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»Das bleibt sich gleich, – wir haben unsere eigenen Sitten«, sagte die Bajmakowa, fragte sich aber selbst dabei:

»Weswegen bin ich zornig? Sollen die jungen Leute sich denn nicht herzen? Das ist nicht recht. Es ist, als ob ich meine eigene Tochter beneidete.«

In der Stube riß sie dennoch die Tochter schmerzhaft am Zopf und verbot ihr, mit dem Bräutigam unter vier Augen zu sprechen. »Wenn er dir auch angelobt ist, aber – es kommt Regen, es kommt Schnee, es gibt oder es gibt keine Eh'«, sagte sie streng.

Eine unbestimmte Unruhe trübte ihre Gedanken; nach einigen Tagen ging sie zur Jerdanskaja, um sich wahrsagen zu lassen. Zu der dicken, an eine Kirchenglocke erinnernden Wahrsagerin mit dem Kropf trugen alle Frauen der Stadt ihre Sünden, Ängste und Kränkungen. »Da gibt es nichts weiter zu prophezeien«, sagte die Jerdanskaja. »Ich will dir gerade heraus sagen, mein Herz: halte dich an diesen Mann. Meine Augen steigen mir nicht umsonst bis in die Stirn – ich kenne die Menschen, ich durchschaue sie wie mein Spiel Karten. Sieh doch, wie ihm alles gelingt, alle Geschäfte rollen bei ihm wie eine Kugel, unsere Leute lassen vor Zorn und Neid nur ihren Speichel rinnen. Nein, mein Herz, fürchte dich nicht vor ihm, er lebt nicht wie ein Fuchs, sondern wie ein Bär.«

»Ja, das ist es eben, – wie ein Bär«, stimmte die Witwe bei und erzählte seufzend der Wahrsagerin: »Ich fürchte mich, ich bin gleich beim erstenmal, als er um meine Tochter freite, so erschrocken. Er ist plötzlich, von niemandem gekannt, wie aus einer Wolke heruntergefallen und wollte sich in die Familie eindrängen. Macht man es denn so? Ich weiß noch, – wie er sprach und ich ihm in die frechen Augen sah, mußte ich zu allen seinen Worten ja sagen und mit allem einverstanden sein, als hätte er mich an der Kehle gepackt.«

»Das bedeutet, daß er an seine Kraft glaubt«, erklärte die weise Hostienbäckerin.

Das alles beruhigte jedoch die Bajmakowa nicht, obwohl die Wahrsagerin, die sie aus ihrem dunklen, vom schwülen Heilkräutergeruch gesättigten Zimmer hinausbegleitete, ihr zum Abschied sagte:

»Merke dir: die Dummen haben nur im Märchen Glück ...«

Sie lobte Artamonow verdächtig laut, so laut und oft, daß sie bestochen zu sein schien. Dagegen sprach die große, dunkle, und wie ein gesalzener Zander aussehende Matriona ganz anders: »Die ganze Stadt seufzt und stöhnt deinetwegen, Uljana. Wieso fürchtest du dich vor den Fremden nicht? Oh, sei auf der Hut! Nicht umsonst ist der eine Bursche bucklig, – die Eltern haben wohl nicht wenig gesündigt, daß er als Krüppel geboren wurde ...«

Die Witwe Bajmakowa hatte es schwer, und sie schlug ihre Tochter immer öfter, obwohl sie selbst fühlte, daß sie ihr grundlos zürnte. Sie bemühte sich, ihre Mieter möglichst selten zu sehen. Diese Menschen standen ihr immer häufiger im Wege und verdüsterten durch Unruhe ihr Leben.

Unmerklich war der Winter herangeschlichen und überfiel die Stadt mit dröhnenden Schneestürmen und heftigen Frösten; er verschüttete Straßen und Häuser mit zuckrigen Schneehügeln, setzte den Starhäusern und Kirchturmspitzen Mützen aus Watte auf und schmiedete die Flüsse und das rostige Sumpfwasser in weißes Eisen. Auf dem Eise der Oka wurden Faustkämpfe der Bürger mit den Bauern der umliegenden Dörfer abgehalten. Alexej beteiligte sich an jedem Feiertag an den Kämpfen und kehrte immer zornig und verprügelt nach Hause zurück.

