfache Ware nicht zum Preise der »langfaserigen« verkauften. Er kam mit den Bauern schwer aus; der ungeduldige Alexej schimpfte wütend mit ihnen herum. Der Vater war nach Moskau gereist, gleich darauf begab sich auch die Schwiegermutter, angeblich zur Wallfahrt, dorthin. Des Abends, beim Tee und Abendbrot beklagte sich Alexej zornig:

»Es ist langweilig, hier zu leben. Ich liebe die hiesigen Leute nicht ...«

Dadurch brachte er Pjotr immer auf.

»Es liegt wohl auch an dir! Du suchst mit allen Händel, du prahlst gerne.«

»Ich habe Grund dazu, – da prahle ich eben.«

Er schüttelte die Locken, streckte die Schultern, hob die Brust hoch und betrachtete mit frech blinzelnden Augen die Brüder und die Schwägerin. Natalia wich ihm aus, als fürchtete sie etwas an ihm, und sprach zurückhaltend mit ihm.

Am Nachmittag, wenn ihr Mann und Alexej wieder an die Arbeit gingen, begab sie sich in Nikitas kleines, mönchisches Zimmer und setzte sich, eine Näharbeit in den Händen, in den Sessel, den der Bucklige für sie kunstvoll aus Birkenholz angefertigt hatte. Nikita hatte die Kontorarbeiten übernommen und schrieb und rechnete von früh bis spät; wenn aber Natalia erschien, unterbrach er seine Tätigkeit und erzählte ihr davon, wie die Fürsten lebten, und was für Blumen in ihren Treibhäusern wuchsen. Seine hohe Mädchenstimme klang gespannt und freundlich, und seine blauen Augen blickten zum Fenster hinaus, an dem Gesicht der jungen Frau vorbei, die, über die Näharbeit gebeugt so versonnen, schwieg, wie ein Mensch, der mit sich allein ist. Sie saßen eine bis zwei Stunden da, fast ohne einander anzublicken; ab und zu umfing aber Nikita die Schwägerin vorsichtig und wie unwillkürlich mit der freundlichen Wärme seiner blauen Augen, und seine großen Hundeohren röteten sich merklich. Sein gleitender Blick veranlaßte manchmal die junge Frau, den Schwager auch anzusehen und ihm ein gnädiges Lächeln zu schenken, das seltsam war; manchmal fühlte Nikita darin ein Erraten dessen, was ihn bewegte, manchmal erschien ihm dieses Lächeln aber gekränkt und kränkend, und er senkte im Schuldgefühl die Augen.