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»Aber viel wissen wir noch nicht«, warf eine vorwitzige Stimme ein. Die Kinder fuhren zusammen. Es war die Stimme des Kutschergauls. »Guter alter Goldapfel«, sagte Polly. »Ich freue mich, daß er zu denen gehört, die auserwählt wurden als sprechende Tiere.« Und der Kutscher, der eben zu den Kindern getreten war, fügte hinzu: »Ich glaub, ich werd’ verrückt. Aber ich hab ja schon immer gesagt, daß der Gaul ‘nen Haufen Grips hat im Hirn.«

»Kreaturen, ich gebe euch euch selbst«, sagte die mächtige, glückliche Stimme Aslans. »Ich gebe euch dieses Land namens Narnia für alle Zeiten. Ich gebe euch die Wälder, die Früchte, die Flüsse. Ich gebe euch die Sterne, und mich selbst gebe ich auch. Und auch die stummen Tiere die ich nicht auserwählt habe, sollen die euren sein. Behandelt sie gut und liebt sie, doch werdet nicht wieder wie sie, sonst seid ihr keine sprechenden Tiere mehr. Von ihnen seid ihr gekommen, und zu ihnen könnt ihr wieder werden. Doch davor solltet ihr euch hüten!«

»Ja, Aslan, das machen wir, das machen wir«, sagten alle. Eine vorlaute Dohle fügte hinzu: »Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen!« Da alle anderen inzwischen verstummt waren, schallten ihre Worte laut durch die Stille. Sicher wißt ihr, wie peinlich so etwas sein kann. Die Dohle war so verlegen, daß sie den Kopf unter die Flügel steckte, als wolle sie schlafen. Und alle anderen Tiere stießen die verschiedensten komischen Geräusche aus – sie lachten. Doch so etwas wurde hier in unserer Welt natürlich noch nie gehört. Zuerst versuchten sie, ihr Gelächter zu unterdrücken, doch Aslan sagte: »Lacht nur und fürchtet euch nicht, ihr Kreaturen. Jetzt, wo ihr nicht mehr stumm seid und ohne Verstand, braucht ihr nicht mehr unentwegt ernst zu sein. Denn Witz und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand mit der Sprache.«

Also lachten sie alle frei heraus, und bei all der Fröhlichkeit schöpfte die Dohle wieder Mut. Sie setzte sich auf den Kopf des Droschkenpferds, genau zwischen die beiden Ohren, schlug mit den Flügeln und sagte: »Aslan! Aslan! Habe ich den ersten Witz gemacht? Wird es bis in alle Ewigkeit jeder erfahren, daß ich den ersten Witz gemacht habe?«

»Nein, kleiner Freund«, entgegnete der Löwe. »Du hast nicht den ersten Witz gemacht, du warst der erste Witz.« Jetzt lachten alle noch mehr als zuvor, aber das störte die Dohle nicht. Sie lachte ebenso laut mit, bis das Pferd den Kopf schüttelte und sie herunterfiel. Erst bevor sie am Boden auftraf, fiel ihr wieder ein, daß sie ja Flügel hatte. Daran hatte sie sich nämlich noch nicht so recht gewöhnt.

»Und nun ist Narnia entstanden«, sagte Aslan. »Als nächstes müssen wir uns Gedanken machen, wie wir es schützen können. Ich werde einige von euch zu einem Rat einberufen. Kommt her zu mir: du, oberster Zwerg; du, Flußgott; du, Eiche, und du, männliche Eule; ihr beiden Raben und du, Elefantenbulle. Wir müssen uns beraten. Diese Welt ist zwar noch keine fünf Stunden alt, und doch ist schon das Böse hier eingezogen.«

Die ausgesuchten Tiere traten vor, und gemeinsam mit ihnen wandte sich der Löwe nach Osten. Die anderen begannen wild durcheinanderzuplappern: »Was hat er gesagt, wer da eingezogen sei in unsere Welt? – Eine Blöße? – Was ist eine Blöße? – Nein, er hat nicht Blöße gesagt, sondern Klöße! – Tja, und was könnte das wohl sein?«

»Hör mal, Polly«, sagte Digory. »Ich muß ihm nachgehen – dem Löwen, meine ich. Ich muß mit ihm reden.«

»Meinst du, das geht?« sagte Polly. »Das würde ich mich nicht trauen.«

»Ich muß es tun«, antwortete Digory. »Wegen meiner Mutter. Wenn es jemanden gibt, der ihr noch helfen kann, dann ist er es.«

»Ich komm mit«, erklärte der Kutscher. »Der Löwe gefällt mir. Und ich glaub kaum, daß uns die ander’n Viecher an den Kragen wollen, außerdem würd’ ich gern mit meinem Gaul ein Wörtchen reden.«

Also faßten alle drei Mut und machten sich auf den Weg. Die versammelten Tiere waren so sehr damit beschäftigt, sich zu unterhalten und Freundschaften zu schließen, daß sie die drei Menschen erst bemerkten, als diese schon ganz in ihrer Nähe standen. Auch Onkel Andrew schienen sie nicht zu hören, der ein Stückchen weiter mit zittrigen Beinen dastand und laut – aber nicht allzulaut – rief: »Digory! Komm zurück! Du kommst jetzt sofort, wenn ich es dir befehle! Ich verbiete dir, noch einen einzigen Schritt weiterzugehen!«

Als die drei schließlich mitten zwischen den Tieren standen, hörten diese auf zu reden und starrten.

