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Vor langer Zeit hatten die Priesterinnen hier einst den Feuermagier Elenor, Pyros Vater, gefangengehalten. Um Elenor zu befreien, hatte Pyros den heiligen Wasserfall in jener längst vergangenen Nacht in Flammen aufgehen lassen. Brunhild wußte nicht genau, was damals geschehen war, zu sehr hatte dieses magische Feuer ihre kindliche Faszination auf sich gezogen. Aber später hatte sie begriffen, wie sehr ihnen allen damals die Gefahr gedroht hatte, vernichtet zu werden. Ramee hatte ihr seither immer wieder versichert, daß der Feuermagier Elenor nicht mehr in der Höhle hauste und daß Pyros nicht zurückkommen würde, um noch einmal gegen die weißen Frauen zu kämpfen.

Brunhild schaute sich um. Eine unerwartete Bewegung hinter ihr ließ sie zusammenfahren. Schlagartig wurde ihr klar, daß sie nicht alleine war. Sie wandte den Kopf und sah in einiger Entfernung den Fremden sitzen, der sie auf sein Pferd gezogen hatte. Sein langes, schwarzes Haar glänzte feucht in dem sanften Licht, das durch den Wasserfall hindurchschimmerte. Für den Hauch eines Augenblickes glaubte sie, in seinem Gesicht vertraute Züge wiederzuerkennen, dann verwarf sie den Gedanken jedoch, als ihr seine ungewöhnliche Art des Kampfes wieder einfiel, und sprang auf die Füße. Hinter dem Fremden stand der große schwarze Hengst. An der Seitentasche des Sattels ragte ein prächtiges Schwert heraus, das Brunhild zuvor nicht gesehen hatte.

»Was fällt Euch ein, mich hierherzubringen«, zischte sie den Fremden an, der sich nun ebenfalls erhob. Seine Kleider klebten ihm ebenso naß am Leib wie ihr, aber er schien nicht zu frieren. Unwillkürlich griff Brunhild nach ihrem Schwert, dann aber erinnerte sie sich, daß der Mann ihr die Waffe aus den Händen geschlagen hatte, bevor er mit ihr in den See gesprungen war.

»Wartet, ich werde Euch alles erklären!« sagte er, und die Kriegerin beobachtete, wie er langsam auf sie zutrat. Seine Bewegungen waren anmutig und fließend.

Die junge Kriegerin sah den reichverzierten Dolch an seinem Gürtel und entschied sich, Armas Lehre zu befolgen. Wenn er schon einen Kampf wollte, dann zu ihren Bedingungen, nicht jedoch zu seinen.

Kurz entschlossen wandte sie sich um. Da sie waffenlos war, blieb ihr keine andere Wahl. Sie holte tief Luft und sprang vom Rand des steinernen Höhlenbodens in den See zurück. Kraftvoll stieß sie sich ab und tauchte unter. Sie wollte unter dem Wasserfall hindurchschwimmen, um zurück an das Seeufer zu gelangen, wo ihr Schwert lag. Dann konnte der Mann sie fordern.

Als der Druck über ihr nachließ und sie den Wasserfall hinter sich wußte, begann sie sich langsam an die Oberfläche treiben zu lassen. Aber sie kam nicht weit, denn plötzlich griffen die starken Arme wieder nach ihr und zogen sie erneut hinunter. Diesmal war Brunhild schneller. Sie trat mit den Füßen so heftig nach dem Fremden, daß er sie einen Augenblick lang losließ, nur aber, um sie sofort wieder zu umschlingen und sie mit erstaunlicher Kraft zu umklammern. Immer noch wehrte sich Brunhild. Ihre Schläge wurden wilder. Sie mußte an die Oberfläche! Das Pochen in ihrem Kopf wurde schier unerträglich. Noch einmal holte sie mit aller Kraft aus, dann gab der Fremde endlich nach und ließ sie los. Wie ein Pfeil schnellte sie aus dem Wasser und rang gierig nach Luft.

Brunhild hörte den Hengst hinter sich schnauben, dann tauchte auch der Mann neben ihr auf.

»Gefährten...« sagte er, weiter kam er jedoch nicht. Brunhild ließ ihn nicht ausreden, sondern schlug ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen. Dieser Narr sollte nicht glauben, sie mit einem solch verrückten Kampf übertölpeln zu können. Der Fremde krümmte sich und verschwand wieder im See. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, drehte Brunhild sich zum Rand des Ufers und wollte zurück an Land schwimmen, als sie vor Entsetzen innehielt.

Zuerst glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können; nur allmählich begriff sie, was sie sah. Alles um sie her hatte sich verändert.

