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Auf dem Dach des Hauses standen mehrere schön gekleidete Männer, und am Ufer sah Said eine große Menge Diener, und alle schauten nach ihm und schlugen vor Verwunderung die Hände zusammen. An einer Marmortreppe, die vom Wasser nach dem Lustschloß hinaufführte, hielt der Delphin an, und kaum hatte Said einen Fuß auf die Treppe gesetzt, so war auch schon der Fisch spurlos verschwunden. Zugleich eilten einige Diener die Treppe hinab und baten im Namen ihres Herrn, zu ihm hinaufzukommen, und boten ihm trockene Kleider an. Er kleidete sich schnell um und folgte dann den Dienern aufs Dach, wo er drei Männer fand, von welchen der größte und schönste ihm freundlich und huldreich entgegenkam. „Wer bist du, wunderbarer Fremdling“, sprach er, „der du die Fische des Meeres zähmst und sie links und rechts leitest, wie der beste Reiter sein Streitroß? Bist du ein Zauberer oder ein Mensch wie wir?“

„Herr!“ antwortete Said. „Mir ist es in den letzten Wochen schlecht ergangen, wenn Ihr aber Vergnügen daran findet, so will ich Euch erzählen.“ Und nun hob er an und erzählte den drei Männern seine Geschichte von dem Augenblick an, wo er seines Vaters Haus verlassen hatte bis zu seiner wunderbaren Rettung. Oft wurde er von ihnen mit Zeichen des Staunens und der Verwunderung unterbrochen; als er aber geendet hatte, sprach der Herr des Hauses, der ihn so freundlich empfangen hatte: „Ich trau deinen Worten Said! Aber du erzähltest uns, daß du im

Wettkampfe eine Kette gewonnen und daß dir der Kalif einen Ring geschenkt; kannst du wohl diese uns zeigen?“

„Hier auf meinem Herzen habe ich beide verwahrt“, sprach der Jüngling, „und nur mit meinem Leben hätte ich so teure Geschenke hergegeben, denn ich achte es für die ruhmvollste und schönste Tat, daß ich den großen Kalifen aus den Händen seiner Mörder befreite.“ Zugleich zog er Kette und Ring hervor und übergab beides den Männern.

„Beim Bart des Propheten, er ist’s, es ist mein Ring!“ rief der hohe schöne Mann. „Großwesir, laß uns ihn umarmen, denn hier steht unser Retter.“ Said war es wie im Traum, als diese zwei ihn umschlangen, aber sobald war er sich nieder und sprach: „Verzeihe, Beherrscher der Gläubigen, daß ich so vor dir gesprochen habe, denn du bist kein anderer als Harun al Raschid, der große Kalif von Bagdad.“

„Der bin ich, dein Freund!“ antwortete Harun. „Und von dieser Stunde an sollen sich alle deine trüben Schicksale wenden. Folge mir nach Bagdad, bleibe in meiner Umgebung und sei einer meiner vertrauteren Beamten, denn wahrlich, du hast in jener Nacht gezeigt, daß dir Harun nicht gleichgültig sei, und nicht jeden meiner treuesten Diener möchte ich auf die gleiche Probe stellen!“

Said dankte dem Kalifen; er versprach ihm, auf immer bei ihm zu bleiben, wenn er zuvor eine Reise zu seinem Vater, der in großen Sorgen um ihn sein müsse, gemacht haben werde, und der Kalif fand dies gerecht und billig. Sie setzten sich bald zu Pferd und kamen noch vor Sonnenuntergang in Bagdad an. Der Kalif ließ Said eine lange Reihe prachtvoll geschmückter Zimmer in seinem Palast anweisen und versprach ihm noch überdies, ein eigenes haus für ihn erbauen zu lassen.

Auf die erste Kunde von diesem Ereignis eilten die alten Waffenbrüder Saids, der Bruder des Kalifen und der Sohn des Großwesirs, herbei. Sie umarmten ihn als Retter dieser teuren Männer und baten ihn, er möchte doch ihr Freund werden. Aber sprachlos wurde sie vor Erstaunen, als er sagte: „Eurer Freund bin ich längst“, als er die Kette, die er als Kampfpreis erhalten, hervorzog und sie an dieses und jenes erinnerte. Sie hatten ihn immer nur schwärzlich-braun und mit langem Bart gesehen, und erst als er erzählte, wie und warum er sich entstellt habe, als er zu seiner Rechtfertigung stumpfe Waffen herbeibringen ließ, mit ihnen focht und ihnen den Beweis gab, daß er Almansor der Tapfere sei, erst dann umarmten sie ihn mit Jubel von neuem und priesen sich glücklich, einen solchen Freund zu haben.