»He!« sagte der männliche Biber schließlich. »Was sind denn das für Dinger, im Namen Aslans?«

»Bitte«, begann Digory ziemlich aufgeregt, doch da unterbrach ihn ein Kaninchen: »Also, ich glaube, die müssen so etwas Ähnliches sein wie große Salatköpfe.«

»Nein, das sind wir nicht. Ehrlich«, erklärte Polly hastig. »Wir schmecken überhaupt nicht gut.«

»Sehr ihr!« meinte der Maulwurf. »Sie können reden. Wer hat jemals von einem Salatkopf gehört, der reden kann?«

»Vielleicht sind sie der zweite Witz?« schlug die Dohle vor.

Ein Panther, der damit beschäftigt war, sich das Gesicht zu putzen, sagte: »Tja, wenn das zutrifft, dann sind sie jedenfalls nicht so lustig wie der erste Witz. Also, ich für meinen Teil, ich sehe nichts Komisches an ihnen.« Er gähnte und machte sich wieder an seine Gesichtswäsche.

»O bitte«, sagte Digory. »Ich hab’s so schrecklich eilig. Ich muß mit dem Löwen reden.«

Die ganze Zeit über hatte der Kutscher versucht, Gold­apfels Blick zu erhaschen. Jetzt endlich hatte er Glück.

»Goldapfel, mein Junge, du kennst mich doch. Du kannst doch nicht einfach rumstehn und so tun, als ob du mich überhaupt nicht kennst!«

»Wovon redet dieses Dingsda, Pferd?« erklangen mehrere Stimmen.

»Tja«, erwiderte das Pferd bedächtig. »Ich weiß nicht so recht. Ich glaube, wir wissen alle miteinander noch nicht allzuviel. Aber mir kommt es vor, als hätte ich so ein Dingsda schon mal gesehen. Mir ist, als hätte ich schon mal woanders gelebt, oder als wäre ich irgendwas anderes gewesen, bevor uns Aslan vor ein paar Minuten aufgeweckt hat. Aber es ist alles ganz verschwommen. In meinem Traum – wenn es ein Traum war – kommen jedenfalls so Dinge wie die drei hier ebenfalls vor.«

»Was?« empörte sich der Kutscher. »Du kennst mich nicht? Mich, wo ich dir jeden Abend ‘nen heißen Brei gebracht habe, wenn’s dir nicht so gut ging? Und wo ich dich immer so schön abgerieben hab’? Und wo ich nie vergessen hab’, ‘nen Lumpen über dich zu legen, wenn du in der Kälte stehen mußtest? Das hätte ich nicht von dir gedacht, Goldapfel.«

»Jetzt erinnere ich mich langsam wieder«, meinte das Pferd nachdenklich. »Ja. Wie war das nur? Ja, du hast immer so ein gräßliches schwarzes Ding hinter mich gebunden. Und geschlagen hast du mich, damit ich rannte. Und ich konnte rennen, so weit ich wollte, immer kam das schwarze Ding rüttel-schüttel hinter mir hergepoltert.«

»Aber das war doch, weil wir unser täglich Brot verdienen mußten«, sagte der Kutscher. »Deines genausogut wie meines. Und ohne Arbeit und ohne Peitsche hätt’s auch keinen Stall gegeben, kein Heu, keinen Brei und keinen Hafer. Denn ab und zu hast du ja Hafer zu kosten gekriegt, wenn ich’s mir leisten konnte. Das kann keiner bestreiten.«

»Hafer?« sagte das Pferd und stellte die Ohren auf. »Ja, da fällt mir etwas ein. Ja. Jetzt erinnere ich mich mehr und mehr. Du hast immer irgendwo hinter mir gesessen, ich rannte vorn, und ich mußte dich und das schwarze Ding ziehen. Ich habe die ganze Arbeit geleistet, da bin ich ganz sicher.«

»Ich geb ja zu, was den Sommer betrifft, hast du recht«, sagte der Kutscher. »Dir war’s heiß, und ich saß an ‘nem kühlen Plätzchen. Aber was ist mit dem Winter, alter Junge, wo’s dir warm war vom Laufen, während ich da oben saß mit Füßen wie Eisklumpen, und der Wind hat mir fast die Nasenspitze abgerissen, und meine Hände waren so taub, ich konnte kaum die Zügel halten?«