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»Er legt wohl einen Gemüsegarten an«, rieten die Bürger. »So ein Dummkopf! Kann man denn Sand düngen?«

Bei Sonnenuntergang, wenn die Artamonows im Gänsemarsch, der Vater voran, den Fluß durchwateten und ihren Schatten auf das grünliche Wasser warfen, zeigte Pomialow hin:

»Schaut, schaut, was für einen Schatten der Bucklige hat!«

Und alle sahen, daß der Schatten von Nikita, der als Dritter ging, seltsam schwankte und gewichtiger als der seiner Brüder zu sein schien. Einmal, nach einem reichlichen Regenfall, stieg das Wasser im Fluß, und der Bucklige, der über Algen gestolpert oder in eine Vertiefung geraten war, verschwand im Wasser. Alle Zuschauer auf dem Ufer lachten belustigt, nur Olguschka Orlowa, die dreizehnjährige Tochter des stets betrunkenen Uhrmachers, schrie kläglich:

»Oh, oh, er ertrinkt!«

Sie erhielt einen Stoß in den Nacken:

»Schrei' nicht ohne Grund.«

Alexej, der als Letzter marschierte, tauchte unter, packte Nikita, stellte ihn auf die Füße, und als sie beide naß und mit Schlamm beschmutzt auf das Ufer stiegen, ging Alexej geradeaus auf die Bürger los, so daß sie ihm Platz machten. Jemand sagte ängstlich:

»Sieh' nur einer das wilde Tier an ...«

»Man liebt uns nicht«, bemerkte Pjotr. Der Vater blickte ihm im Gehen ins Gesicht:

»Laß ihnen Zeit – sie werden uns schon liebgewinnen.«

Und er beschimpfte Nikita:

»Du Vogelscheuche! Paß auf deine Füße auf, und mache dich vor den Leuten nicht lächerlich! Wir sind nicht zur Belustigung da, du Plumpsack!«

Die Artamonows lebten, ohne mit jemand Bekanntschaft zu schließen. Die Wirtschaft besorgte ihnen eine dicke, schwarz gekleidete Alte. Sie band sich ihr Kopftuch so zusammen, daß dessen Enden wie Hörner in die Höhe standen und sprach mit schwerer Zunge so wenig und unverständlich, als wäre sie keine Russin; von ihr konnte man über die Artamonows gar nichts erfahren.

»Sie tun so, als ob sie Mönche wären, diese Räuber ...«

Man stellte fest, daß der Vater und der älteste Sohn oft in der Umgegend herumfuhren und den Bauern zuredeten, Flachs zu säen. Bei einer dieser Fahrten wurde Ilja Artamonow von flüchtigen Soldaten angefallen; er tötete einen davon mit einer Wurfkugel – einem an einen gegerbten Riemen gebundenen Zweipfundgewicht – und schlug dem zweiten den Schädel ein, der dritte entfloh. Der Isprawnik lobte Artamonow deswegen, während der junge Geistliche der armen Pfarre von Iljinskoje ihm für den Mord eine Buße auferlegte: er mußte vierzig Nächte im Gebet in der Kirche stehend verbringen.

An den Herbstabenden las Nikita dem Vater und den Brüdern aus den Heiligenlegenden und den Belehrungen der Kirchenväter vor, doch unterbrach der Vater ihn häufig:

»Diese Weisheit ist so erhaben, daß unser Verstand sie doch nicht erfassen kann. Wir sind einfache Arbeiter, es ist nicht unsere Sache, darüber nachzudenken, wir sind für ein einfaches Leben geboren. Der verstorbene Fürst Juri hat siebentausend Bücher gelesen und hat sich so in allerlei Gedanken vertieft, daß er auch den Glauben an Gott verloren hat. Er hat alle Länder bereist, wurde von allen Königen empfangen, ein berühmter Mann war er! Als er aber eine Tuchfabrik baute, ging die Sache nicht. Und was er auch anfangen mochte, er brachte es zu nichts. So war er sein ganzes Leben auf das Brot der Bauern angewiesen.«

Er sprach bei dieser Unterhaltung mit Nachdruck und belehrte von neuem seine Kinder:

»Ihr werdet es im Leben schwer haben, ihr seid euch selbst Gesetz und Schutz. Ich habe aber nicht frei gelebt, sondern wie mir befohlen wurde, und ich sah oft: es sollte so manches anders sein, ich konnte aber nichts dagegen tun; es war nicht meine Sache, sondern die der Herrschaft. Ich fürchtete mich nicht nur, etwas auf meine Art zu machen, sondern ich wagte nicht einmal daran zu denken, um meinen Verstand nicht mit dem der Herrschaft durcheinander zu bringen. Hörst du, Pjotr?«