Den folgenden Tag, als eben Said mit dem Großwesir bei Harun saß, trat Messour, der Oberkämmerer herein und sprach: „Beherrscher der Gläubigen, so es anders sein kann, möchte ich dich um eine Gnade bitten.“

„Ich will sie zuvor hören“, antwortete Harun.

„Draußen steht mein lieber leiblicher Vetter Kalum-Bek, ein berühmter Kaufmann auf dem Basar“, sprach er, „der hat einen sonderbaren Handel mit einem Mann aus Balsora, dessen Sohn bei Kalum-Bek diente, nachher gestohlen hat, dann entlaufen ist, und niemand weiß wohin. Nun will aber der Vater seinen Sohn von Kalum haben, und dieser hat ihn doch nicht. Er wünscht daher und bittet um die Gnade, du möchtest kraft deiner großen Erleuchtung und Weisheit sprechen zwischen dem Mann aus Aleppo und ihm.“

„Ich will richten“, erwiderte der Kalif. „In einer halben Stunde möge dein Herr Vetter mit seinem Gegner in den Gerichtssaal treten.“

Als Messour dankend gegangen war, sprach Harun: „Das ist niemand anders als dein Vater, Said, und da ich nun glücklicherweise alles, wie es ist, erfahren habe, will ich richten wie Salomo. Du, Said, verbirgst dich hinter den Vorhang meines Thrones, bis ich dich rufe, und du, Großwesir, läßt mir sogleich den schlechten und voreiligen Polizeirichter holen. Ich werde ihn im Verhör brauchen.“

Sie taten beide, wie er befohlen. Saids Herz pochte stärker, als er seinen Vater bleich und abgehärmt, mit wankenden Schritten in den Gerichtssaal treten sah, und Kalum-Beks feines, zuversichtliches Lächeln, womit er zu seinem Vetter Oberkämmerer flüsterte, machte ihn so grimmig, daß er gerne hinter dem Vorhang hervor auf ihn losgestürzt wäre. Denn seine größten Leiden und Kümmernisse hatte er diesem schlechten Menschen zu danken.

Es waren viele Menschen im Saal, die den Kalifen Recht sprechen hören wollten. Der Großwesir gebot, nachdem der Herrscher von Bagdad auf seinem Thron Platz genommen hatte, Stille und fragte, wer hier als Kläger vor seinem Herrn erscheine.

Kalum-Bek trat mit frecher Stirne vor und sprach: „Vor einigen Tagen stand ich unter der Türe meines Gewölbes im Basar, als ein Ausrufer, einen Beutel in der Hand, und diesen Mann hier neben sich, durch die Buden schritt und rief:,Einen Beutel Gold dem, der Auskunft geben kann über Said aus Balsora.‘ Dieser Said war in meinen Diensten gewesen, und ich rief daher:,Hierher, Freund! Ich kann den Beutel verdienen.‘ Dieser Mann, der jetzt so feindlich gegen mich ist, kam freundlich und fragte, was ich wüßte. Ich antwortete:,Ihr seid wohl Benezar, sein Vater?‘, und als er dies freudig bejahte, erzählte ich ihm, wie ich den jungen Menschen in der Wüste gefunden, gerettet und gepflegt und nach Bagdad gebracht habe. In der Freude seines Herzens schenkte er mir den Beutel. Aber hört diesen unsinnigen Menschen, wie ich ihm nun weiter erzählte, daß sein Sohn bei mir gedient habe, daß er schlechte Streiche gemacht, gestohlen habe und davongegangen sei, will er es nicht glauben, hadert schon seit einigen Tagen mit mir, fordert seinen Sohn und sein Geld zurück, und beides kann ich nicht geben, denn das Geld gebührt mir für die Nachricht, die ich ihm gab, und seinen ungeratenen Burschen kann ich nicht herbeischaffen.“

Jetzt sprach auch Benezar. Er schilderte seinen Sohn, wie edel und tugendhaft er sei und daß er nie habe so schlecht sein können, zu stehlen. Er forderte den Kalifen auf, strenge zu untersuchen.

„Ich hoffe“, sprach Harun, „du hast, wie es Pflicht ist, den Diebstahl angezeigt, Kalum-Bek?“

„Ei, freilich!“ rief jener lächelnd. „Vor den Polizeirichter habe ich ihn geführt.“

„Man bringe den Polizeirichter!“ befahl der Kalif.