Выбрать главу

Dann hörte er wieder in sein rechtes Ohr das Liedchen vom Schatzhauser im grünen Tannenwald, und eine zarte Stimme flüsterte: „Dummer Kohlen-Peter, dummer Peter Munk, kannst kein Sprüchlein reimen auf stehen und bist doch am Sonntag geboren Schlag zwölf Uhr. Reime, dummer Peter, reime!“

Er ächzte, er stöhnte im Schlaf, er mühte sich ab, einen Reim zu finden, aber da er in seinem Leben noch keinen gemacht hatte, war seine Mühe im Traume vergebens. Als er aber mit dem ersten Frührot erwachte, kam ihm doch sein Traum sonderbar vor; er setzte sich mit verschränkten Armen hinter den Tisch und dachte über die Einflüsterungen nach; die ihm noch immer im Ohr lagen: „Reime dummer Kohlen-Munk-Peter, reime“ sprach er zu sich und pochte mit dem Finger an seine Stirne, aber es wollte kein Reim hervorkommen. Als er noch so dasaß, trübe vor sich hinschaute und an dem Reim auf stehen dachte, da zogen drei Burschen vor dem Hause vorbei in den Wald, und einer sang im Vorübergehen:

Am Berge tat ich stehen Und schaute in das Tal, Da hab ich sie gesehen Zum allerletztenmal.

Das führ wie ein leuchtender Blitz durch Peters Ohr, und hastig raffte er sich auf, stürzte aus dem Haus, weil er meinte, nicht recht gehört zu haben, sprang den drei Burschen nach und

packte den Sänger hastig und unsanft am Arm. „Halt Freund“, rief er, „was habt Ihr da auf stehen gereimt? Tut mir die Liebe und sprecht, was Ihr gesungen.“

„Was ficht’s dich an, Bursche?“ entgegnete der Schwarzwälder, „Ich kann singen, was ich will, und laß gleich meinen Arm los oder -“

„Nein, sagen sollst du, was du gesungen hast!“ schrie Peter beinahe außer sich und packte ihn noch fester an, die zwei andern aber, als sie dies sahen, zögerten nicht lange, sondern fielen mit derben Fäusten über den armen Peter her und walkten ihn derb, bis er vor Schmerzen das Gewand des dritten ließ und erschöpft in die Knie sank. „Jetzt hast du dein Teil“, sprachen sie lachend, „und merk dir, toller Bursche, daß du Leute, wie wir sind, nimmer anfällst auf offenem Wege.“

„Ach, ich will mir es gewißlich merken!“ erwiderte Kohlen-Peter seufzend. „Aber so ich die Schläge habe, seid so gut und saget deutlich, was jener gesungen.“

Da lachten sie aufs neue und spotteten ihn aus; aber der das Lied gesungen, sagte es ihm vor, und lachend und singend zogen sie weiter.

„Also sehen“, sprach der arme Geschlagene, indem er sich mühsam aufrichtete; „sehen auf stehen. Jetzt Glasmännlein, wollen wir wieder ein Wort zusammen sprechen.“ Er ging in die Hütte, holte seinen Hut und den langen Stock, nahm Abschied von den Bewohnern der Hütte und trat seinen Rückweg nach dem Tannenbühl an. Er ging langsam und sinnend seine Straße, denn er mußte ja einen Vers erinnern; endlich, als er schon in den Bereich des Tannenbühls ging und die Tannen höher und dichter wurden, hatte er auch seinen Vers gefunden und machte vor Freuden einen Sprung in die Höhe. Da trat ein riesengroßer Mann in Flözerkleidung, und eine Stange so lang wie ein Mastbaum in der Hand, hinter den Tannen hervor. Peter Munk sank beinahe in die Knie, als er jenen langsamen Schrittes neben sich wandeln sah; denn er dachte, das ist der Holländermichel und kein anderer. Noch immer schwieg die furchtbare Gestalt, und Peter schielte zuweilen furchtsam nach ihm hin. Er war wohl einen Kopf größer als der längste Mann, den Peter je gesehen, sein Gesicht war nicht mehr jung, doch auch nicht alt, aber voll Furchen und Falten; er trug ein Wams von Leinwand, und die ungeheuren Stiefel, über die Lederbeinkleider heraufgezogen, waren Peter aus der Sage wohl bekannt.

„Peter Munk, was tust du im Tannenbühl?“ fragte der Waldkönig endlich mit tiefer, dröhnender Stimme.

