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»Ihr habt andere Sitten«, sagt der Vater nachdenklich, und Pomialow prahlt:

»Wir sind ja hier das erbeingesessene Volk, wir sind Großrussen!«

»Auch wir sind nicht von heute.«

»Wir haben uralte Gebräuche ...«

»Es sind viele Mordwinen und Tschuwaschen da ...«

Kreischend, lachend und sich drängend liefen die Mädchen in den Garten, umringten den Tisch als ein bunter Kranz von Sarafans und begannen das Preislied:

»Heil, Ilja Wasiljewitsch,

Verehrter Gevatter,

Auf der ersten Stufe brichst du dir ein Bein,

Auf der zweiten Stufe brichst du dir das zweite,

Aber auf der dritten brichst du dir den Kopf.«

»Das soll ein Preislied sein!« rief Artamonow erstaunt, sich an seinen Sohn wendend. Pjotr lächelte vorsichtig, betrachtete die Mädchen und zupfte sich am Ohr.

»Hör' nur zu!« rief Barski lachend.

»Noch zu wenig ist's für ihn,

Für den Mädchenräuber ...«

»Noch zu wenig?« rief Artamonow erregt und sichtlich verlegen und klopfte mit den Fingern auf den Tisch.

Und die Mädchen singen erregt:

»Man schleife dich mit der scharfen Egg'

Man stürze dich vom Berg auf Gestein,

Auf daß du uns nicht betrügst,

Und nicht lobst, nicht preist,

Die fernen, fremden Länder,

Die menschenleeren Dörfer, –

Sie sind mit Kummer besät

Und mit Tränen begossen ...«

»Das ist es also!« rief Artamonow beleidigt. »Nun, Mädchen, seid nicht böse, ich werde aber doch mein Land preisen: wir haben sanftere Sitten, und unser Volk ist freundlicher. Wir haben sogar einen Spruch: ›Die Swapa und Usosha fließen in den Sejm, Gott sei gepriesen, aber nicht in die Oka!‹«

»Na warte nur, du kennst uns noch nicht«, sagte Barski halb prahlend, halb drohend. »Nun, beschenke die Mädchen!«

»Wieviel soll ich ihnen geben?«

»Soviel du ihnen im Herzen gönnst.«

Als Artamonow den Mädchen aber zwei Silberrubel gab, sagte Pomialow zornig:

»Du hast eine lockere Hand, du Protz!«

»Es ist schwer, es euch recht zu machen!« schrie Ilja auch zornig, und Barski brach in ein dröhnendes Gelächter aus, während Shitejkins Lachen kurz und scharf die Luft durchdrang.

Der Polterabend endete beim Morgengrauen. Die Gäste waren gegangen, fast alle im Hause schliefen. Artamonow saß mit Pjotr und Nikita im Garten, glättete sich den Bart und sprach leise, während seine Augen durch den Garten schweiften und über die rosigen Wolken glitten:

»Ein herbes Volk! Ein unfreundliches Volk! Petrucha, du mußt alles tun, was deine Schwiegermutter will; wenn es auch Weiberdummheiten sein sollten, es muß trotzdem geschehen! Begleitet Alexej die Mädchen? Den Mädchen ist er angenehm, den Burschen aber nicht. Barskis Söhnchen wirft ihm böse Blicke zu ... jawohl! Du mußt freundlicher sein, Nikita, du verstehst das. Du mußt deinem Vater als Kitt dienen; wenn durch mich irgendwo ein Sprung entsteht, mußt du ihn verschmieren.«

Er blickte mit einem Auge in die große Holzkanne und fuhr mürrisch fort:

»Sie haben alles ausgesoffen; sie trinken wie Pferde. Was meinst du, Pjotr?«

Der Sohn ließ den seidnen Gürtel, ein Geschenk der Braut, durch die Hände gleiten und sagte leise:

»Im Dorf ist es einfacher und ruhiger zu leben.«

»Ja ... es ist am einfachsten, wenn man den Tag durchschläft ...«

»Sie ziehen die Hochzeit so hinaus ...«

»Gedulde dich.«

Endlich brach der große und schwere Tag für Pjotr an. Pjotr sitzt in der Vorderecke der Stube und weiß, daß seine Stirne finster zusammengezogen und gerunzelt ist, er fühlt, daß ihn das in den Augen der Braut nicht verschönt; er kann aber die Brauen nicht voneinander trennen, als wären sie mit einem festen Faden zusammengenäht. Er blickt die Gäste unfreundlich an und schüttelt das Haar; Hopfen wird auf den Tisch und auf Natalias Brautschleier gestreut, auch sie läßt den Kopf hängen und schließt müde die Augen; sie ist sehr bleich, ängstlich wie ein Kind und zittert vor Scham.

»Bitter!« brüllen zum zwanzigsten Male die roten, haarigen, grinsenden Fratzen.

