»Gott zum Gruß!« sagte Uljana mit einer ihr selbst unerwarteten Rührung. Nikita strahlte sie mit dem sanften Leuchten seiner blauen Augen an und erwiderte freundlich:
»Gott zur Hilfe!«
»Hast du den Garten so hergerichtet?«
»Ja.«
»Das hast du aber schön gemacht. Liebst du Gärten?«
Er erzählte kniend in kurzen Worten, sein Herr habe ihn mit neun Jahren zum Gärtner in die Lehre gegeben, und jetzt sei er neunzehn.
»Er ist bucklig, scheint aber nicht böse zu sein«, dachte Uljana.
Als sie am Abend mit ihrer Tochter oben Tee trank, erschien Nikita mit einem Blumenstrauß in der Hand und mit einem Lächeln auf seinem gelblichen, häßlichen, unfrohen Gesicht.
»Belieben Sie diesen Strauß anzunehmen!«
»Wozu das?« staunte die Bajmakowa und betrachtete mißtrauisch die hübsch zusammengestellten Blumen und Gräser. Nikita erklärte ihr, er hätte bei seiner Herrschaft jeden Morgen der Fürstin Blumen bringen müssen.
»So?« sagte die Bajmakowa und hob, leicht errötend, stolz den Kopf.
»Sehe ich denn aus wie eine Fürstin? Sie war wohl sehr schön?«
»Sie sind es ja auch!«
Die Bajmakowa dachte, noch heftiger errötend:
»Am Ende hat der Vater es ihm beigebracht?« –»Nun, also ich danke für die Ehre«, sagte sie, lud Nikita aber nicht zum Tee ein, und als er fort war, dachte sie laut:
»Er hat schöne Augen, – die sind nicht vom Vater, sondern wohl von der Mutter.«
Und sie seufzte:
»Es scheint unser Schicksal zu sein, mit ihnen zu leben.«
Sie redete Artamonow nicht allzusehr zu, mit der Hochzeit bis zum Herbst zu warten, damit das Jahr seit dem Sterbetag ihres Mannes um wäre, sondern erklärte mit Entschiedenheit dem Gevatter:
»Laß du aber dabei deine Hand aus dem Spiel, Ilja Wasiljewitsch! Ich will alles nach unserer schönen, alten Sitte machen. Das ist auch für dich gut: du kommst dadurch mit einemmal unter unsere angesehensten Leute und wirst von allen beachtet werden.«
»Nun,« brummte Artamonow stolz, »man sieht mich auch ohnehin von weitem.«
Sein Hochmut verletzte sie, und sie sprach:
»Man liebt dich hier nicht.«
»Nun, dann wird man mich eben fürchten!«
Und er fügte lächelnd, mit Achselzucken, hinzu:
»Auch Pjotr kommt mir immer mit dieser – Liebe. Ihr seid wunderliche Leute ...«
»Ich werde auch schon merklich von dieser Abneigung berührt.«
»Beunruhige dich nicht, Gevatterin!«
Artamonow hob seine lange Pranke und preßte die Finger so fest zur Faust zusammen, daß sie rot wurden.
»Ich verstehe es, die Menschen klein zu kriegen! Man wird nicht lange um mich herumspringen, – ich komme auch ohne Liebe aus ...«
Sie schwieg und dachte mit banger Unruhe:
»Was ist er für ein wildes Tier.«
Nun war ihr gemütliches Haus von den Freundinnen der Tochter, Mädchen aus den besten Familien der Stadt, bevölkert; sie trugen alle altertümliche Brokatsarafane, mit weißen, blasenförmigen Ärmeln aus Mull und dünnem Leinen, mit Einsätzen und mordwinischer Seidenstickerei, und mit Spitzen an den Handgelenken. Sie hatten ziegenlederne oder Saffianschuhe an und hatten sich Bänder in die langen Mädchenzöpfe geflochten. Die Braut erstickte schier in dem schweren Sarafan aus Silberbrokat mit vergoldeten, durchbrochenen Knöpfen vom Kragen bis zum unteren Saum und in dem Umhang aus Goldbrokat, mit weißen und blauen Bändern um die Schultern. Wie zu Eis erstarrt sitzt sie in der vorderen Ecke der Stube, wischt sich mit dem Spitzentuch das schweißige Gesicht und führt laut den Chor an:
»Über die Wiesen, die grü–ünen,
Über die Blumen, die blauen,
Strömt das Frühlingsgewässer,
Die kühle, ach, die trübe Flut ...«
Die Freundinnen fallen klangvoll und einig in das ersterbende Stöhnen der Mädchenklage ein:
»Mich, Jungfrau, schickt man
Wasser zu holen,
Barfuß und unbeschuht,
Ach, nackend und ohne Kleid ...«
Alexej lacht und schreit, unsichtbar in dem Haufen der Mädchen:
»Das ist ein komisches Lied! Man hat das Mädchen in Brokat gesteckt wie eine Pute in einen Blecheimer, und ihr schreit: nackend und ohne Kleid!«
Nikita sitzt in der Nähe der Braut; sein neues, blaues Wams ist ihm häßlich, lächerlich vom Buckel in den Nacken gerutscht, seine blauen Augen sind weit geöffnet und blicken Natalia so seltsam an, als fürchtete er, das Mädchen würde sich gleich in nichts auflösen und verschwinden. In der Tür steht, den Rahmen ganz ausfüllend, Matriona Barskaja, rollt die Augen und läßt ihren tiefen Baß ertönen:
»Ihr jammert zu wenig beim Singen, Mädchen!«
Sie macht einen weiten Pferdeschritt und schärft streng ein, wie man nach altem Herkommen zu singen hat, und wie man mit Zittern und Zagen sich zur Trauung vorbereitet.
