Ein krummbeiniger Bursche schlug unerwartet und laut ins Tamburin und strich mit dem Finger fest über das Leder; das Tamburin weinte und dröhnte, jemand pfiff und breitete eine zweireihige Harmonika auf den Knien aus, und sogleich drehte sich und stampfte mitten im Zimmer der kleine, rundliche und lockige Brautführer Stepascha Barski und schrie im Takt der Musik:
»He, ihr Mädchen, meine Gegnerinnen,
Schelminnen und Reigentänzerinnen!
Hört ihr meiner Münzen helles Klingen,
Tretet vor und stellt euch vor mich hin!«
Sein Vater richtete sich in seiner ganzen riesigen Größe auf und brüllte:
»Stepascha! Blamiere nicht die Stadt, zeig' es jenen Hühnchen!«
Da sprang Ilja Artamonow auf, schüttelte den wie einen Besen zerzausten Kopf, das Blut strömte ihm ins Gesicht, die Nase war rot wie eine Kohle, und er brüllte Barski ins Gesicht:
»Wir sind keine Hühnchen, wir stammen aus Kursk! Wir wollen noch sehen, wer beim Tanzen den kürzeren zieht! Aljoscha!«
Alexej strahlte, als wäre er lackiert, betrachtete lächelnd den Driomower Tänzer und ging, auf einmal erbleichend, unfaßbar schnell und auf Mädchenart kreischend los.
»Er kennt keine Reime!« schrien die Driomower, und sofort ertönte Artamonows verzweifeltes Brüllen:
»Aljoscha, ich bringe dich um!«
Ohne stehenzubleiben und im Herumwirbeln innezuhalten, steckte Alexej zwei Finger in den Mund, pfiff gellend und sprach klangvolclass="underline" »Bei dem Herren, bei Mokejen Waren fünferlei Lakaien, Aber jetzt ist Herr Mokej Selber auch nur ein Lakai!«
»Da habt ihr's!«, brüllte Artamonow triumphierend.
»Oho!« rief der Pope vielsagend und schüttelte mit erhobenem Finger den Kopf.
»Alexej wird euren Burschen in Grund und Boden tanzen«, sagte Pjotr zu Natalia. Sie antwortete schüchtern:
»Er ist so leichtfüßig.«
Die Väter hetzten die Söhne wie Kampfhähne aufeinander, sie standen halb betrunken Schulter an Schulter beieinander, der eine war groß und plump wie ein Mehlsack, und aus seinen schmalen, roten Ritzen unter den Brauen flossen reichlich die Tränen trunkenen Entzückens. Der andere hatte sich gestrafft, als wäre er im Begriff loszuspringen, bewegte die langen Arme, streichelte sich die Hüften und seine Augen blickten wie wahnsinnig. Pjotr sah, daß sich der Bart des Vaters auf den Backenknochen bewegte und sagte sich:
»Er knirscht mit den Zähnen. Gleich haut er auf jemanden los... «
»Der Artamonowsche tanzt häßlich!«, ertönte die Trompetenstimme der Matriona Barskaja. »Er tanzt kläglich! Ohne Figuren!«
Ilja Artamonow lacht ihr ins dunkle, wie eine Pfanne runde Gesicht und in die breite Nase hinein, – Alexej hat gesiegt, Barskis Sohn wankt zur Tür, während Ilja die Bajmakowa grob bei der Hand packt und befiehlt:
»Nun, Gevatterin, komm heraus!«
Sie wehrt bleich mit der freien Hand ab und versucht zornig und bestürzt sich loszureißen:
»Was hast du! Ziemt es sich denn für mich ? Was fällt dir ein?«
Die Gäste verstummten schmunzelnd, Pomialow wechselte mit der Barskaja einen Blick, und seine Worte zischten schmalzig:
»Nun, das macht nichts! Erfreue uns, Uljana, tanze! Gott wird verzeihen...«
»Ich nehme die Sünde auf mich!« schrie Artamonow. Er schien nüchtern zu werden, zog die Stirne kraus, als hätte er einen Kampf zu bestehen, und bewegte sich gleichsam gegen seinen Willen. Die Bajmakowa wurde ihm entgegengeschoben, die angeheiterte Frau wankte, stolperte, richtete sich dann auf, warf den Kopf zurück und drehte sich im Kreise.