Pjotr wendet sich mit steifem Hals wie ein Wolf um, hebt den Schleier und stößt die trockenen Lippen und die Nase gegen ihre Wange, wobei er die Atlaskühle ihrer Haut und das ängstliche Zittern der Schulter fühlt; Natalia tut ihm leid, und auch er schämt sich, während der dichte Ring der angeheiterten Menschen brüllt:

»Der Bursche versteht es nicht!«

»Richtig auf die Lippen!«

»Ach, ich würde schon richtig küssen ...«

Eine betrunkene Frauenstimme kreischt:

»Ich werde dich das Küssen schon lehren!«

»Bitter!« brüllt Barski. Pjotr beißt die Zähne zusammen und berührt die feuchten, zitternden Lippen des Mädchens. Sie ist ganz weiß und scheint wie eine Wolke in der Sonne hinzuschmelzen. Sie sind beide hungrig, man hat ihnen seit gestern nichts zu essen gegeben. Von der Aufregung, von dem scharfen Alkoholgeruch und von zwei Gläsern Donschaumwein fühlt Pjotr sich trunken und fürchtet, seine junge Frau könnte es merken. Alles ringsum wogt und verschwimmt zu einem bunten Haufen, um dann nach allen Seiten zurückzufluten und sich in die roten Blasen unangenehmer Fratzen zu verwandeln. Der Sohn betrachtet zornig und flehend den Vater, Ilja Artamonow ist zerzaust und feuerrot und schreit, in das rosige Gesicht der Bajmakowa blickend:

»Gevatterin, wir wollen mit Met anstoßen! Dein Met ist so süß wie die Hausfrau selbst ...«

Sie streckt den vollen weißen Arm aus, das goldene Armband mit den bunten Steinen funkelt in der Sonne, und auf der hohen Brust schillern wie Wassertropfen die Perlen. Auch sie hat getrunken, in ihren grauen Augen spielt ein schmachtendes Lächeln, und die halbgeöffneten Lippen bewegen sich verführerisch. Nach dem Anstoßen trinkt sie und verneigt sich vor dem Gevatter, der entzückt den zottigen Kopf schüttelt und brüllt:

»Was du für eine Art hast, Gevatterin! Ein fürstliches Gehaben, Gott strafe mich!«

Pjotr begreift dunkel, daß der Vater sich ungehörig benimmt; er fängt wachsam im betrunkenen Brüllen der Gäste Pomialows höhnische Rufe, die vorwurfsvolle Baßstimme der Barskaja und Shitejkins dünnes Lachen auf. »Das ist keine Hochzeit, sondern ein Gericht«, denkt er und hört:

»Schaut, wie dieser Teufel die Uljana betrachtet, ach, ach!«

»Es kommt noch zu einer Hochzeit, aber ohne Popen ...«

Diese Worte dringen ihm für einen Augenblick ins Ohr, er vergißt sie aber sogleich, wenn Natalia ihn mit dem Knie oder dem Ellbogen berührt und in seinem ganzen Körper ein unruhiges Sehnen hervorruft. Er bemüht sich, sie nicht anzublicken und hält den Kopf unbeweglich; er kann aber mit seinen Augen nicht fertig werden, die hartnäckig zu ihr hinüberschielen.

»Wird das bald ein Ende haben?« flüstert er. Natalia antwortet ebenso:

»Ich weiß nicht.«

»Man muß sich ja schämen ...«

»Ja«, hört er und freut sich, daß seine junge Frau ebenso wie er fühlt.

Alexej ist bei den Mädchen, sie schmausen im Garten; Nikita sitzt neben dem langen Popen, der einen nassen Bart, und kupferfarbige Augen im pockennarbigen Gesicht hat. Vom Hof und von der Straße schauen die Stadtbewohner zu den offenen Fenstern herein, Dutzende von Köpfen bewegen sich in der blauen Luft und lösen einander jeden Augenblick ab; die geöffneten Mäuler flüstern, zischen, schreien; die Fenster scheinen Säcke zu sein, aus welchen diese lärmenden Köpfe sofort wie Melonen ins Zimmer rollen werden. Nikita fällt besonders der Kopf des Erdarbeiters Tichon Wialow auf; dessen Gesicht hatte breite Backenknochen, rote Flecken und war mit rötlichem, dichten Haar bewachsen. Die auf den ersten Blick farblos erscheinenden Augen flimmerten seltsam und zwinkerten, es bewegten sich aber nur die Pupillen, während die Wimpern regungslos blieben. Auch die dünnen, eigensinnig aufeinander gepreßten Lippen des nicht zu großen, vom krausen Schnurrbart nur leicht verhüllten Mundes waren regungslos. Die Ohren lagen aber häßlich an dem Schädel an. Dieser Mensch stützte sich mit der Brust auf das Fensterbrett und lärmte und schimpfte nicht, wenn man ihn wegzustoßen versuchte, sondern er schob die andern mit einer leisen Bewegung der Achseln und Ellenbogen weg. Seine Schultern waren hoch gewölbt, der Hals verschwand in ihnen und der Kopf wuchs gleichsam aus der Brust heraus, so daß auch er bucklig erschien, und Nikita glaubte in seinem Gesicht etwas Einnehmendes und Gütiges zu sehen.