»Es heißt; ›beim Manne sitzest du wie hinter einer steinernen Mauer‹. Merkt es euch aber: die Mauer ist stark, man kann sie nicht durchhauen, sie ist hoch, man kann nicht hinüberspringen!«
Doch die Mädchen hören ihr nicht recht zu; im Zimmer ist es eng und heiß, sie stoßen die Alte weg und laufen auf den Hof hinaus in den Garten. In ihrer Mitte erscheint, wie eine Biene unter Blumen, Alexej in einem goldfarbenen Seidenhemd und in Pluderhosen aus Plüsch; er ist lustig und lärmt wie ein Betrunkener.
Die Barskaja wirft gekränkt die dicken Lippen auf, glotzt ringsum und begibt sich, den Saum ihres Damastrockes vorn hochhebend, nach oben zu Uljana, der sie prophezeit:
»Deine Tochter ist fröhlich, das ist gegen Vorschrift und Sitte. Fröhlicher Anfang bedeutet ein böses Ende.«
Die Bajmakowa stöbert besorgt im großen, eisenbeschlagenen Koffer herum, vor dem sie kniet; neben ihr, auf der Erde und auf dem Bett ist, wie in einer Jahrmarktsbude, ein Durcheinander von Damast- und Taffetstücken, von Moskauer Kattun, Kaschmirschals, Bändern und gestickten Handtüchern, ein breiter Sonnenstrahl fällt auf die grellen Stoffe, und sie leuchten in bunten Farben wie eine Wolke im Abendrot.
»Es gehört sich für den Bräutigam nicht, vor der Trauung im Hause der Braut zu wohnen. Die Artamonows sollten ausziehen ...«
»Das hättest du vorher sagen sollen, jetzt ist es zu spät«, brummt Uljana, über den Koffer geneigt, um ihr gekränktes Gesicht zu verbergen, und sie hört die Baßstimme:
»Es hieß von dir, du wärest klug, darum schwieg ich. Ich dachte, du kämst von selbst darauf. Was macht es mir? Für mich handelt es sich nur darum, die Wahrheit zu sagen; wenn die Menschen sie auch nicht annehmen wollen, rechnet der Herrgott es mir doch an.«
Die Barskaja steht wie ein Monument da, ohne den Kopf zu bewegen, als wäre er eine bis an den Rand mit Weisheit gefüllte Schale. Da sie keine Antwort erhält, schiebt sie sich zur Tür hinaus, während Uljana in dem farbigen Feuer der Gewebe kniet und sehnsüchtig und ängstlich flüstert:
»Herr – hilf! Nimm mir nicht den Verstand.«
Wieder ein Rascheln an der Tür, sie steckt eilig den Kopf in den Koffer, um die Tränen zu verbergen. Nikita erscheint:
»Natalia Jewsewna schickt mich, um nachzufragen, ob Sie nicht irgendwelche Hilfe benötigen.«
»Ich danke, mein Lieber ...«
»Olgunka Orlowa hat sich in der Küche mit Sirup begossen.«
»So, was du nicht sagst? Ein kluges Mädelchen, –das wäre eine Braut für dich ...«.
»Wer würde mich denn nehmen ? ...«
Und im Garten unter der Linde sitzen am runden Tisch beim Bier Ilja Artamonow, Gawrila Barski, der Taufpate der Braut, Pomialow, der Lederhändler Shitejkin, ein Mensch mit leeren Augen, und der Stellmacher Woroponow. An den Stamm der Linde gelehnt, steht Pjotr, seine dunklen Haare sind reichlich eingefettet, und der Kopf erscheint wie aus Eisen, – er lauscht ehrerbietig der Unterhaltung der Älteren.