„Guten Morgen, Landsmann“, antwortete Peter, indem er sich unerschrocken zeigen wollte, aber heftig zitterte, „Ich will durch den Tannenbühl nach Haus zurück.“

„Peter Munk“, erwiderte jener und warf einen stechenden furchtbaren Blick nach ihm herüber, „dein Weg geht nicht durch diesen Hain.“

„Nun, so gerade just nicht“, sagte jener, „aber es macht heute warm, da dachte ich, es wird hier kühler sein.“

„Lüge nicht, du Kohlen-Peter!“ rief der Holländermichel mit donnernder Stimme, „Oder ich schlag’ dich mit der Stange zu Boden; meinst, ich hab’ dich nicht betteln sehen bei dem Kleinen?“ setzte er sanft hinzu. „Geh, geh, das war ein dummer Streich, und gut ist es, daß du das Sprüchlein nicht wußtest; er ist ein Knauser, der kleine Kerl, und gibt nicht viel, und wem

er gibt, der wird seines Lebens nicht froh. - Peter, du bist ein armer Tropf und dauerst mich in der Seele; so ein munterer, schöner Bursche, der in der Welt was anfangen könnte, und sollst Kohlen brennen! Wenn andere große Taler oder Dukaten aus dem Ärmel schütteln, kannst du kaum ein paar Sechser aufwenden; ’s ist ein ärmlich Leben.“

„Wahr ist’s; und recht habt Ihr; ein elendes Leben.“

„Na, mir soll’s nicht darauf ankommen“, fuhr der schreckliche Michel fort, „hab’ schon manchem braven Kerl in der Not geholfen, und du wärest nicht der erste. Sag einmal, wieviel hundert Taler brauchst du fürs erste?“

Bei diesen Worten schüttelte er das Geld in seiner ungeheuren Tasche untereinander, und es klang wieder wie diese Nacht im Traum. Aber Peters Herz zuckte ängstlich und schmerzhaft bei diesen Worten, es wurde ihm kalt und warm, und der Holländermichel sah nicht aus, wie wenn er aus Mitleid Geld wegschenkte, ohne etwas dafür zu verlangen. Es fielen ihm die geheimnisvollen Worte des alten Mannes über die reichen Menschen ein, und von unerklärlicher Angst und Bangigkeit gejagt, rief er: „Schön Dank, Herr! Aber mit Euch will ich nichts zu schaffen haben, und ich kenn’ Euch schon“ und lief, was er laufen konnte. - Aber der Waldgeist schritt mit ungeheuren Schritten neben ihm her und murmelte dumpf und drohend: „Wirst’s noch bereuen, Peter, auf deiner Stirne steht’s geschrieben, in deinem Aug’ ist’s zu lesen, du entgehst mir nicht. Lauf nicht so schnell, höre nur noch ein vernünftig Wort, dort ist schon meine Grenze.“ Aber als Peter dies hörte und unweit von ihm einen kleinen Graben sah, beeilte er sich nur noch mehr, über die Grenze zu kommen, so daß Michel am Ende schneller laufen mußte und unter Flüchen und Drohungen ihn verfolgte. Der junge Mann setzte mit einem verzweifelten Sprung über den Graben, denn er sah, wie der Waldgeist mit seiner Stange ausholte und sie auf ihn niederschmettern lassen wollte; er kam glücklich jenseits an, und die Stange zersplitterte in der Luft wie an einer unsichtbaren Mauer, und ein langes Stück fiel zu Peter herüber.

Triumphierend hob er es auf, um es dem groben Holländermichel zuzuwerfen; aber in diesem Augenblicke fühlte er das Stück Holz in seiner Hand sich bewegen, und zu seinem Entsetzen sah er, daß es eine ungeheure Schlange sei, was er in der Hand hielt, die sich schon mit geifernder Zunge und mit blitzenden Augen an ihm hinaufbäumte. Er ließ sie los, aber sie hatte sich schon fest um seinen Arm gewickelt und kam mit schwankendem Kopfe seinem Gesichte immer näher; da rauschte auf einmal ein ungeheurer Auerhahn nieder, packte den Kopf der Schlange mit dem Schnabel, erhob sich mit ihr in die Lüfte, und Holländermichel, der dies alles von dem Graben aus gesehen hatte, heulte und schrie und raste, als die Schlange von einem Gewaltigeren entführt ward.