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»Loba!«

Antana nickte. »Daran habe ich auch gedacht. Es war die Nacht des brennenden Mondes. Es wäre möglich, daß Inmee die Beschwörung gewagt hat.«

Mirka dachte eine Weile nach. »Das ist unsinnig. Die Knochen der Wölfin waren, nachdem Lajao Nejevé ihr das Halsband umgelegt hatte, in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden. Man hatte sie vergraben und in Schluchten geworfen. Inmee kann nicht alle Knochen gesammelt haben!«

»Ich fürchte, sie hat es aber doch getan«, bemerkte Antana. »Oder habt Ihr eine andere Erklärung dafür?«

Mirka schüttelte den Kopf. »Falls Inmee es wirklich gewagt hat, wird es sie recht bald das Leben kosten. Die Jägerin der dunklen Göttin ist unberechenbar, sie wird sich gegen die Priesterin wenden, denn Loba hat stets ihre eigenen Ziele.«

»Aber auf Inmees Tod können wir schließlich nicht warten. Bis dahin kann die schwarze Priesterin mit Hilfe der Wölfin das ganze Land verwüstet haben.«

»Das glaube ich kaum«, sagte Mirka und ging ein paar Schritte am Ufer entlang, während sie dabei jeden einzelnen Stein genau betrachtete. Sie untersuchte zunächst die kriegerischen Gestalten, dann den Boden, schließlich die Bäume.

»Habt Ihr Euch schon umgeschaut, Heilerin?« fragte sie.

»Flüchtig!«

»Ist Euch etwas Besonderes aufgefallen?«

»Sie sind zu Stein erstarrt! Mehr habe ich daran nicht entdecken können!«

Mirka nickte und strich einer grauen Priesterin über den Arm. »Eben!«

»Was meint Ihr?« Neugierig betrachtete nun auch Antana die Gestalten aus der Nähe.

Die Hohepriesterin schaute sich noch einmal um, als wolle sie sich vergewissern, dann wandte sie sich wieder an Antana. »Erinnert Ihr Euch, als Pyros damals den Wasserfall vernichten wollte, tat er es mit Feuer, denn darin liegt seine Macht.«

»Ja und?«

»Wenn dies das Werk einer Priesterin der dunklen Göttin sein soll, dann frage ich Euch, warum sind hier keine Leichen? Warum ist nicht eine von ihnen blutleer? Warum verbrannten sie nicht in blutigem Opferfeuer oder fielen als Untote jetzt über uns her?«

»Ihr meint, diese Versteinerung ging nicht von Inmee und der Wölfin aus?«

Mirka blickte nachdenklich auf den See. »Ich weiß es nicht genau, es könnte auch eine Falle sein, um uns abzulenken. Aber warum sollte Inmee für die Vernichtung des heiligen Haines einen Zauber der weißen Göttin wählen, wenn ihr mit Hilfe des Rubins viel leichtere Wege der dunklen Seite offengestanden hätten, die ihren blutigen Durst nach Rache besser befriedigen konnten.«

»Die Versteinerung ist ein Zauber der weißen Göttin?« Antana hob erstaunt die Brauen.

Mirka ging weiter, während sie immer noch die Steine ringsum genau betrachtete. »Es ist ein altes Ritual, Ramee hat einmal in einer Geschichte davon erzählt. Der Stein gehört wie die Erde und das Wasser zu den Mächten unserer heiligen Göttin. Jemanden zu Stein werden zu lassen, heißt, ihn einzuhüllen in den alles umfassenden Umhang der Göttin, heißt, ihn zu schützen vor Feuer und Tod.«

Antana erinnerte sich daran, daß die Priesterin manch altes Ritual kannte, und mit einem Mal erschienen ihr Mirkas Überlegungen gar nicht mehr so sonderbar. Schließlich hatte Ramee auch den mächtigen Feuermagier in einen Kater verwandelt, um ihn nicht töten zu müssen und ihr Volk trotzdem vor ihm zu schützen.

»Steine zu werfen, wie es beim alten Volk oft symbolisch praktiziert wurde, hatte früher eine heilige Bedeutung. Jemanden mit dem Stein der Göttin zu treffen bedeutete, genau zu wissen, ob der Getroffene der hellen oder der dunklen Seite der Göttin sein Herz geschenkt hatte.«

»Wie das?« fragte Antana und hob einen der Steine auf.

»Nun, wurde jemand durch den geschleuderten Stein schwer verletzt, war die Göttin nicht mit ihm, wurde er nicht getroffen, so war er ein wahrer Diener der Göttin.«

»Ich dachte immer, so etwas sei keine Frage des Glaubens, sondern eine Frage der Geschicklichkeit, ob man einem Stein ausweichen kann oder nicht!« sagte Antana und ließ den Stein wieder fallen. Pyros hatte sie weniger verwirrende Zauber gelehrt.