»Wie steht's, Alexej?« fragte Artamonow. »Die Kämpfer hier sind wohl geschickter als die unsrigen?«

Alexej rieb sich die blutunterlaufenen Stellen mit einer Kupfermünze oder mit Eisstücken und schwieg düster, mit den Habichtsaugen funkelnd. Pjotr aber sagte einmaclass="underline"

»Alexej kämpft geschickt; er wird aber von den eigenen Leuten, den Städtern, geschlagen.«

Ilja Artamonow legte die Faust auf den Tisch und fragte:

»Weswegen?«

»Man liebt uns nicht.«

»Wen? Den Jakow?«

»Uns allesamt liebt man nicht.«

Der Vater schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Licht aus dem Leuchter sprang und erlosch. Im Dunkel schrie er:

»Was sprichst du mir wie ein Mädel immer von Liebe? Ich will solche Worte nicht mehr hören!«

Nikita zündete das Licht wieder an und sagte leise:

»Alexej sollte lieber nicht zu diesen Kämpfen gehen.«

»Damit die Leute spotten: Artamonow hat Angst gekriegt! Schweig, du Mesner! Rotzjunge!«

Nachdem Ilja alle ausgeschimpft hatte, sagte er nach einigen Tagen beim Abendbrot mit freundlichem Brummen:

»Kinder, ihr solltet Bären jagen gehen, das ist ein schöner Zeitvertreib! Ich bin immer mit dem Fürsten Georgi in die Riasaner Wälder gegangen, – da haben wir dem Bärenvolk mit dem Baumspieß den Garaus gemacht. Das war interessant!«

Er kam in Stimmung und erzählte einige Fälle von glücklichen Jagdabenteuern. Nach einer Woche begab er sich mit Pjotr und Alexej in den Wald und tötete einen stämmigen alten Bären. Darauf gingen die Brüder allein hin und jagten die Bärin auf, sie zerriß Alexej die Pelzjoppe und zerkratzte ihm die Hüfte, die Brüder überwältigten sie aber und brachten ein paar Bärenjunge mit heim, das getötete Tier aber ließen sie den Wölfen zur Mahlzeit ...

»Nun, wie leben deine Artamonows?« fragten die Städter die Bajmakowa.

»Es geht, ganz gut.«

»Ja, ja, – im Winter ist das Schwein ruhig«, bemerkte Pomialow.

Die Witwe wollte es nicht glauben, fühlte aber doch, daß das feindselige Verhalten gegen die Artamonows sie seit einiger Zeit kränkte, und daß dieses Übelwollen auch sie selbst frostig anwehte. Sie sah, daß die Artamonows sich nicht betranken und einig lebten, hartnäckig ihren Geschäften nachgingen und daß man ihnen nichts Schlechtes nachsagen konnte. Sie überwachte scharf ihre Tochter und Pjotr und überzeugte sich, daß der schweigsame, stämmige Bursche sich über sein Alter hinaus ernst benahm. Er bemühte sich nicht, Natalia in einer dunklen Ecke an sich zu pressen, sie zu kitzeln und ihr unanständige Worte ins Ohr zu flüstern, wie es alle Verlobten in der Stadt machten. Das ihr unverständliche zurückhaltende, aber besorgte und anscheinend sogar eifersüchtige Verhalten Pjotrs ihrer Tochter gegenüber beunruhigte sie aber etwas.

»Er wird kein zärtlicher Mann werden.«

Einmal, als sie die Treppe herunterkam, hörte sie unten im Flur die Stimme der Tochter:

»Geht ihr wieder auf Bärenjagd?«

»Wir haben die Absicht. Warum?«

»Es ist so gefährlich. Ein Bär hat doch mal Alexej verwundet!«

»Das ist seine eigene Schuld! Man darf eben nicht hitzig werden. – Sie denken also an mich?«

»Ich habe von Ihnen gar nichts gesagt.«

»So eine Schelmin!« dachte die Mutter, lachend und seufzend. »Und er ist ein Einfaltspinsel.«

Ilja Artamonow sagte ihr immer beharrlicher: »Beeile dich mit der Hochzeit, sonst beeilen sie sich selbst.«

Sie sah, daß Eile not tat. Das Mädchen schlief des Nachts schlecht und konnte ihr körperliches Sehnen nicht mehr verbergen. Zu Ostern brachte sie sie wieder ins Kloster, und als sie einen Monat später heimkehrte, sah sie, daß ihr bis dahin vernachlässigter Garten schön gepflegt war: die Wege waren gejätet, die Baumflechten entfernt, die Beerensträucher beschnitten und festgebunden, und alles war von einer erfahrenen Hand ausgeführt. Als sie den Weg zum Fluß hinunterging, bemerkte sie, daß Nikita, der Bucklige, den vom Frühlingshochwasser unterwaschenen Zaun ausbesserte. Unter dem langen, bis an die Knie reichenden Leinenhemd ragte kläglich der knochige Buckel in die Höhe, der den großen Kopf mit den schlichten hellen Haaren fast verbarg; Nikita hatte sie mit einem Birkenzweig festgebunden, damit sie ihm nicht ins Gesicht fielen. Er erschien inmitten des saftigen Grüns grau und erinnerte an einen alten Einsiedler, der sich bis zur Selbstvergessenheit von der Arbeit hinreißen läßt; er schwang die in der Sonne silbern schimmernde Axt, hieb geschickt einen Pfahl zurecht und sang leise, mit der dünnen Stimme eines Mädchens etwas Kirchliches. Hinter dem Zaun schimmerte grünlich das seidige Wasser, auf dem goldene Sonnenreflexe wie Karauschen spielten.