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Der Esel sammelte riesige Büschel mit Disteln und warf sie zu Onkel Andrew hinein, aber daraus schien er sich nichts zu machen. Die Eichhörnchen bombardierten ihn mit Nüssen, doch er hielt nur die Hände vors Gesicht und versuchte den Geschossen auszuweichen. Einige Vögel flogen hin und her und ließen emsig Würmer auf ihn fallen. Der Bär gab sich besonders große Mühe. Im Lauf des Nachmittags fand er ein Nest mit wilden Bienen, und anstatt es selbst zu verspeisen (was er liebend gern getan hätte), brachte es diese edle Kreatur zu Onkel Andrew.

Doch das war der größte Mißerfolg. Der Bär warf das klebrige Ding oben in den Käfig hinein, und unglücklicherweise traf es Onkel Andrew direkt ins Gesicht, wobei noch zu erwähnen ist, daß einige der Bienen durchaus noch am Leben waren. Der Bär, dem es ganz und gar nichts ausgemacht hätte, von Honigwaben ins Gesicht getroffen zu werden, konnte nicht verstehen, warum Onkel Andrew zurücktaumelte, ausrutschte und sich hinsetzte zu seinem großen Pech genau in einen Haufen Disteln.

»Immerhin ist ein Teil des Honigs in den Mund dieser Kreatur geraten, was ihr bestimmt gutgetan hat«, meinte das Stachelschwein. Inzwischen mochten sie dieses komische Haustier alle recht gern, und sie hofften, Aslan möge ihnen erlauben, es zu behalten. Die Klügeren unter ihnen waren jetzt auch fest davon überzeugt, daß zumindest einige der Laute, die aus Onkel Andrews Mund kamen, einen Sinn ergaben. Sie tauften ihn Brandy, denn diesen Laut stieß er am häufigsten aus.

Schließlich und endlich mußten sie ihn jedoch in seinem Käfig zurücklassen, weil es dunkel wurde. Aslan war den ganzen Tag damit beschäftigt, den neuen König und die Königin einzuweisen und andere wichtige Dinge zu erledigen, und so konnte er sich um den »armen alten Brandy« nicht kümmern. Bei all den Nüssen, Birnen, Äpfeln und Bananen, die man ihm vorgeworfen hatte, speiste er an diesem Abend gar nicht mal so schlecht, aber man kann nicht gerade behaupten, er hätte eine gemütliche Nacht verbracht.

»Holt diese Kreatur heraus!« befahl Aslan jetzt. Einer der Elefanten hob Onkel Andrew mit dem Rüssel heraus und legte ihn Aslan zu Füßen. Onkel Andrew hatte solche Angst, daß er sich nicht zu rühren wagte.

»Bitte, Aslan«, sagte Polly. »Könntest du etwas zu ihm sagen, damit er keine so schrecklich Angst mehr hat? Und etwas, das ihn davon abhält, jemals wieder hierher zu kommen?«

»Meinst du, das würde er wollen?« fragte Aslan.

»Tja«, meinte Polly. »Vielleicht schickt er irgendeinen anderen. Er war dermaßen begeistert, weil aus der Later­nen­stange ein Laternenbaum gewachsen ist, und er meint…«

»Er denkt närrisches Zeug, Kind«, entgegnete Aslan.

»Ein paar Tage lang wird diese neue Welt vor Leben strotzen, weil das Lied, mit dem ich sie ins Leben gerufen habe, noch immer in der Luft hängt und in der Erde rumort. Doch das wird nicht lange anhalten. Nur kann ich das dem alten Sünder nicht sagen, genausowenig wie ich ihn trösten kann. Er selbst hat dafür gesorgt, daß es ihm unmöglich ist, meine Stimme zu hören. Redete ich mit ihm, so hörte er nur Geknurre und Gebrüll. Oh, Söhne Adams, wie klug wehrt ihr euch gegen alles, was euch vielleicht guttäte! Doch ich will ihm das einzige Geschenk machen, das er noch entgegennehmen kann.«

Traurig beugte er sein riesiges Haupt hinunter und blies dem entsetzten Zauberer ins Gesicht. »Schlaf«, sagte er. »Schlaf, und vergiß ein paar Stunden lang das Ungemach, das du dir selbst eingebrockt hast.« Augenblicklich drehte Onkel Andrew sich um, schloß die Augen und begann friedlich zu atmen.

»Tragt ihn beiseite und legt ihn nieder!« befahl Aslan.