Pjotr hörte erstauntes Geflüster:
»Ach, du mein Gott! Der Mann hegt noch nicht einmal ein Jahr unter der Erde, sie hat aber schon die Tochter verheiratet und tanzt selber!«
Er sah seine Frau nicht an, fühlte aber, daß sie sich für die Mutter schämte und murmelte:
»Der Vater sollte nicht tanzen.«
»Auch die Mutter sollte das nicht tun«, erwiderte sie leise und traurig. Sie war auf die Bank gestiegen und blickte über die Köpfe der einen dichten Kreis bildenden Menschen hinweg, sie verlor das Gleichgewicht und hielt sich mit der Hand an Pjotrs Schulter fest.
»Vorsicht«, sagte er freundlich, ihren Ellbogen stützend.
Durch die offenen Fenster schwebte über den Häuptern der Zuschauer der Widerschein der Abendröte herein, und in diesem rötlichen Licht drehten sich der Mann und die Frau wie Blinde. Im Garten, im Hof und auf der Straße hörte man lachen und schreien, im schwülen Zimmer wurde es aber immer stiller. Das straff gespannte Leder des Tamburins erklang in seltsam dumpfen Tönen, die Harmonika dröhnte, und die beiden flogen noch immer, wie von Flammen erfaßt, krampfhaft im engen Kreise der Burschen und Mädchen herum. Diese sahen dem Tanze schweigend und ernst zu, als handelte es sich um eine außerordentlich wichtige Angelegenheit, die gesetzten Leute waren teilweise in den Hof gegangen, und es blieben nur die Benebelten und die vor Trunkenheit gänzlich Unbeweglichen zurück.
Artamonow stampfte noch einmal auf und hielt inne:
»Nun, du hast mich ganz atemlos gemacht, Uljana Iwanowna!«
Die Frau zuckte zusammen, blieb auch plötzlich wie vor einer Mauer stehen und sagte, sich vor allen im Kreise verneigend:
»Nehmt es mir nicht übel.«
Sie fächelte sich mit dem Taschentuch und verließ sogleich das Zimmer, in das sich statt ihrer die Barskaja hineinschob:
»Das Paar muß jetzt getrennt werden! Nun, Pjotr, komm zu mir; Bräutigamsführer, faßt ihn bei den Händen!«
Der Vater stieß die Führer weg und umschlang die Schultern seines Sohnes mit den langen, schweren Armen:
»Nun geh', Gott gebe dir Glück! Wir wollen einander umarmen!«
Er schob ihn fort, die Führer faßten ihn unter den Armen, die Barskaja ging voran und murmelte, nach allen Seiten ausspuckend:
»Pfu, pfu! Keine Krankheit, kein Kummer, kein Neid, keine Unehre, pfu! Feuer, Wasser Zur rechten Zeit, nicht zum Unheil, zum Glück!«
Als Pjotr ihr in Natalias Zimmer folgte, in dem ein prunkvolles Bett vorbereitet war, ließ sich die Alte schwer auf einen Stuhl mitten im Zimmer sinken.
»Höre und vergiß es nicht!« sprach sie feierlich. »Da hast du zwei halbe Rubel, leg sie unter die Fersen, in die Stiefel; wenn Natalia kommt und dir die Stiefel ausziehen will, laß es sie nicht tun ...«
»Wozu ist das ?« fragte Pjotr finster.
»Das ist nicht deine Sache. Dreimal weigerst du dich, beim viertenmal erlaubst du es ihr; sie wird dich dreimal küssen, dann gib ihr die Münzen und sprich: 'ich schenke es dir, meine Sklavin, mein Schicksal!' Vergiß es nicht! Zieh dich dann aus und leg dich mit dem Rücken zu ihr hin, sie wird dich aber bitten: 'laß mich zu Bett gehen!' Dann mußt du schweigen und ihr erst beim drittenmal die Hand hinstrecken. Hast du verstanden ? Nun, und dann...«