Als der Stein den Boden berührte, zersprang er in winzige Teile.

»Was habt Ihr getan?« Die Hohepriesterin schaute auf den Boden und kniete sich nieder.

»Ich habe den Stein fallen lassen«, sagte Antana.

»Und er ist zersprungen. Das ist ein deutliches Zeichen.« Mirka rollte ein wenig von dem Geröll zwischen ihren Fingern.

»Wir müssen Ramee finden. Ich bin sicher, daß sie die Priesterinnen und den Garten verwandelt hat. Diese Versteinerung ist nichts weiter als der schützende Umhang der Göttin.« Sie wandte sich um und ging weiter am Seeufer entlang.

Antana hielt die andere am Arm zurück. »Wenn Inmee wirklich die Wölfin zurückgeholt hat, welche Chance haben wir, diesen Dämon jemals zu besiegen?«

Die Hohepriesterin blieb stehen. »Nicht viele. Ramee weiß dazu wahrscheinlich mehr, darum wäre es gut, wenn wir einen Weg fänden, sie und den Garten zurückzuverwandeln.«

»Aber was ist, wenn wir keinen Weg finden, Ramee und die anderen zu befreien? Womit können wir die Wölfin aufhalten?«

Die Hohepriesterin blickte sich eine Weile lang um. »Wahrscheinlich gar nicht«, sagte sie traurig. »Soweit ich weiß, gibt es nur zwei Wege, die Wölfin wieder in das Reich der dunklen Göttin zurückzuschicken. Dazu müßte einer kommen, der aus Liebe zur Wölfin freiwillig sein Leben gibt, dann würde sie, so steht es geschrieben, nicht länger auf Erden bleiben können. Aber darauf können wir wohl kaum hoffen. Das Tier ist offenbar nicht besonders liebenswert.«

»Gibt Inmee denn nicht ihr Leben für die Wölfin?«

»Gewiß tut sie das, aber wahre Liebe dürfte kaum der Grund gewesen sein, warum die schwarze Priesterin den Dämon erweckt hat«, bemerkte Mirka. »Darum hat Inmees Tod, falls sie sterben würde, auch auf Lobas Existenz keine Auswirkungen. Wenn der Dämon einmal erwacht ist, geht er seine eigenen Wege!«

»Die Liebe zur Wölfin?« Antana fuhr sich nachdenklich über das Kinn. »Ist das der einzige Weg?«

»Nein, es gibt meines Wissens nach zwei. Aber macht Euch keine Hoffnungen. Ich glaube, der zweite ist auch nicht viel leichter als der erste!«

»Wieso? Erzählt mir davon!«

»Dazu müßte jemand das Halsband des Lajao Nejevé finden, das er einst für die Wölfin geschmiedet hat, und er müßte so mutig sein, es der Wölfin umzulegen.«

»Was ist das für ein Halsband?« fragte Antana.

»Ramee hat einmal von einem weißen Magier Namens Lajao Nejevé erzählt«, sagte Mirka. »Er war der Herrscher von Eis und Schnee und lebte hoch oben im Norden. Er regierte dort zu einer Zeit, in der die Wölfin der schwarzen Göttin schon einmal fast das ganze Land vernichtet hatte. Einzig sein Reich am Rande des ewigen Eises war von ihr noch nicht besiegt worden. So flocht Lajao in den vielen hellen Nächten eines Eissommers ein Zauberband. Ein magisches, silbernes Halsband, das aus vielen einzelnen Ringen besteht, wovon jeder einzelne Ring von dem Magier mit einem Zauber versehen wurde, der das Dunkle vernichten sollte.«

»Und wo ist dieses Halsband?« Antana hob fragend die Brauen.

Mirka zuckte mit den Schultern, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne und verzog das Gesicht.

»Vorsicht, Priesterin«, sagte Antana und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Diese Bewegung solltet Ihr eine Weile unterlassen, bis Ihr wieder ganz geheilt seid. Eure Schultern hat es arg getroffen.«

Mirka nickte. Sie hielt sich mit den Händen die schmerzende Stelle. »Jedenfalls weiß ich nicht, wo dieses Halsband zu finden ist. Wenn es überhaupt jemand weiß, dann wahrscheinlich nur die alte Ramee. Wir müssen sie finden.«

Antana nickte und folgte der Hohenpriesterin weiter am Ufer entlang.

Bei einer Figur, die am Boden hinter einem Felsbrocken lag, blieb Mirka schließlich stehen. »Kommt hierher, Heilerin, ich habe Ramee gefunden!« rief sie und beugte sich nieder.