»So, Zwerge! Nun zeigt uns eure Schmiedekunst! Laßt mich sehen, wie ihr zwei Kronen schmiedet – eine für euren König, eine für eure Königin.«

Unzählige Zwerge eilten zum goldenen Baum. Und bevor man sich versah, hatten sie alle Blätter abgestreift und einige Äste abgebrochen. Jetzt konnten die Kinder sehen, daß er nicht nur golden aussah – nein, er bestand aus richtigem weichem Gold. Natürlich war er aus den Goldmünzen gewachsen, die aus Onkel Andrews Tasche gefallen waren, als man ihn auf den Kopf gestellt hatte, geradeso wie der Silberbaum aus den Silbermünzen gewachsen war. Plötzlich schienen aus dem Nichts Berge von trockenem Brennholz, ein kleiner Amboß, Hämmer, Zangen und Blasebälge aufzutauchen. Und schon einen Augenblick später loderte das Feuer, schnauften die Blasebälge, schmolz das Gold, hallten die Hämmer. Man konnte sehen, wie sehr die Zwerge ihre Arbeit liebten. Zwei Maulwürfe, die auf Aslans Geheiß schon zuvor gegraben hatten, was sowieso ihre Lieblingsbeschäftigung war, kippten ein Häufchen Edelsteine vor den Zwergen aus. Unter den geschickten Fingern dieser kleinen Schmie­de entstanden zwei Kronen – keine solchen häßlichen, klobigen Dinger wie die europäischen Kronen heutzutage, sondern leichte, zierliche und wunderschön geformte Reife, die man wirklich tragen konnte und die denjenigen, der sie trug, auch wirklich hübscher machten. Die Krone des Königs war mit Rubinen besetzt; die der Königin mit Smaragden.

Als man die Kronen im Fluß abgekühlt hatte, bat Aslan den Kutscher und seine Frau, sich auf die Erde zu knien.

Dann setzte er ihnen die Kronen auf und sagte: »Erhebt euch, König und Königin von Narnia, Vater und Mutter vieler Könige, die über Narnia, die Inseln und Archenland regieren werden. Seid gerecht, gnädig und mutig. Mein Segen sei mit euch.«

Alle jubelten oder bellten oder wieherten oder trompeteten oder schlugen mit den Flügeln. Feierlich stand das Königspaar da, ein klein wenig verlegen auch, doch das machte nichts; dadurch wirkten sie nur noch edler. Und während Digory noch jubelte, hörte er neben sich die tiefe Stimme des Löwen: »Schaut!«

Alle wandten die Köpfe, und alle erschauerten vor Staunen und vor Entzücken. Ein kleines Stück entfernt überragte ein Baum ihre Köpfe, der zuvor ganz gewiß noch nicht dagestanden hatte. Ganz lautlos mußte er gewachsen sein, während sie alle mit der Krönung beschäftigt waren, und so rasch, wie man eine Flagge am Mast emporzieht. Das ausgebreitete Astwerk schien eher ein Licht zu werfen als einen Schatten, und unter jedem Blatt lugten silberne Äpfel hervor, als wären es Sterne. Doch nicht der Anblick, sondern der Duft war es, der sie alle hatte erschauern lassen. Einen Augenblick lang konnte man kaum mehr an etwas anderes denken.

»Sohn Adams«, sagte Aslan. »Du hast gut gesät. Und ihr, Narnianen, eure wichtigste Aufgabe sei es, diesen Baum zu bewachen, denn er ist euer Schild. Die Hexe, von der ich zu euch sprach, ist weit in den Norden dieser Welt geflüchtet; dort wird sie leben und sich mit schwarzer Magie stärken. Doch solange der Baum wächst und gedeiht, wird sie nie nach Narnia herunterkommen. Sie wird es nicht wagen, sich dem Baum mehr als auf hundert Meilen zu nähern, denn sein Geruch, der für euch Freude und Leben und Gesundheit bedeutet, birgt für sie Entsetzen und Verzweiflung.«

Alle starrten feierlich auf den Baum, als Aslan plötzlich den Kopf herumwirbelte, wobei seine Mähne goldene Lichtstrahlen nach allen Seiten versprühte. Er richtete seine Augen auf die beiden Kinder. »Was ist, Kinder?« fragte er, denn er hatte sie dabei erwischt, wie sie miteinander flüsterten und sich gegenseitig stupsten.

»Oh – Aslan, Herr«, sagte Digory und wurde rot. »Ich vergaß dir zu sagen, daß die Hexe schon einen Apfel gegessen hat. So einen wie den, aus dem der Baum gewachsen ist.« Er hatte nicht alles gesagt, was ihm durch den Kopf schoß, doch Polly kam ihm sofort zu Hilfe. Digory hatte immer mehr Angst als sie, sich zu blamieren.

»Wir dachten deshalb, daß da vielleicht ein Fehler vorliegt«, sagte sie, »und daß ihr der Geruch dieser Äpfel nichts ausmachen kann.«

»Warum denkst du das, Tochter Evas?« fragte der Löwe.

»Na ja, sie hat doch einen gegessen.«

»Kind«, entgegnete er, »gerade aus diesem Grund graut ihr vor all den übrigen Äpfeln. So geschieht es mit jenen, die zur falschen Zeit und auf die falsche Art Früchte pflücken und essen. Die Frucht ist gut, doch anschließend ist sie ihnen für immer und ewig widerlich.«