»Jawohl.«

»Na also. Verstehe es recht. Man lebt also, und doch ist es so, als wäre man gar nicht da. Natürlich hat man dabei auch weniger Verantwortung zu tragen, – du gehst ja nicht selbst, sondern man lenkt dich. Es ist leichter, ohne Verantwortung zu leben, doch es kommt dabei wenig Rechtes heraus.«

Manchmal sprach er eine Stunde lang oder zwei und fragte dabei immerzu, ob die Kinder zuhörten. Er sitzt mit herabbaumelnden Beinen auf dem Ofen, gleitet mit den Fingern durch die Bartlöckchen und schmiedet bedächtig ein Glied seiner Wortkette nach dem anderen. In der großen, sauberen Küche herrscht warmes Dunkel, hinter dem Fenster pfeift der Sturm und streichelt mit seidigem Griff die Scheiben. Oder der Frost knistert in dem eisigen Blau. Pjotr sitzt vor einem Talglicht am Tisch, raschelt mit Papieren und klappert leise mit den Kügelchen des Rechenbretts, Alexej hilft ihm, und Nikita flicht kunstvolle Körbe aus Ruten.

»Jetzt hat uns der Zar und Herr die Freiheit gegeben. Das will verstanden sein: wie wurde die Freiheit eingeschätzt? Ohne Berechnung wird nicht einmal ein Schaf aus dem Stall herausgelassen, und hier hat man das ganze Volk, viele Tausende, freigelassen. Das bedeutet: Der Kaiser hat begriffen, daß bei den Herrschaften nicht viel zu holen ist, sie verleben alles selbst. Fürst Georgi ist noch vor der Freiheit selbst draufgekommen und hat zu mir gesagt: unfreiwillige Arbeit ist unvorteilhaft. Und nun vertraut man uns die freie Arbeit an. Jetzt wird auch der Soldat nicht mehr fünfundzwanzig Jahre lang das Gewehr herumschleppen, sondern da heißt es, geh' arbeiten! Jetzt muß jeder zeigen, wofür er taugt. Dem Adel steht das Ende bevor, jetzt seid ihr selber Edelleute, – hört ihr's?«

Uljana Bajmakowa hatte fast drei Monate im Kloster verbracht, und als sie nach Hause zurückkehrte, fragte Artamonow sie gleich am nächsten Tage:

»Werden wir bald Hochzeit feiern?«

Sie war empört und funkelte zornig mit den Augen. »Was fällt dir ein, besinne dich! Seit dem Tode des Vaters ist noch kein halbes Jahr vergangen, und du ... Weißt du nicht, was Sünde ist?«

Artamonow unterbrach sie aber streng:

»Ich sehe darin keine Sünde, Gevatterin. Die Herrschaften treiben noch ganz andere Dinge, und Gott erträgt es. Ich bin in Verlegenheit; Pjotr benötigt eine Hausfrau.«

Darauf. fragte er, wieviel Geld sie besitze. Sie antwortete:

»Mehr als fünfhundert gebe ich meiner Tochter nicht mit!«

»Du wirst schon mehr geben«, sprach der großgewachsene Bauer sicher und gleichgültig, indem er sie unverwandt ansah. Sie saßen einander gegenüber am Tisch. Artamonow stützte sich auf die Ellbogen und versenkte die Finger beider Hände in das dichte Vlies des Bartes, während die Frau sich mit gerunzelten Brauen mißtrauisch aufrichtete. Sie war weit über dreißig, erschien aber bedeutend jünger, und in ihrem satten, rotwangigen Gesicht leuchteten streng die klugen, grau schimmernden Augen. Artamonow erhob sich und stand in gerader Haltung da.

»Du bist schön, Uljana Iwanowna.«

»Und was sagst du mir noch?« fragte sie zornig und spöttisch.

»Weiter nichts!«

Er ging unwillig, mit schwer stampfenden Schritten fort. Die Bajmakowa sah ihm nach und streifte bei der Gelegenheit mit den Augen die Spiegelfläche, indem sie ärgerlich flüsterte:

»Bärtiger Teufel! Was mengt er sich so ein ...«

Da sie sich vor diesem Menschen in Gefahr fühlte, ging sie zu ihrer Tochter hinauf, traf aber Natalia nicht an, und als sie durchs Fenster blickte, sah sie die Tochter auf dem Hof am Tor. Neben ihr stand Pjotr. Die Bajmakowa lief die Treppe hinunter und rief, am Hauseingang stehenbleibend:

»Natalia – komm nach Hause!«

Pjotr grüßte.

»Es gehört sich nicht, mein guter Junge, daß man sich mit einem Mädchen unterhält, wenn die Mutter nicht dabei ist! Das darf in Zukunft nicht mehr vorkommen.«

»Sie ist mit mir verlobt«, erinnerte Pjotr.