Aus dem grünen Zaubergarten der Gwenyar war ein graufinsterer Steinhaufen geworden. Dort, wo Gräser sich im Wind gebogen hatten, lag nur noch Geröll. Aus den Bäumen waren unbewegliche Felsriesen geworden, die drohend in den Wolkenhimmel ragten. Schaudernd drehte Brunhild sich im Wasser einmal um sich selbst. Am Ufer, an dem sie gekämpft hatte, standen noch immer ihre Gefährtinnen den Soldaten gegenüber, doch sie alle, auch die Männer, waren mitten im Gefecht zu Stein erstarrt. Sie hielten noch die vertrockneten, glanzlosen Schwerter empor, gegeneinander gerichtet wie die Staturen eines kriegerischen Gottes. Nichts in diesem Garten lebte noch, nur das heilige Wasser hinter ihr fiel über die schwarzen Felsen hinab in den See.

Hustend tauchte neben ihr der Kopf des Fremden wieder aus dem Wasser auf.

»Ist das Euer und der schwarzen Priesterin Werk?« fragte Brunhild ungehalten und deutete mit der Hand auf die felsenartigen Figuren ringsum. »Wenn ja, dann seht zu, daß Ihr das wieder zurücknehmt, sonst wird es Euch das Leben kosten. Das schwöre ich Euch bei der Heiligkeit unserer Göttin!«

Der Fremde schüttelte immer noch hustend den Kopf, daß ihm das nasse Haar ins Gesicht fiel. »Verzeiht mir meine Unfähigkeit, aber solche Zauber gehören nicht zu meinen bescheidenden Künsten«, sagte er und rang nach Luft.

»Das soll ich Euch glauben, nachdem ich diese schwarze Priesterin habe singen hören?« Die Kriegerin funkelte ihn an.

»Das müßt Ihr wohl, Brunhild!« bemerkte er ruhig. »Ihr habt Euch nicht verändert, stolze Maid. Ihr besitzt noch die gleiche spontane Lebenskraft wie damals. Und Ihr seid stark geworden, sehr stark, genau wie Arma!«

»Woher kennt Ihr meinen Namen? Und was wißt Ihr von Anna?« Mißtrauisch blickte sie ihm nach, als er neben seinem Hengst ans Ufer schwamm. »Antwortet!« Mit ein paar kräftigen Zügen folgte sie ihm und kletterte ebenfalls an dem felsigen Rand empor. Die nassen Kleider zogen schwer an ihr, doch wenigstens war es hier draußen ein wenig wärmer als in der Höhle hinter dem Wasserfall. Brunhild warf die lederne Weste von sich und wrang das untere Teil ihres Leinenhemdes aus, das unter Ramees Gürtel hervorschaute. »Sagt schon, was wißt Ihr von mir und Arma!«

»Wenn Ihr mir nicht gleich wieder davonlauft oder mich niederschlagt, sondern mich statt dessen ausreden laßt, dann helfe ich vielleicht Eurem müden Geist, sich an mich zu erinnern, Gefährtin der Nacht«, sagte der Mann und deutete eine Verbeugung an. Dann hob er den Kopf, und Brunhild sah, wie sehr er sich an der Wirkung seiner Worte ergötzte.

»Diesen Namen hat mir nur einer gegeben«, erwiderte Brunhild leise und ließ den Blick über den Fremden gleiten, als suche sie etwas. Wieder entdeckte sie die vertrauten Züge an ihm, doch diesmal wußte sie warum. »Ihr seid Raban?«

Der junge Ritter nickte, doch da fiel ihm Brunhild schon um den Hals.

»Der Göttin sei Dank«, lachte der Mann, als er die Arme fest um sie schloß. »Ich dachte schon, Ihr hättet mich völlig vergessen!«

»Wie könnte ich das?« Sie fühlte, wie die Tränen in ihr aufstiegen. »Ihr müßt mir erzählen, wie es Euch ergangen ist und was ihr erlebt habt.« Einen Herzschlag lang hielt sie inne und riß die Augen auf. »Warum habt Ihr denn nicht gleich gesagt, wer Ihr seid? Beinah hätte ich Euch mit meinem Schwert erschlagen!«

»Das glaube ich kaum!« Raban machte eine abwehrende Geste. »In Worms habe ich einiges über das Schwertkämpfen gelernt. Es wird wohl genügen, mich nicht gleich von Euch durchbohren zu lassen, holde Gefährtin.«

»Ihr seid hochmütiger als damals«, bemerkte Brunhild in gespieltem Ernst, dann fiel ihr Blick wieder auf den steinernen Garten, und ihre ausgelassene Fröhlichkeit über das unerwartete Wiedersehen erlosch. Sie wandte sich von Raban ab und lief mit eiligen Schritten zu der Stelle, an der Ramee lag. Traurig blieb sie stehen. Auch die alte Priesterin war zu grauem Fels erstarrt. Kalt und regungslos lag sie da, ihre Augen waren geschlossen, nur ihre Hände waren geöffnet, die Handinnenfläche dem Himmel entgegengestreckt. Langsam kniete Brunhild neben Ramee nieder.